In England formiert sich Widerstand Tausende stellen sich nach Krawallen gegen Rechtsextreme

dpa

8.8.2024 - 04:11

Grossbritannien: Erneut rechtsextreme Krawalle

Grossbritannien: Erneut rechtsextreme Krawalle

STORY: Die rechtsextremen Krawalle in Grossbritannien reissen nicht ab. Am Montagabend kam es in Plymouth zu Zusammenstössen zwischen Rechtsextremen und der Polizei, aber auch von Rechtsextremen mit Gegendemonstranten. Die Demonstranten warfen mit Steinen und Feuerwerkskörpern und lieferten sich Handgemenge mit der Polizei. Mehrere Polizisten wurden verletzt, es kam zu Festnahmen. Auch in Nordirland kam es erneut zu Randale. In Belfast wurden Bereitschaftsbeamte in der Nähe eines Supermarktes mit Steinen und Benzinbomben beworfen. In britischen Städten kommt es seit Tagen zu schweren Krawallen, bisher gibt es rund 400 Festnahmen. Zum Anlass für die Gewaltausbrüche nahmen die Randalierer die tödliche Messerattacke auf einen Taylor-Swift-Tanzkurs in Southport nahe Liverpool am vergangenen Montag. Dabei wurden drei Mädchen getötet und acht Kinder sowie zwei Erwachsene verletzt. Im Internet wurden Falschnachrichten verbreitet, wonach der Angreifer ein Asylbewerber mit muslimischem Namen gewesen sein soll. Angesichts der Krawalle hat die britische Regierung Vertreter von Social-Media-Plattformen zu einem Treffen eingeladen.

08.08.2024

Rechtsextreme Randalierer bestimmen tagelang die Schlagzeilen in Grossbritannien. Die Polizei rechnete nachts erneut mit Ausschreitungen – doch auf Englands Strassen formiert sich diesmal Widerstand.

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Tausende Menschen haben am Mittwochabend in London, Sheffield, Bristol, Brighton und anderen britischen Städten gegen rechtsextreme Ausschreitungen, Rassismus und Hass protestiert.
  • Die Polizei hatte sich für die Nacht erneut auf Randale eingestellt und befürchtet, dass auch Anwaltsfirmen und Beratungsstellen, die Asylbewerber bei ihren Anträgen unterstützen, ins Visier geraten könnten.
  • Vorausgegangen war den seiner mehr als einer Woche andauernden Ausschreitungen ein Messerangriff in der Stadt Southport, bei dem am 29. Juli drei Mädchen getötet und weitere Kinder sowie zwei Erwachsene verletzt wurden.
  • Online verbreiteten sich falsche Gerüchte, ein muslimischer Migrant sei der Täter.

Tausende Menschen haben in Grossbritannien gegen rechtsextreme Ausschreitungen protestiert. Die Menschen gingen am Mittwochabend in mehreren Städten des Landes gegen Rassismus und Hass auf die Strasse, darunter in London, Sheffield, Bristol und Brighton. In Liverpool hätten sich mehrere Hundert Menschen versammelt, um ein Zentrum für Asylbewerber zu schützen, meldete die britische Nachrichtenagentur PA.

In Grossbritannien kommt es seit mehr als einer Woche zu rechtsextremen Krawallen. Randalierer hatten in den vergangenen Tagen Sicherheitskräfte, Unterkünfte für Asylbewerber und Moscheen angegriffen. Autos und Gebäude wurden in Brand gesetzt. Premierminister Keir Starmer drohte mit der vollen Härte des Gesetzes.

Fensterfronten mit Brettern geschützt

Die Polizei hatte sich für die Nacht erneut auf Randale eingestellt und Medienberichten zufolge befürchtet, dass auch Anwaltsfirmen und Beratungsstellen, die Asylbewerber bei ihren Anträgen unterstützen, ins Visier geraten könnten. An manchen Orten wurden zum Beispiel vorsorglich Fensterfronten mit Brettern geschützt.

Am Abend kamen aber vor allem Gegendemonstranten friedlich zusammen. Auf Plakaten und Schildern forderten sie etwa «No Place for Hate» («Kein Platz für Hass») oder «Stop the far Right» («Stoppt die extreme Rechte»). In Birmingham hätten sich Menschen vor einem Beratungszentrum versammelt und etwa gegen Islamhass protestiert, meldete PA.

König Charles lässt sich über Lage informieren

Innenministerin Yvette Cooper bedankte sich bei der Polizei für ihren Einsatz, die Tausende Kräfte vorgehalten hatte. Auch König Charles III. lässt sich Berichten zufolge regelmässig über die Entwicklungen informieren. Ermittler hatten landesweit mit rund 100 Krawallaktionen gerechnet, die dann aber geringer ausfielen als erwartet.

In Brighton hätten Polizisten einigen rechtsextremen Demonstranten den Weg aus der Menge von Gegendemonstranten bahnen müssen, berichtete PA. Manche hätten «Schämt euch» gerufen. Vereinzelt kam es am Mittwochabend auch zu Festnahmen.

Strafverfolgungsbehörden setzen auf Abschreckung

Vorausgegangen war den Ausschreitungen ein Messerangriff in der Stadt Southport. Dabei wurden am 29. Juli drei Mädchen getötet und weitere Kinder sowie zwei Erwachsene verletzt. Online verbreiteten sich Gerüchte, ein muslimischer Migrant sei der Täter.

Die Falschnachrichten wurden von einflussreichen Accounts bei X und Telegram geteilt. Die Polizei betont, dass es sich bei dem Verdächtigen um einen 17-Jährigen handelt, der als Sohn von Ruandern in Grossbritannien geboren wurde. Das Motiv ist unklar.

Von den mehr als 400 festgenommenen Randalierern wurden bereits etwa 120 angeklagt. Ein Gericht in Liverpool verurteilte drei Männer zu Haftstrafen von 20 Monaten bis drei Jahren. Laut Justizstaatssekretärin Heidi Alexander sollen von nächster Woche an mehr als 560 zusätzliche Plätze in Gefängnissen geschaffen werden.

Wie ein Soziologe auf die Ausschreitungen schaut

Der Soziologe Aaron Winter von der Universität Lancaster erklärt die Ausschreitungen nicht mit der neuen sozialdemokratischen Labour-Regierung und einem Protest gegen eine vermeintlich linke progressive Bewegung. Starmers Partei sei nicht linksgerichtet. «Sie hat mit den Flaggen und der ‹small boat›-Rhetorik Wahlkampf gemacht und sich härter gegeben als die Konservativen.» Parteien hätten sich mit Aussagen übertroffen, wer härter gegen Migration vorgehe, was zu einer feindlichen Atmosphäre führe.

Winter verweist darauf, dass die frühere konservative Regierung mit ihrer Sparpolitik die Ungleichheit im Land vergrössert habe. Er kritisierte Starmers jüngste Aussagen, der die Randalierer als «thugs» bezeichnet hatte, übersetzt etwa als Banditen. Damit würden die Randalierer marginalisiert, als ob sie ausserhalb der Gesellschaft stünden. Die tieferen Ursachen würden angesichts einer solchen Argumentation aber ignoriert, warnte Winter.

dpa