18 Städte betroffen Gewalt in England eskaliert – das ist bislang passiert und bekannt

alu/dpa

6.8.2024

«Es macht mir Angst» – Muslime in England zu Ausschreitungen

«Es macht mir Angst» – Muslime in England zu Ausschreitungen

STORY: Zu den rechtsgerichteten Ausschreitungen in England äusserten sich Muslime in London am Montag besorgt und frustriert. «Ich habe das Gefühl, dass wir bedroht werden, es ist nicht sicher. Was tun wir, als Muslime? Wir beten einfach fünfmal am Tag. Wir sind keine Terroristen. Das ist gegen unsere Religion.» «Ich finde es ziemlich seltsam und entmutigend zu wissen, dass Menschen in der Gesellschaft einen solchen Tiefpunkt in ihrem Leben erreichen können, an dem Angriffe und unverhohlener Rassismus stattfinden. Ja, es ist wirklich traurig zu sehen.» «Die Sache ist die, dass sie uns zu Unrecht beschuldigen. Wissen Sie, ich bin mit einem Studentenvisum hierhergekommen. Ich habe alle Gebühren für das Gesundheitssystem, Visagebühren, alles bezahlt. Ich arbeite Vollzeit. Ich zahle die volle Steuer und erhalte keine Leistungen von der Regierung. Ich arbeite für dieses Land, das heisst, wir tun hier weder dem Land noch den Leuten irgendein Unrecht.» Die Ermordung von drei jungen Mädchen in der Stadt Southport vergangene Woche wurde von rechtsgerichteten Gruppen aufgegriffen, um in ganz Grossbritannien Unruhe zu stiften. Entgegen der zunächst verbreiteten Falsch-Information hat die Polizei inzwischen bestätigt, dass der 17-jährige Täter in Wales geboren wurde. Seine Eltern stammen aus Ruanda. Medienberichten zufolge ist seine Familie christlich.

06.08.2024

Seit einer Woche gehen Menschen in England auf die Strasse und machen mit Krawallen und Angriffen auf Asylbewerber auf sich aufmerksam. blue News verschafft dir einen Überblick über die bisherigen Ereignisse.

alu/dpa

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Eine Bluttat in Southport, bei der drei Mädchen getötet wurden, hat in England eine Welle der Gewalt ausgelöst.
  • Falschmeldungen zur Herkunft und Religionszugehörigkeit des Tatverdächtigen befeuerten den Unmut von Rechtsradikalen.
  • In 18 englischen Städten kam es in den vergangenen Tagen zu gewaltsamen Protesten und Angriffen auf Asylbewerber*innen und anderen Minderheiten.
  • Premierminister Keir Starmer wandte sich mit klaren Worten an die Randalierer – am Montag berief er einen Krisenstab ein.

Die Unruhen in England nehmen neue Ausmasse an. Seit Tagen machen Menschen, die der rechten Szene zugeordnet werden, mit gewaltsamen Protesten und Angriffen auf Asylbewerber*innen sowie andere Minderheiten Schlagzeilen.

Der frisch gewählte Premierminister Keir Starmer (61) hat sich an die Krawallmacher mit den Worten «ihr werdet es bereuen» gewendet. Die klare Ansage zeigte bislang keine Wirkung, weshalb Starmer am Montag einen Krisenstab einberufen hat.

blue News verschafft dir eine Übersicht zur Lage in England.

Was ist der Ursprung der Gewalt-Welle?

Am Ursprung der gewaltsamen Proteste steht die Messerattacke am 29. Juli in der Küstenstadt Southport in der Nähe von Liverpool. Während eines Taylor-Swift-Tanzkurses für Kinder soll ein 17-jähriger Jugendlicher drei Mädchen im Alter von sechs, sieben und neun Jahren mit einem Messer getötet haben.

Acht weitere Kinder und zwei Erwachsene, die sich schützend vor die Kinder gestellt haben sollen, wurden während der Tat ebenfalls verletzt. Fünf der Kinder erlitten schwere Verletzungen. Die Polizei nahm den Verdächtigen fest und stellte die Waffe sicher. Von einer Terror-Attacke gingen die Behörden zunächst nicht aus.

Solche Bilder wie hier in Middlesbrough sind in verschiedenen englischen Städten zu sehen.
Solche Bilder wie hier in Middlesbrough sind in verschiedenen englischen Städten zu sehen.
Bild: Keystone

Was ist über den Verdächtigen bekannt?

Über die Identität des Tatverdächtigen gab es in den Stunden nach der Tat verschiedene Spekulationen. Im Internet kursierte ein Name, welcher sich laut der BBC als falsch herausstellte. Auch wurde darüber spekuliert, dass der Täter einen Migrationshintergrund habe. Dies wurde von der Polizei ebenfalls als Falschinformation bestätigt. 

Gemäss der BBC soll der 17-Jährige in Cardiff, Wales, geboren worden sein und später mit seinen Eltern, die ihre Wurzeln in Ruanda haben, nach Banks, einem kleinen Dorf unweit von Southport, gezogen sein.

Die verschiedenen Falschmeldungen zur Herkunft und Religionszugehörigkeit des Verdächtigen sollen die Krawalle in verschiedenen Städten ausgelöst haben. Aus diesem Grund hat das Gericht in Liverpool entschieden, den Namen des Verdächtigen zu publizieren, auch wenn dieser erst in wenigen Tagen volljährig sein wird.

Der Richter Andrew Menary begründete diesen Entscheid damit, dass eine «vollständige Berichterstattung im Interesse der Öffentlichkeit» sei, so würde die Verbreitung von Falschmeldungen gestoppt werden, berichtet die BBC.

Zum Tatmotiv ist bislang nichts bekannt. Vor Gericht wurde festgehalten, dass eine Autismus-Diagnose des Verdächtigen vorliege, wie englische Medien berichten.

Wo finden die Krawalle statt?

Begonnen haben die gewaltsamen Proteste am 30. Juli in der betroffenen Stadt Southport. Dort attackierten Rechtsextreme der islamophoben «English Defence League» eine Moschee und die präsente Polizei.

In den Tagen danach begannen Menschen auch in anderen englischen Städten und in Belfast in Nordirland auf die Strasse zu gehen. Dabei kam es ebenfalls zu gewaltsamen Protesten. Mittlerweile wurden Krawalle in 18 Städten registriert. Am Montagabend kam es dann zu neuen Ausschreitungen von Ultranationalisten in der südenglischen Stadt Plymouth. Dabei wurden mehrere Polizisten verletzt. «Wir ergreifen Massnahmen gegen Personen, die kriminelle Absichten verfolgen», teilte die Polizei mit. Es gebe Festnahmen. Wie die BBC berichtete, wurde ein Polizeiwagen demoliert.

Auch Gegendemonstranten stellten sich den Randalierern entgegen. Es kam zu Zusammenstössen. Ein Reporter des Senders Sky News sprach von grosser Gewalt. Es sei schwer, die gegnerischen Gruppen auseinanderzuhalten.

Die Polizei zeigt viel Präsenz, kann die Ausschreitungen allerdings nicht verhindern. Wie verschiedene Medien berichten, würden die Randalierer zum Teil auch Fenster von Häusern einschlagen und Autos anzünden.

Die Rechtsextremen nehmen offenbar gezielt Asylbewerber*innen und Minderheiten ins Visier. Auf der Plattform X kursieren diverse Videos, die zeigen sollen, wie Personen aufgrund ihrer Hautfarbe wahllos angegriffen werden.

Wie der «Guardian» berichtet, hätten die Randalierer in Rotherham, einer Stadt in der Nähe von Sheffield, ein Hotel abzufackeln versucht, in dem Asylbewerber*innen untergebracht sind. Die Polizei habe Schlimmeres verhindern können. Bei dem Einsatz wurden zehn Polizist*innen verletzt.

Wie reagiert die Regierung?

Premierminister Keir Starmer wandte sich mit einer Rede direkt an die Drahtzieher der Ausschreitungen: «Ich garantiere euch, dass ihr es bereuen werdet, an diesen Unruhen teilgenommen zu haben, ob direkt oder jene, die zu diesen Aktionen online aufstacheln und selbst dann wegrennen.»

Starmer betonte, Menschen wegen ihrer Hautfarbe ins Visier zu nehmen, sei rechtsextrem. «Die Menschen in diesem Land haben ein Recht darauf, sich sicher zu fühlen.»

Die klaren Ansagen der Premiers zeigten vorerst wenig Wirkung, wurden doch am Sonntag weitere gewaltsame Proteste organisiert. Am Montag berief Starmer einen Krisenstab ein.