Interview zu US-Wahlen«Für Trump wird es jeden Tag schwieriger, zu gewinnen»
Von Gil Bieler
3.7.2020
US-Wahlkampf in Krisenzeiten
US-Präsident Donald Trump und die First Lady, Melania Trump, wurden positiv auf das Coronavirus getestet. Das gab das Paar am 2. Oktober bekannt (im Bild: bei einem Wahlkampfauftritt).
Bild: AP Photo/Julio Cortez
Die Nachricht kommt in der Schlussphase eines ohnehin turbulenten Wahlkampfs: Das erste TV-Duell zwischen Trump und Herausforderer Joe Biden (l.) am 29. September verlief chaotisch und liess die Zuschauer vor allem verärgert zurück.
Bild: Pool via AP/Olivier Douliery
Trump unterliess es auch, sich in der Debatte von weissen Rechtsextremistengruppen zu distanzieren. Erst auf Druck auch aus den eigenen Reihen holte er dies Tage später nach.
Bild: AP Photo/John Locher
Dass auch der Demokrat Joe Biden aus der TV-Debatte keinen Profit schlagen konnte, zeigt sich an den stabil gebliebenen Umfragewerten. Die Meinungen scheinen im Land gemacht.
Bild: AP Photo/Andrew Harnik
Für den Amtsinhaber läuft es dabei nicht gerade rund im Wahlkampf. Das Coronavirus trifft die USA besonders schwer, in den Umfragen liegt er hinter zuverlässig hinter Biden zurück.
Bild: Keystone/EPA/Chris Kleponis
Hinzu kommen die Proteste gegen Rassismus, die das Land seit dem Tod des Afroamerikaners George Floyd durch die Polizei in Atem halten. Im Bild: eine Demo in Washington.
Bild: Keystone/EPA/Michael Reynolds
Oft geraten Demonstranten und Polizei, wie hier in Philadelphia, gewaltsam aneinander.
Bild: Keystone/AP Photo/Matt Rourke
Und auch Trumps erste Wahlkampfveranstaltung in Tulsa, Oklahoma, wurde am 20. Juni nicht zum erwarteten Triumphzug.
Bild: Keystone/AP Photo/Sue Ogrocki
Stattdessen blieb gut ein Drittel der Sitze im BOK Center leer.
Bild: Keystone/AP Photo/Sue Ogrocki
Immerhin: Auch sein voraussichtlicher Herausforderer von den Demokraten, Ex-Vizepräsident Joe Biden, kann in diesen Krisenzeiten kaum Wahlkampf betreiben.
Bild: Keystone/AP Photo/Matt Slocum
Wer hat unter diesen erschwerten Bedingungen bessere Aussichten auf den Wahlsieg? Joe Biden, findet Mark Steenbergen, Professor und USA-Experte von der Universität Zürich.
Bild: Keystone/AP Photo/Matt Slocum
Der Grund: Trumps ursprüngliche Botschaft, dass unter seiner Regierung die Wirtschaft floriere, sei verpufft, so der Politikwissenschaftler.
Bild: Keystone/AP Photo/Nam Y. Huh
Der Ausgang der Wahlen könnte sehr gut vor dem obersten Gerichtshof des Landes enden. Und dort kann Trump nach dem Tod der liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg Einfluss zu seinen Gunsten nehmen.
Bild: AP Photo/Charles Dharapak
So hat er bereits Amy Coney Barrett als Nachfolgerin nominiert –wird sie in den Supreme Court gewählt, wäre dort eine stabile konservative Richter-Mehrheit installiert.
Bild: EPA/Shawn Thew
Das alles zeigt: Bis zu den Wahlen am 3. November kann noch viel passieren. Man sollte Donald Trump also nicht voreilig abschreiben.
Bild: Keystone/AP Photo/Alex Brandon
US-Wahlkampf in Krisenzeiten
US-Präsident Donald Trump und die First Lady, Melania Trump, wurden positiv auf das Coronavirus getestet. Das gab das Paar am 2. Oktober bekannt (im Bild: bei einem Wahlkampfauftritt).
Bild: AP Photo/Julio Cortez
Die Nachricht kommt in der Schlussphase eines ohnehin turbulenten Wahlkampfs: Das erste TV-Duell zwischen Trump und Herausforderer Joe Biden (l.) am 29. September verlief chaotisch und liess die Zuschauer vor allem verärgert zurück.
Bild: Pool via AP/Olivier Douliery
Trump unterliess es auch, sich in der Debatte von weissen Rechtsextremistengruppen zu distanzieren. Erst auf Druck auch aus den eigenen Reihen holte er dies Tage später nach.
Bild: AP Photo/John Locher
Dass auch der Demokrat Joe Biden aus der TV-Debatte keinen Profit schlagen konnte, zeigt sich an den stabil gebliebenen Umfragewerten. Die Meinungen scheinen im Land gemacht.
Bild: AP Photo/Andrew Harnik
Für den Amtsinhaber läuft es dabei nicht gerade rund im Wahlkampf. Das Coronavirus trifft die USA besonders schwer, in den Umfragen liegt er hinter zuverlässig hinter Biden zurück.
Bild: Keystone/EPA/Chris Kleponis
Hinzu kommen die Proteste gegen Rassismus, die das Land seit dem Tod des Afroamerikaners George Floyd durch die Polizei in Atem halten. Im Bild: eine Demo in Washington.
Bild: Keystone/EPA/Michael Reynolds
Oft geraten Demonstranten und Polizei, wie hier in Philadelphia, gewaltsam aneinander.
Bild: Keystone/AP Photo/Matt Rourke
Und auch Trumps erste Wahlkampfveranstaltung in Tulsa, Oklahoma, wurde am 20. Juni nicht zum erwarteten Triumphzug.
Bild: Keystone/AP Photo/Sue Ogrocki
Stattdessen blieb gut ein Drittel der Sitze im BOK Center leer.
Bild: Keystone/AP Photo/Sue Ogrocki
Immerhin: Auch sein voraussichtlicher Herausforderer von den Demokraten, Ex-Vizepräsident Joe Biden, kann in diesen Krisenzeiten kaum Wahlkampf betreiben.
Bild: Keystone/AP Photo/Matt Slocum
Wer hat unter diesen erschwerten Bedingungen bessere Aussichten auf den Wahlsieg? Joe Biden, findet Mark Steenbergen, Professor und USA-Experte von der Universität Zürich.
Bild: Keystone/AP Photo/Matt Slocum
Der Grund: Trumps ursprüngliche Botschaft, dass unter seiner Regierung die Wirtschaft floriere, sei verpufft, so der Politikwissenschaftler.
Bild: Keystone/AP Photo/Nam Y. Huh
Der Ausgang der Wahlen könnte sehr gut vor dem obersten Gerichtshof des Landes enden. Und dort kann Trump nach dem Tod der liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg Einfluss zu seinen Gunsten nehmen.
Bild: AP Photo/Charles Dharapak
So hat er bereits Amy Coney Barrett als Nachfolgerin nominiert –wird sie in den Supreme Court gewählt, wäre dort eine stabile konservative Richter-Mehrheit installiert.
Bild: EPA/Shawn Thew
Das alles zeigt: Bis zu den Wahlen am 3. November kann noch viel passieren. Man sollte Donald Trump also nicht voreilig abschreiben.
Bild: Keystone/AP Photo/Alex Brandon
Donald Trump oder Joe Biden: Die USA wählen in vier Monaten ihren Präsidenten. Wer liegt im Krisen-Wahlkampf vorne? Und was würde Trump bei einer Niederlage tun? Antworten von USA-Experte Marco Steenbergen.
Coronavirus, stockende Wirtschaft, Massenproteste gegen Rassismus: Die USA werden vier Monate vor den Präsidentschaftswahlen ordentlich durchgerüttelt. An normalen Wahlkampf ist weder für den republikanischen US-Präsidenten Donald Trump (74) noch für seinen designierten Herausforderer, den Demokraten Joe Biden (77), zu denken.
Was bedeutet all das für die auf den 3. November angesetzten Wahlen? «Bluewin» bittet den Politikwissenschaftler und USA-Experten Marco Steenbergen von der Universität Zürich um Einschätzungen.
Herr Steenbergen, Donald Trump hat in seiner ersten Amtszeit schon zahllose Krisen überstanden. Gibt es Anzeichen, dass er dieses Mal stolpern könnte?
Ja, die gibt es. Die Lage für Trump hat sich in den letzten Monaten stark verschlechtert. Anfang des Jahres hätte ich noch gesagt, für die Demokraten werde es sehr schwierig, zu gewinnen – ein ‹uphill battle›. Nun ist das völlig anders.
Zur Person
Marco Steenbergen ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Zürich. Eines seiner Forschungsschwerpunkte ist amerikanische Politik. Er hat in Amsterdam sowie an der Stony Brook University im US-Bundesstaat New York studiert.
Und woran liegt das?
Daran, dass verschiedene Krisen zusammenkommen. Zuerst kam die Corona-Krise, in der Trump das Land in der Wahrnehmung ganz vieler Amerikaner schlecht führt. Hinzu kam dann die schwere Wirtschaftskrise, die noch immer andauert. Auch da hat die Regierung Fehler gemacht: Es gibt viele Bürgerinnen und Bürger, die noch immer auf Hilfsgelder warten. Und auch die ‹Black-Lives-Matter›-Bewegung hat grossen Einfluss darauf, wie sich die öffentliche Meinung in den USA gerade entwickelt. All das führt dazu, dass es in den Meinungsumfragen für Trump derzeit so schlecht aussieht.
Das war bei den Wahlen 2016 gegen Hillary Clinton doch ganz ähnlich, oder?
Ich sehe trotzdem zwei grosse Unterschiede. Erstens kann Joe Biden durchgehend einen grossen Vorsprung halten, der zuletzt noch grösser wurde. Diese Art von Konsistenz gab es bei Hillary Clinton 2016 nicht. Und zweitens sind da die strategisch wichtigen Swing States, die mal republikanisch, mal demokratisch wählen. Auch wenn Umfragen mit Vorsicht zu geniessen sind, deutet alles darauf hin, dass Trump Mühe haben wird, Staaten wie Michigan, Pennsylvania und Wisconsin zu gewinnen. Dabei hatten ihm diese 2016 noch zum Sieg verholfen, nun liegt dort aber Biden konstant in Führung. Und selbst in Staaten, in denen Biden eigentlich chancenlos sein sollte, wie Georgia und Arizona, ist er mindestens gleichauf mit Trump.
Biden gilt aber nicht als guter Wahlkämpfer. Kann er die demokratischen Wähler stark genug mobilisieren?
Ich glaube, er schlägt sich in entscheidenden Wählersegmenten ziemlich gut. Ein Befund der Wahlen 2016 war, dass es Clinton nicht gelang, die afroamerikanische und lateinamerikanische Wählerschaft zu mobilisieren. Bei beiden Gruppen kommt Biden besser an. Bei den jüngeren Leuten dagegen hat er noch immer einen Nachteil: Er strahlt nicht die Energie aus, um bei diesen Wählern zu punkten. An diesem Defizit sollte er arbeiten. Dass ihm daraus ein grosses Problem entsteht, glaube ich aber nicht. Was eher zu einem Problem werden könnte, ist die Corona-Krise mit den Lockdown-Regelungen.
Genau, wie wird überhaupt gewählt? Zuletzt war vermehrt von der Option Briefwahl zu lesen.
In vielen Staaten wird die Briefwahl nun gefördert. In einigen wird sie ohnehin schon länger praktiziert, zum Beispiel in Oregon. Doch ist das natürlich eine Entscheidung der einzelnen Staaten, wie sie damit umgehen. Und wo die Republikaner an der Macht sind, werden sie eher versuchen, das zu erschweren oder zumindest nicht aktiv zu fördern.
Er versucht mit aller Macht, das Abstimmen per Post zu verhindern. Das ist seltsam, denn es ist überhaupt nicht klar, ob eine Briefwahl für ihn effektiv ein Nachteil wäre. Die Forschung zu dieser Frage hat nie gezeigt, dass entweder Demokraten oder Republikaner klar bevorteilt würden. Meiner Meinung nach könnte es auch einfach ein erster Schritt von Trump sein, die Wahlen als ‹manipuliert› darzustellen. Sollte er im November unterliegen, könnte er dies als Grund nennen, weshalb das Resultat ungültig sei.
Würde Trump eine Niederlage im November überhaupt akzeptieren?
Da bin ich mir nicht sicher. Es kommen jetzt mehr und mehr Gerüchte auf, wonach er sich bereits vor dem Parteitag der Republikaner zurückziehen wird – damit würde er sich der Gefahr entziehen, als Verlierer dazustehen. Das ist eine Theorie. Doch falls er antritt und nur knapp unterliegen sollte, dann könnte er das Wahlergebnis einfach ignorieren und versuchen, im Weissen Haus sitzen zu bleiben. Darüber wird bereits öffentlich diskutiert, denn meines Wissens nach gibt es dafür keinen Präzedenzfall. Bei Trumps Persönlichkeit könnte ich mir ein solches Verhalten sogar vorstellen – zumindest bei einem knappen Wahlausgang.
Von dem Gerücht, Trump könnte von sich aus abspringen, höre ich zum ersten Mal. Passt das zu ihm? Er ist doch ein Kämpfer …
… aber auch ein klassischer Narzisst. Und zu diesem Persönlichkeitstyp passt es eben durchaus, dass man bei einer sich abzeichnenden Niederlage lieber aufgibt, anstatt das Gesicht zu verlieren. Zieht er sich von sich aus zurück, könnte er wohl besser damit leben. Aber andererseits hat er natürlich viel zu verlieren: Als Präsident geniesst Trump Schutz vor vielen rechtlichen Schwierigkeiten. Und ein paar Staaten, allen voran New York, werden Verfahren gegen ihn einleiten, sobald er nicht mehr im Amt ist. Von daher weiss ich nicht, wie realistisch das Szenario ist, könnte es mir bei ihm aber vorstellen.
Wer würde in solch einem Fall für die Republikaner übernehmen?
Diese Frage müsste die republikanische Partei klären. Es könnte dann sein, dass am Nominierungsparteitag im August verschiedene Kandidaten in mehreren Wahlgängen gegeneinander antreten, bis einer eine Mehrheit der Stimmen erhält. Denkbar wäre etwa, dass Mike Pence, Trumps Vizepräsident, das Rennen macht. Jedoch könnte ihm die Nähe zu Trump auch zum Verhängnis werden.
Allein mit seinen Kernwählern wird es Trump kaum zum Sieg reichen. Wie will er unentschlossene Wähler gewinnen?
Das ist wirklich ein Problem: Er konnte bisher noch nicht darlegen, was er in einer zweiten Amtszeit überhaupt erreichen möchte – warum ihn die unabhängigen Wähler gegenüber Biden bevorzugen sollten. Er wollte wahrscheinlich sagen: ‹Den Aktienmärkten und der Wirtschaft geht es super, also wählt mich.› Und ich glaube, er hofft noch immer auf eine schnelle und klare Erholung der Wirtschaft, um das wieder zum Thema machen zu können. Doch aktuell sieht die Realität anders aus, und er beginnt erst jetzt, andere Themen zu skizzieren. ‹Law and Order›, also für ‹Recht und Ordnung› zu sorgen, ist etwa seine Antwort auf die ‹Black-Lives-Matter›-Bewegung. Doch ob er damit neue Wähler gewinnen kann, das bezweifle ich. Denn eine Mehrheit der Amerikaner sieht diese Bewegung mittlerweile positiv.
Als Beobachter hat man das Gefühl, die amerikanische Gesellschaft sei in zwei verfeindete Lager zerfallen. Stimmt dieser Eindruck?
Das Land ist tatsächlich viel polarisierter, als es einmal war. Natürlich sind die USA noch weit weg von einem Bürgerkrieg, aber gibt es nicht mehr einen Grundkonsens, wie das in den 1980er- oder 1990er-Jahren noch der Fall war. Für den künftigen Präsidenten wird es daher eine sehr wichtige Aufgabe sein, diese Gräben zu schliessen. Es ist in diesem Bezug auch interessant zu sehen, dass Biden im Wahlkampf eine sehr optimistische Sprache angenommen hat. Er spricht immer über das Land als Ganzes und sagt Dinge wie: ‹Wir werden gestärkt aus dieser Krise herauskommen.› Das ist eine Rhetorik wie damals bei Ronald Reagan und zeigt auch Bidens Idee, dass er gemeinsam und konstruktiv an der amerikanischen Gesellschaft arbeiten will.
Stand heute: Auf welchen Sieg würden Sie Ihr Geld setzen, Trump oder Biden?
Jetzt würde ich auf Biden setzen. Aber ich kann mich sehr wohl daran erinnern, dass ich am Wahltag 2016 vor Publikum gesagt hatte, Clinton würde gewinnen (lacht). In vier Monaten kann sich noch unglaublich viel tun. Doch Trump läuft die Zeit davon, wenn er die Wirtschaft noch auf Vordermann bringen will: Die Erfahrung zeigt, dass die Wähler ihre Meinung über die Wirtschaftslage jeweils im August gefasst haben. Also wird es jeden Tag schwieriger für ihn, zu gewinnen. Darum würde ich – vorsichtig – auf Biden setzen.