Explosionen an Nord-Stream-Pipelines Führen die Sprengstoffspuren zu den Tätern?

toko

12.7.2023

Nord-Stream-Ermittler: Sprengstoffspuren auf Segelboot gefunden

Nord-Stream-Ermittler: Sprengstoffspuren auf Segelboot gefunden

Bei den Untersuchungen zu den Explosionen an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 haben die Ermittler nach eigenen Angaben Sprengstoffspuren auf einer verdächtigen Segeljacht gefunden.

12.07.2023

Die Ermittlungen in der Causa Nord-Stream kommen voran, nun wurden Sprengstoffspuren auf einer Jacht entdeckt. Was bedeutet der Fund — und gibt es neue Hinweise auf die Täter? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Bei den Untersuchungen zu den Explosionen an den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 in der Ostsee haben die Ermittler Sprengstoffspuren auf einer verdächtigen Segeljacht entdeckt.
  • Derzeit wird die genaue Route der Jacht ermittelt. Neue Hinweise auf die Täterschaft gibt es noch nicht.
  • Am 26. September 2022 wurden mehrere Explosionen in der Nähe der dänischen Ostsee-Insel Bornholm registriert und wenig später vier Lecks an drei der insgesamt vier Leitungen entdeckt. Seitdem wird intensiv über die Urheberschaft spekuliert.

Seit den Detonationen an den beiden Ostsee-Pipelines Nord-Stream 1 und 2 nehmen die Spekulationen über die Hintergründe kein Ende. Im Fokus steht dabei die Frage: Wer ist für den Sabotageakt verantwortlich? Teams aus drei Ländern ermitteln seit vergangenem September fieberhaft. 

Nun gibt es abermals neue Ermittlungsergebnisse – unter anderem Sprengstoffspuren auf einer verdächtigen Jacht, mit der die Saboteure mutmasslich zum Tatort gelangt sind.

Was bedeutet dieser Fund, und was hat der Anschlag mit den sogenannten ‹Discord Leak›s zu tun? Hier gibt es Antworten auf die wichtigsten Fragen. 

Welche neuen Hinweise gibt es?

Im Mittelpunkt stehen Spuren von Unterwassersprengstoff, die Ermittler auf einer verdächtigen Segeljacht entdeckt haben. Dies berichten die UNO-Botschaften von Deutschland, Schweden und Dänemark in einem gemeinsamen Schreiben an den UNO-Sicherheitsrat. Dem Brief zufolge besteht der Verdacht, dass die Segeljacht zum Transport des Sprengstoffs genutzt wurde, der bei der Sabotage im September eingesetzt wurde.

Wahrscheinlich geht es um die Jacht «Andromeda», die laut Medienberichten schon länger im Fokus der Untersuchungen steht. Doch geht dies nicht eindeutig aus dem Brief hervor.

Blick auf das Nord Stream 1-Gasleck in der Ostsee am 29. September 2022.
Blick auf das Nord Stream 1-Gasleck in der Ostsee am 29. September 2022.
-/ESA/dpa (Archivbild)

Was bedeutet der Fund?

Das lässt sich nach aktuellem Stand der Ermittlungen noch nicht sagen, betonten die Botschafter*innen. Derzeit werde die genaue Route des Bootes nachverfolgt.

Man habe jedoch herausgefunden, dass das Boot im Namen einer Person angemietet worden sei, die Dokumente verwendet habe, mit denen die Identität des echten Mieters verschleiert werden sollte. Ob sich diese Person tatsächlich an Bord befunden habe, sei noch unklar.

Nach Experteneinschätzungen ist es möglich, dass ausgebildete Taucher Sprengsätze an den Orten angebracht haben könnten, an denen die Gasleitungen beschädigt worden seien, heisst es in dem Schreiben weiter. Unterzeichnet ist es von der deutschen UNO-Botschafterin Antje Leendertse, sowie den Botschafterinnen Dänemarks und Schwedens.

Was sind Nord Stream 1 und 2?

Die beiden Pipelines Nord Stream 1 und 2 verlaufen jeweils als Unterwasser-Doppelstrang über eine Strecke von rund 1200 Kilometern von Russland nach Deutschland. Nord Stream 1 lieferte seit 2011 einen erheblichen Anteil des nach Europa importierten Gases.

Allerdings hatte Moskau die Lieferungen im Zuge der Konfrontation mit dem Westen nach seinem Angriff auf die Ukraine schon vor der Zerstörung gedrosselt und dann ganz eingestellt. Die neuere Nord-Stream-2-Pipeline war bereits mit Gas gefüllt, aber ging mangels Zertifizierung noch nicht in Betrieb.

Was bedeutet der Fund hinsichtlich der Täterschaft?

Die Botschafter*innen betonten gegenüber dem UNO-Sicherheitsrat, dass die Ermittlungen andauerten — und die Täterfrage nach wie vor ungeklärt sei. «Zum jetzigen Zeitpunkt ist es nicht möglich, die Identität der Täter und ihre Motive zuverlässig zu klären, insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob der Vorfall von einem Staat oder einem staatlichen Akteur gesteuert wurde.»

Sowohl in Deutschland als auch in Dänemark und Schweden sind zu den Explosionen Ermittlungen aufgenommen worden. Offiziell äussern sich die zuständigen Behörden kaum zu ihren Ermittlungsständen.

In welchem Stadium sich die Untersuchungen befinden oder wann sie abgeschlossen werden, lasse sich nicht sagen, teilten die Botschafter*innen mit.

Die Art der Sabotageakte sei beispiellos, die Nachforschungen seien komplex. Ljungqvist hatte vor wenigen Wochen im schwedischen Radio gesagt, er hoffe, dass man im Herbst Stellung zur Täterfrage beziehen könne – das sei zumindest das erklärte Ziel.

Gibt es Hinweise auf eine Beteiligung Kiews?

Zuletzt wurde immer heftiger über eine Beteiligung der Ukraine spekuliert. In der Tat haben sich in den vergangenen Monaten die Hinweise verdichtet, Kiew könne hinter dem Anschlag stecken – nicht nur auf Grundlage von Ermittlungsergebnissen. Auch die sogenannten ‹Discord Leaks› förderten einem Bericht der «Washington Post» zufolge Erstaunliches zutage.

Demnach habe der US-Auslandsgeheimdienst CIA bereits im Juni 2022 und somit drei Monate vor den Detonationen von einem ukrainischen Plan für einen solchen Anschlag erfahren. Die CIA sei von einem europäischen Geheimdienst darüber informiert worden, dass ein sechsköpfiges Team einer ukrainischen Eliteeinheit die Erdgas-Pipelines bei einem verdeckten Taucheinsatz sprengen wollten, heisst es in dem Bericht. Das Team habe direkt der ukrainischen Armeeführung unterstanden.

Der Plan soll demnach sehr detailliert gewesen sein – und grosse Ähnlichkeiten mit dem tatsächlichen Anschlag vom September haben.

Wenig überraschend bestreitet Kiew jede Beteiligung an den Sabotageakten. «Ich bin Präsident und ich gebe entsprechende Befehle. Nichts dergleichen hat die Ukraine getan. Ich würde nie so handeln», sagte Selenskyj unlängst in einem Interview. Angesprochen auf den Bericht der «Washington Post» forderte er Beweise für eine ukrainische Beteiligung.

Auch über eine mögliche Beteiligung Polens wird spekuliert. Dem «Wall Street Journal» zufolge prüfen deutsche Ermittler*innen Beweise, wonach das Sabotage-Team Polen als operative Basis genutzt haben könnte.

Dem Bericht zufolge fuhr die Segeljacht «Andromeda» in polnische Hoheitsgewässer. Es gebe auch Hinweise, dass Polen bei dem Anschlag als logistisches und finanzielles Zentrum gedient habe. Polen weist jegliche Berichte über eine mögliche Beteiligung zurück.

Was ist mit Russland?

Unmittelbar nach den Explosionen geriet auch Russland in Verdacht. Der Kreml wiederum streitet jegliche Beteiligung ab, beschuldigt westliche Geheimdienste und fordert Aufklärung.

Entkräften konnte Moskau den Verdacht freilich nicht. Erst im Mai berichteten skandinavische Medien, vor den Explosionen an den Nord-Stream-Leitungen in der Ostsee hätten sich mehrere russische Marineschiffe in der Nähe der späteren Explosionsorte befunden.

Das dänische Militär hatte zudem bestätigt, dass ein Patrouillenschiff am 22. September 2022 in der Nähe der Explosionsorte insgesamt 26 Bilder von dem russischen Spezialschiff «SS-750» gemacht habe. Das Schiff verfügt über ein Mini-U-Boot mit Greifarmen. Vier Tage später war es nahe Bornholm zu mehreren Explosionen an den Pipelines gekommen.

Was ist bis dato gesichert?

Am 26. September 2022 waren mehrere Explosionen in der Nähe der dänischen Ostsee-Insel Bornholm registriert und wenig später vier Lecks an drei der insgesamt vier Leitungen der Nord-Stream-Pipelines entdeckt worden. Der Betreiber von Nord Stream 1 sprach später von metertiefen Kratern und weit verteilten Trümmern am Meeresgrund. Tagelang gelangte Gas an die Meeresoberfläche, ohne dass klar war, wer für die Detonationen verantwortlich war.

In Deutschland haben die Ermittler Berichten zufolge schon länger eine gecharterte Segeljacht in den Fokus genommen, mit der das Sabotageteam mutmasslich unterwegs war. ARD, SWR und «Die Zeit» hatten im März berichtet, dass ein Einsatzkommando den Ermittlern zufolge von Rostock aus in See gestochen sein soll. In dem Bericht hiess es, die Jacht sei angeblich von einer Firma mit Sitz in Polen angemietet worden, die offenbar zwei Ukrainern gehöre.

Auch von Zwischenstopps der Jacht in Wiek auf Rügen und an der dänischen Insel Christiansø nordöstlich von Bornholm war die Rede. Späteren Medienberichten zufolge handelte es sich um das von einem Vermieter auf der Insel Rügen bereitgestellte Schiff «Andromeda».

Unter Berufung auf geheimdienstliche Hinweise hiess es, eine proukrainische Gruppe könnte verantwortlich sein. An den Ermittlungen seien Behörden in Deutschland, Schweden, Dänemark, den Niederlanden und USA beteiligt gewesen, berichtete die «Zeit»

Allerdings: Die Ermittler haben keinerlei Hinweise auf den Auftraggeber gefunden.

Mit Material der Nachrichtenagenturen DPA und AFP.