7 Tage, 7 Knöpfe Ein langsamer Abstieg – Trumps grausige Woche

Von Philipp Dahm

19.6.2020

Langsamer Abstieg: Donald Trump geht am 13. Juni die Rampe der Militärakademie West Point herunter.
Langsamer Abstieg: Donald Trump geht am 13. Juni die Rampe der Militärakademie West Point herunter.
Screenshot: YouTube

Donald Trump hat jetzt doch extrem einstecken müssen. Eine Niederlage jagt die nächste, eine Schmach folgt der anderen – ein Überblick über die wohl schlimmste Woche für den US-Präsidenten seit Amtsantritt.

Die zurückliegenden sieben Tage würde Donald Trump wohl am liebsten aus seinen Erinnerungen streichen: Der US-Präsident kassierte gleich mehrere Niederlagen, dies an verschiedenen Fronten.

In der Übersicht wird klar, dass die aktuellen Ereignisse seiner angestrebten Wiederwahl im November einen gehörigen Dämpfer verpassen. Aber auch das stimmt: Der 74-Jährige hat in den vergangenen Tagen zwar Schlachten verloren, aber nicht den Krieg.

Donnerstag, 11. Juni: Anarchisten und Armeechef 

Die Vereinigten Staaten stehen noch unter dem Schock des Todes von George Floyd am 25. Mai. Erst jetzt wird der Schutzzaun, den Donald Trump um das Weisse Haus hat ziehen lassen, abgebaut. Während der Präsident auf Twitter lobt, «wie einfach» Nationalgarde und Secret Service, den er doch tatsächlich mit SS abkürzt, die Proteste der «Anarchisten» zurückgeworfen hätten.

Sein Armeechef Mark Milley hingegen nimmt sich selbst in die Pflicht: In einem Video kritisiert er, dass Trump Demonstrierende vor dem Weissen Haus mit Tränengas hat vertreiben lassen, um einen umstrittenen Fototermin mit ihm, Milley, an seiner Seite bei einer nahen Kirche wahrzunehmen.

«Ich hätte nicht dort sein sollen», sagt der General. «Meine Anwesenheit in diesem Moment und in diesem Umfeld hat eine Wahrnehmung geschaffen, dass das Militär in die Innenpolitik verwickelt ist.»

Auch international macht Washington negativ von sich reden: Trump hat Sanktionen gegen Mitarbeiter des Internationalen Strafgerichtshofs genehmigt, die gegen US-Sicherheitskräfte ermitteln oder diese strafrechtlich verfolgen. Etwaiger Besitz der Betroffenen in den USA kann eingefroren werden.

Freitag, 12. Juni: Dominanz, Härte und Melania

Es gelingt Trump weiterhin nicht, mit Blick auf die Rassismus-Proteste den richtigen Ton zu treffen. Er will die Polizeibehörden stärken, während viele Demonstrierende fordern «Defund the Police» – in etwa: Verteilt die Mittel der Polizei um. Dahinter steht vor allem die Idee, die Budgets für Polizeibehörden zu reduzieren und die Gelder stattdessen in soziale Projekte zu stecken.

«Es gibt radikale Bestrebungen, die Polizei abzuschaffen», sagt Donald Trump in Dallas. «Wir müssen den umgekehrten Weg gehen. Wir müssen mehr Energie und Ressourcen in die Ausbildung und Rekrutierung stecken. Faule Äpfel gibt es überall, aber bei der Polizei gibt es nicht sehr viele davon.» Der Republikaner wiederholte seine Forderung: «Wir müssen die Strassen dominieren.»

Seinem Haus- und Hofsender «Fox» sagt Trump am Freitag noch, er könne sowohl «Law-and-Order-Präsident» wie auch «Chef-Tröster» der Nation sein. Das sei kein Widerspruch. «Wenn du weich und schwach bist, bist du am Ende nicht mitfühlend», sagt Trump. «Härte ist manchmal am mitfühlendsten.»

Wohl deshalb droht er am Freitag damit, Bundesbehörden in Seattle eingreifen zu lassen – dort haben Demonstrierende eine «autonome Zone» errichtet. «Die Terroristen verbrennen und plündern unsere Städte und finden es einfach wunderbar, sogar den Tod», twittert Trump. Die «Übernahme in Seattle» müsse beendet werden. Die Bürgermeisterin der Stadt im US-Bundesstaat Washington fertigt den Präsidenten daraufhin kühl ab:

Und selbst in den Klatschspalten taucht der New Yorker dieser Tage auf: Die «Washington Post» veröffentlicht Auszüge aus einem Buch, das kommenden Dienstag erscheint: Pulitzer-Preisträgerin Mary Jordan erzählt in «The Art of Her Deal: The Untold Story of Melania Trump» unter anderem davon, wie die First Lady ihren Ehevertrag mit Trump neu ausgehandelt habe, um den gemeinsamen Sohn Baron finanziell mit den anderen Kindern gleichzustellen.

Immerhin widerspricht die Autorin Spekulationen, Melania hege keine Gefühle für Donald Trump. «Sie sind beide Kämpfer und Überlebende und schätzen Loyalität über alles andere. Sie ist die einzige, die ihm offen sagen kann, was sie denkt. Sie ist im Wesentlichen unantastbar.»

Samstag, 13. Juni: Termin-Problem und West Point

Schon wieder Ärger für das Team Trump: Die erste, gross angekündigte Wahlkampfveranstaltung des Präsidenten muss um einen Tag verschoben werden. Sie war für den 19. Juni in Tulsa, Oklahoma, geplant.

Doch «Juneteenth», eine Zusammenziehung aus «june» und «ninetheenth», ist einerseits der Gedenktag für das Ende der Sklaverei und andererseits ein Datum, an dem in Tulsa ein Massaker an Schwarzen begangen worden ist. Nach massiver Kritik, die Veranstaltung könne so zum Pilger-Event für Neonazis werden, wird die «Feier», wie Trump sie nennt, um einen Tag verschoben.

Trumps Terminkalender legt allerdings nahe, dass der Samstag reibungslos verlaufen soll: Der Präsident soll eine Rede an der Abschlussfeier der Kadetten der Militärakademie West Point geben. Für die Abschlussklasse bedeutete das freilich, dass die bereits beurlaubten Soldaten wieder einrücken und zweiwöchige Quarantäne halten mussten, weil die Zeremonie wegen Corona ursprünglich ganz abgeblasen worden war.

Die Rede des Obersten Kriegsherrn ist mit Eigenlob für die US-Streitkräfte gespickt. Eine Passage sticht jedoch heraus: «Morgen feiert Amerika ein sehr wichtiges Jubiläum: den 245. Geburtstag der US Army. Davon unbenommen wird es auch mein Geburtstag sein. Keine Ahnung, ob das Zufall ist.» Trump schaut gen Himmel: «War das Zufall?»

Sonntag, 14. Juni: Häme, Spott und Tod

Der Geburtstag des Präsidenten beginnt nicht gut: Trump muss feststellen, dass seine West-Point-Rede nicht für Begeisterung gesorgt hat, sondern bloss für Spott. Weil er beim Abgang von der Bühne über eine Rampe ein wenig hilflos aussieht, hagelt es Häme im Internet und natürlich auch bei den TV-Lästermäulern der Late-Night-Fraktion.

Bezeichnend ist, dass sich der Gescholtene auf derlei Aussagen einlässt und sich via Twitter rechtfertigt. Das Problem dabei: Trumps Verteidigung, die Rampe sei steil gewesen und er am Schluss zu schnell, deckt sich nicht mit der Realität.

Und in der Rassismus-Diskussion steht er inzwischen dermassen schlecht da, dass sich sogar Wladimir Putin herausnimmt, die USA für ihre Politik masszuregeln. Wenn der Kampf aber «den Charakter von Exzessen und Pogromen annimmt, dann sehe ich hier nichts Gutes für den Staat», sagt der Russe, der bisher nicht für Toleranz gegenüber Minderheiten bekannt war. «Das haben wir noch nie unterstützt.»

Trump weist Spekulationen um Gesundheitszustand zurück

Trump weist Spekulationen um Gesundheitszustand zurück

Bei einem Besuch in der Militärakademie West Point war US-Präsident Donald Trump durch einen unsicheren Gang aufgefallen – das führte prompt zu Spekulationen zu seine Gesundheit. Diese weist der Republikaner nun zurück.

15.06.2020

Der Rassismus-Aufruhr in den USA wird zu einem immer grösseren Problem, den dieser legt sich nicht, sondern wird am Abend vielmehr weiter angefacht: In Atlanta, Georgia, töten weisse Polizisten bei einer Verkehrskontrolle einen 27-jährigen Familienvater durch drei Schüsse in den Rücken. Trotz der Proteste nach George Floyds Tod hat Trump keine Rede an die Nation gehalten, in der er die Einheit des Landes beschwört. Den Demonstrierenden Zugeständnisse machen? Trump?

Montag, 15. Juni: Reförmchen, Placebo und ein Urteil

Doch der frühere TV-Moderator kommt am Folgetag nicht mehr drumherum: Trump kündigt eine Polizeireform an – notabene ohne dabei konkret zu werden. «Das übergeordnete Ziel ist, dass wir Recht und Ordnung wollen. Und wir wollen, dass das fair, gerecht und sicher geschieht. Wir werden einige gute Lösungen haben.» Der Präsident fügt hinzu, die meisten Cops seien «grossartige Menschen».

Ein anderes Problem, bei dem Trump bisher kaum punkten konnte, ist die Corona-Krise. In dieser hat der passionierte Golfer immer wieder das Medikament Hydroxychloroquin empfohlen hat, das eigentlich gegen Malaria eingesetzt wird. Der Präsident hatte die Freigabe dieses Medikaments bei Covid-19-Patienten prominent forciert.

Doch nun widerruft die Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde (FDA) ihre Ausnahmegenehmigung. Es sei angesichts der bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse «unwahrscheinlich», dass Hydroxychloroquin bei der Behandlung der Lungenerkrankung wirksam sei. Zudem habe der Einsatz «ernsthafte» Nebenwirkungen, darunter Herzprobleme, hiess es weiter.

Und auch politisch beginnt die Woche mit einer Niederlage: Der Oberste Gerichtshof, der eigentlich von konservativen Richtern dominiert wird, urteilt zugunsten der LGBTQ-Gemeinde gegen die Diskriminierung dieser Gruppen – und ausgerechnet Brett Kavanaugh, den Trump bei der letzten Neubesetzung durchgedrückt hat, spielt das Zünglein an der Waage und entscheidet gegen Trumps politische Stossrichtung.

Dienstag, 16 Juni: Die Nichte, der Ex und Corona

Erneut droht Trump Ungemach aus dem Feuilleton. Zum einen hat eine Verwandte Trumps Nichte ihr Erstlingswerk für den 28. Juli angekündigt: Seine einzige Nichte will in diesem Buch die «dunkle Geschichte» des Familienclans ausleuchten.

In «Too Much Energy and Never Enough» erzählt die promovierte Psychologin davon, wie ihr Onkel jener «Mann wurde, der jetzt die Gesundheit der Welt, die wirtschaftliche Sicherheit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedroht», wie es vom Verleger Simon & Schuster heisst.

Noch schmerzvoller dürfte für Trump jedoch das für den 23. Juni angekündigte Enthüllungsbuch von Trumps Ex-Berater John Bolton sein. «The Room Where It Happened» beschäftigt den Präsidenten immer wieder, da es die PR-Strategie des Verlages mit sich bringt, dass ein Teil des Inhalts vor Veröffentlichung häppchenweise der Presse serviert wird.

Trump, der Bolton im September vergangenen Jahres wegen Meinungsverschiedenheiten gefeuert hat, will die Publikation dieses Buches verhindern. Justizminister William Barr sagt, Bolton habe nicht den vorgeschriebenen Prozess durchlaufen, sich den Inhalt durch das Weisse Haus freigeben zu lassen.

Der Behörde geht es vorgeblich darum, dass keine Geheimnisse verraten werden. Trump sorgt aber mit der Bemerkung für hochgezogene Augenbrauen, dass grundsätzlich jedes Gespräch mit ihm «streng geheim» sei. Bolton mache sich im Fall einer Veröffentlichung strafbar. Das «Wall Street Journal» hat dennoch bereits Auszüge gedruckt. Deshalb wird schliesslich am Bundesgericht in Washington Klage wegen Gefährdung der «nationale Sicherheit» eingereicht.

Gleichzeitig wird am Dienst bekannt, dass Forscher der Universität Washington in Seattle davon ausgehen, dass in den USA bis zum 1. Oktober sogar mehr als 200’000 Corona-Tote zu beklagen sein könnten. Der führende US-Virologe sagt an jenem Tag im Radio, er habe derzeit keinen Kontakt zum Weissen Haus. Anthony Fauci hat eigenen Worten zufolge in den vergangenen zwei Wochen kein einziges Mal mit dem Präsidenten Donald gesprochen.

Mittwoch, 17. Juni: Immer wieder Bolton

Auch die «New York Times» durfte in Boltons Buch stöbern und berichtet vorab über Amtsmissbrauch und die Unfähigkeit der Trump-Administration. So hätte diese «Diktatoren» etwa in China vor Ermittlungen in den USA geschützt. «Das Verhaltensmuster sah nach Behinderung der Justiz als Alltagsgeschäft aus.»

Vertrauter Feind: Trump mit Ex-Berater Bolton (rechts).
Vertrauter Feind: Trump mit Ex-Berater Bolton (rechts).
Bild: Keystone

Der Handelskrieg mit China sei begonnen worden, um Konzessionen zu erlangen, die Trump im November bei der dann anstehenden Wahl in landwirtschaftlich geprägten Staaten gut dastehen lässt. Dem Sender «ABC» sagt Bolton, ein Mann wie Wladimir Putin glaube, er könne den Amerikaner «nach seiner Pfeife tanzen» lassen, weil Putin schlicht glaube, Trump intellektuell weit überlegen zu sein.

Donnerstag, 18. Juni: Urteil II, Rassismus und Facebook

Schon wieder entscheidet der Oberste Gerichtshof gegen Trump. Dieser wollte ein Programm zum Schutz von rund 700’000 jungen Migranten kippen, dass Barack Obama eingeführt hatte: «Daca» schützt Kinder illegaler Einwanderer vor Abschiebung. Der Präsident ist sauer.

Und auch der «Black Lives Matter»-Bewegung muss Trump nun Zugeständnisse machen. Mit Blick auf die Ungleichbehandlung Schwarzer sagt er dem «Wall Street Journal»: «Leider gibt es wahrscheinlich ein wenig [systematischen Rassismus in den USA]. Ich würde aber auch sagen, dass es wesentlich weniger ist als früher.»

Da passt es überhaupt nicht gut ins Bild, dass Facebook am Donnerstag verkündet, man habe Trump-Anzeigen von der Plattform genommen. Darin würden Symbole benutzt, die in Konzentrationslagern verwendet worden seien. Die Posts hätten Regeln gegen die Verbreitung von «organisiertem Hass» im sozialen Netzwerk widersprochen.

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