Late Night USA «Ein Labor für Biowaffen» – Tier-Märkte und die nächste Pandemie

Von Philipp Dahm

15.2.2021

«Ein Labor für Biowaffen»: Aktivist Galster auf einem Markt in China.
«Ein Labor für Biowaffen»: Aktivist Galster auf einem Markt in China.
Screenshot:  YouTube

Alle sind genervt vom Lockdown – und dann kommt einem «Last Week Tonight» auch noch mit dem Thema Pandemie. Warum? Weil sie absehbar war. Und weil sie erst der Anfang sein könnte. 

«Last Week Tonight» ist aus der Winterpause zurück – und thematisiert Pandemien? «Ich weiss, was Sie jetzt vielleicht denken», entschuldigt sich Gastgeber Oliver, «John, halt verdammt nochmal die Schnauze! Niemand will auch noch irgendwas über das Coronavirus hören.»

Doch es gehe gar nicht um die aktuelle Pandemie, sondern über die kommenden. «Ich weiss, das hört sich noch unattraktiver an, aber schaut, wir sind nun mal die Show, die wir sind.» Nur: Muss das wirklich sein, wenn alle schwer genervt vom Lockdown sind?

Ja, weiss John Oliver, und erklärt auch warum: Lange bevor das aktuelle Elend zugeschlagen hat, haben Wissenschaftler die Welt davor gewarnt, dass etwas passieren kann. Die Show präsentiert ab Minute 1:16 einen Ausschnitt aus dem Jahr 2004: Die SARS-Epidemie ist gerade vorbei, als Peter Saszak mit einem Reporter der australischen Sendung «60 Minutes» spricht.

«Was mir am meisten Sorge macht», bekundet der Forscher, «ist, dass wir plötzlich einen SARS-Virus finden, der von einem Teil des Planeten zum nächsten springt und dabei Leute tötet, während er sich ausbreitet. Das ist etwas, was einen nachts wach bleiben lassen sollte.»

Pandemie als Trend

Die Pandemie fühle sich vielleicht an wie ein einmaliges Grossereignis, doch sie sei vielmehr Teil eines «globalen Trends», meint Oliver und verweist auf eine Studie, nach der die Zahl der Ausbrüche seit 1980 stetig ansteigt. Vor der aktuellen Pandemie haben 2003 Sars, 2009 H1N1, 2014 Ebola und 2015 Mers sowie das Zika-Virus Menschen befallen.

Fledermäuse können nichts dafür, sagt John Oliver: Nicht sie kommen dem Menschen zu nahe, sondern umgekehrt.
Fledermäuse können nichts dafür, sagt John Oliver: Nicht sie kommen dem Menschen zu nahe, sondern umgekehrt.
Screenshot: YouTube

Das Problem: Die Viren werden zunehmend aggressiver. Ab Minute 2:25 kommt Dennis Carroll zu Wort: «Die nächste Pandemie wird sehr wahrscheinlich noch schlimmer. Es gibt da draussen in der Wildnis Viren, die 60 bis 70 Prozent der Leute töten, die sie infizieren», weiss der Vorsitzende des Global Virome Project. Mutter Natur habe noch sehr viel Tödlicheres in petto.

Experten schätzen, dass in Säugetieren und Vögeln noch rund 1,7 Millionen uns unbekannte Viren schlummern, von denen zwischen 631'000 und 827'000 das Potenzial haben könnten, dem Menschen zu schaden. Dass Infektionskrankheiten überspringen, was Fachleute Zoonose nennen, ist beileibe keine Seltenheit: Bis zu drei Viertel der Neuansteckungen haben hier ihren Ursprung.

Das liebe Vieh

Neben Schweinen und Vögeln (Influenza), Schimpansen (HIV) oder Schildkröten (Salmonellen) sind Fledermäuse Überträger von Krankheiten. Letztere sollen der Ursprung für Ebola, das Nipah-Virus und Covid-19 sein. Fast ein Viertel aller Säugetiere sind übrigens Fledermäuse.

Wer das im Hinterkopf hat, sieht mit Grauen die Bilder ab Minute 5:20, in denen Touristen in China durch grosse Höhlen ziehen, in denen die Tiere leben. Die Fledermäuse erleichtern sich regelmässig über ihren Köpfen: «Das könnte eine zukünftige Pandemie auslösen», prophezeit dazu der Experte Saszak in dem Clip aus dem Jahr 2016.

Besucher einer Höhle in China. Für Oliver eine «Fledermaus-Toilette als Walk-in-Touristenattraktion».
Besucher einer Höhle in China. Für Oliver eine «Fledermaus-Toilette als Walk-in-Touristenattraktion».
Screenshot: YouTube

Dabei sind nicht die Tiere das Problem, sondern Menschen, die sie aus ihren Lebensräumen reissen, verdeutlicht Oliver. Die Pufferzone zwischen Zivilisation und Wildnis werde durch Abholzung, Abbau von Rohstoffen, Verstädterung und extensive Landwirtschaft immer weiter zerstört: Fast ein Drittel aller neuen Krankheitsausbrüche sind auf das Verschwinden der Wälder zurückzuführen.

«Wet markets» als Brutstätten

Etwa in Brasilien, wo Schneisen im Amazonas eine ideale Brutstätte für Moskitos bilden, die Malaria übertragen. Oder in Westafrika, wo die Abholzung Fledermäuse in die Lebensräume der Menschen gebracht hat und 2015 Ebola auftauchte. Oder in den USA, wo Verstädterung die natürlichen Feinde der Weissfussmaus ausgemerzt hat, die die Lyme-Borreliose verbreitet.

Das andere grosse Problem sind die Märkte, auf denen Wildtiere verkauft werden. Wie auch der Clip ab Minute 12:35 zeigt, werden dort die unterschiedlichsten Lebewesen angeboten, die unter schlechten hygienischen Bedingungen auf engem Raum in kleine Käfige gepfercht sind. «Was wir hier gesehen haben, ist ein Labor für Biowaffen», kommentiert Aktivist Steve Galster. Pathogene könnten einfach übertragen werden.

Late Night USA – Amerika verstehen
blue News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Aber auch Landwirtschaftsschauen seien ein potenzieller Gefahrenherd, erinnert der Moderator mit Blick auf westliche Gepflogenheiten. Ganz abgesehen von industrieller Landwirtschaft, die sich von den USA in die ganze Welt ausgebreitet hat: Die Monokulturen sind ebenfalls eine Brutstätte für Krankheiten, ergänzt der 43-Jährige.

Das alles lässt sich natürlich nicht von einem Tag auf den anderen ändern, weiss der gebürtige Brite. Und Vorsorge kostet – geschätzt zwischen 22 und 31,2 Milliarden Dollar pro Jahr. Ein Betrag, der für Oliver aber klein ausfällt, wenn man die Kosten der Pandemie bedenkt, die sich alleine in den USA auf 16 Billionen Dollar belaufen sollen.

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