Gewalt eskaliert Droht jetzt im Kosovo ein neuer Krieg?

mmi

26.9.2023

Gewalt im Kosovo – Regierung spricht von Terror

Gewalt im Kosovo – Regierung spricht von Terror

Im Kosovo ist es zur schwersten Gewalteskalation seit mehreren Monaten gekommen. Eine Gruppe von etwa 30 «schwer bewaffneten» Männern eröffnete am frühen Sonntag in einem Dorf das Feuer auf die kosovarische Polizei und tötete einen Polizisten.

24.09.2023

Serbische Angreifer liefern sich am Wochenende ein schweres Gefecht mit der Polizei. Warum eskaliert die Lage im Kosovo erneut? Welcher Konflikt steht dahinter? Die wichtigsten Antworten.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Am Sonntagmorgen haben schwer bewaffnete serbische Militante in der Ortschaft Banjska bei Mitrovica kosovarische Polizisten angegriffen und sich stundenlange Gefechte geliefert.
  • Es war die schwerste Auseinandersetzung seit Jahren in dem Gebiet nahe der Grenze zwischen Serbien und seiner ehemaligen autonomen Provinz Kosovo, die 2008 seine Unabhängigkeit erklärte.
  • Immer wieder kommt es zu Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo – hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Immer wieder eskalieren die Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo. So auch am 24. September, als schwer bewaffnete serbische Militante in der Ortschaft Banjska bei Mitrovica kosovarische Polizisten angegriffen haben. 

Dort lieferten sie sich stundenlange Gefechte mit der Polizei, insgesamt wurden vier der Angreifer sowie ein kosovarischer Polizist getötet. Drei weitere Polizisten wurden verletzt.

Es war die schwerste Auseinandersetzung seit Jahren in dem Gebiet nahe der Grenze zwischen Serbien und seiner ehemaligen Provinz Kosovo, das 2008 seine Unabhängigkeit erklärte, welche die serbische Regierung wie auch Russland, China und fünf EU-Staaten – Spanien, Griechenland, Zypern, die Slowakei und Rumänien – bis heute nicht anerkennen.

Was ist passiert?

Am Sonntagmorgen hatten schwer bewaffnete serbische Militante in der Ortschaft Banjska bei Mitrovica kosovarische Polizisten angegriffen. Der mit Schnellfeuergewehren, Handgranaten, Jeeps und einem gepanzerten Transportfahrzeug ausgestattete, etwa 30 Mann starke Trupp hatte sich im Umfeld eines serbisch-orthodoxen Klosters verschanzt und sich den ganzen Tag Gefechte mit der kosovarischen Polizei geliefert.

Dabei wurden vier serbische Paramilitärs und ein Polizist getötet, drei weitere Polizisten wurden verletzt. Mehrere Bewaffnete und mutmassliche zivile Helfer wurden festgenommen. Bei Durchsuchungen stellte die Polizei enorme Mengen an Waffen und militärischen Ausrüstungen, darunter Funkgeräte, sicher.

Mehrere der bewaffneten Angreifer sowie mutmassliche zivile Unterstützer wurden wurden nach Angaben der kosovarischen Strafverfolger festgenommen. Am Folgetag meldete der Innenminister des Kosovo Xhelal Svecla, dass die Festgenommenen der serbischen militanten Organisation «Zivilschutz» angehören, die von der serbischen Regierung gelenkt, finanziert und mit Waffen ausgestattet werden werde.

Bereits zuvor hatte Kosovos Premierminister Albin Kurti erklärt, es seien «nicht normale kosovo-serbische Bürger, sondern vom serbischen Staat unterstützte Truppen, die diese Terrorangriffe verüben».

Serbiens Präsident Aleksandar Vučić wies daraufhin die Vorwürfe entschieden zurück. Die Täter, sagte er, «hätten weder Uniformen des serbischen Militärs noch der serbischen Polizei» getragen. Eine Tötung eines (kosovo-)albanischen Polizisten wolle er nicht rechtfertigen. Die nennt Vučić «absolut verwerflich».

Vielmehr schiebt der serbische Präsident die Verantwortung Albin Kurti zu. Die Menschen im Norden Kosovos wollten nicht länger unter dessen «Terror leiden»; es sei «nur eine Frage der Zeit» gewesen, bis jene, die sich von der kosovarischen Polizei verfolgt sähen, etwas «für sich und ihre Familien tun» würden, so Vučić.

Was hat die jüngste Eskalation ausgelöst?

Seit Monaten nehmen die Spannungen im Nordkosovo wieder zu. Ein Auslöser war, dass die Regierung in Pristina im Mai beschlossen hatte, ethnisch-albanische Bürgermeister in vier Gemeinden mit serbischer Mehrheit einzusetzen. Bei den folgenden Ausschreitungen wurden unter anderem mehr als 30 Soldaten der Nato-Friedenstruppe Kfor verletzt.

Bei den Feuergefechten am Sonntag handelte es sich um den schwersten Zwischenfall im angespannten Verhältnis zwischen dem Kosovo und Serbien seit Jahren.

Worum geht es im Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo?

Im Kern geht es um die Auseinandersetzung verschiedener Bevölkerungsgruppen.

1877 wurde der Kosovo als Provinz des Osmanischen Reichs gegründet. Vor den beiden Weltkriegen war er schon einmal Teil Serbiens. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 wurde der Kosovo dann zur autonomen Region der Republik Serbien innerhalb der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien, 1963 erhielt er den Status einer autonomen Provinz.

Eine früh verhandelte Initiative des damaligen jugoslawischen Staatschefs Josip Broz Tito für eine Balkanföderation insbesondere mit Albanien scheiterte. Daraufhin versuchte Tito ein serbisches Übergewicht innerhalb Jugoslawiens zu verhindern, mit dem Resultat, dass die autonomen Provinzen Vojvodina und Kosovo von Serbien abgespalten wurden.

Nach Titos Tod im Mai 1980 forderten ethnische Albaner für den Kosovo den Status einer eigenständigen Republik innerhalb Jugoslawiens. Proteste schlug die jugoslawische Armee wiederholt gewaltsam nieder.

Mit dem Ziel, den Kosovo zu befreien, bildete sich Anfang der Neunzigerjahre die paramilitärische UÇK. Im Frühjahr 1996 ging die Miliz zum bewaffneten Kampf über, attackierte auch staatliche Institutionen und übte Gewalt gegen die Zivilbevölkerung aus.

Spätestens ab dem Frühjahr 1998 verschärften sich die bewaffneten Auseinandersetzungen mit jugoslawischen Einsatzkräften massiv. Am 24. August 1998 erklärte der Weltsicherheitsrat seine Sorge über die «heftigen Kämpfe im Kosovo, die verheerende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung haben», und forderte eine sofortige Waffenruhe.

Am 17. Februar 2008 erklärte der Kosovo seine Unabhängigkeit von Serbien. Nur wenige Monate später gab es eine eigene Verfassung. Mehr als 110 Staaten, darunter auch die Schweiz, erkennen die Republik Kosovo als eigenständigen Staat an. 

Die serbische Regierung wie auch Russland, China und fünf EU-Staaten (Spanien, Griechenland, Zypern, die Slowakei und Rumänien) erkennen den Kosovo bis heute als nicht unabhängig an.

Zu den rund 1,8 Millionen Einwohnern des Kosovos zählen neben den ethnischen Albanern rund 120'000 Serben, von denen circa 50'000 vor allem im Norden des Landes leben.

Was ist die Kfor-Mission?

Die Kfor (Kosovo Force) ist eine internationale Friedensmission unter der Führung der Nato. Die Basis für den Einsatz ist die Resolution 1244 des UNO-Sicherheitsrates vom Juni 1999. Dem vorausgegangen war der Kosovokrieg, in den die Nato militärisch eingegriffen hatte, mit dem Ziel, die serbische Regierung unter der Führung des Präsidenten Slobodan Milošević zum Rückzug ihrer Truppen aus der damaligen serbischen Provinz Kosovo zu bewegen. Der Kampfeinsatz der Nato dauerte 79 Tage.

Daraufhin war es das erklärte Ziel der Kfor-Mission, eine zivile Übergangsverwaltung zu schaffen. Die Kfor-Truppen blieben mit Zustimmung der kosovarischen Regierung auch nach der Unabhängigkeitserklärung des Landes vor gut 15 Jahren weiter im Land.

Zu Beginn zählten die Kfor-Truppen 40'000 Soldaten. Heute sind es noch ungefähr 3800, darunter bis zu 195 Armeeangehörige aus der Schweiz. Die meisten stammen jedoch aus Italien (715), gefolgt von den USA (561) und Ungarn (469). Insgesamt sind Truppen aus 27 Ländern an der Mission beteiligt – auch aus Nicht-Nato-Staaten wie Armenien, Moldawien oder eben der Schweiz.

*Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa/AFP

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