Kalter Krieg um die Ukraine Drohnen über schwedischen Atommeilern gesichtet

Von Philipp Dahm

17.1.2022

US-Regierung: Russische Agenten in der Ukraine

US-Regierung: Russische Agenten in der Ukraine

Die Sprecherin der US-Regierung, Jen Psaki, hat am Freitag erklärt, dass nach Informationen von Geheimdiensten, Russland versuche, einen Vorwand für einen möglichen Einmarsch in die Ukraine zu schaffen. Einiges deute darauf hin, dass russische Agenten eine Operation im Osten der Ukraine planen würden. Konkrete Beweise legte sie nicht vor. Ebenfalls am Freitag haben ukrainische Behörden einen massiven Cyberangriff auf Regierungs-Webseiten gemeldet. Betroffen waren unter anderem das Aussenministerium, das Kabinett sowie der Sicherheits- und Verteidigungsrat. Vorübergehend waren die provozierenden Worte «Habt Angst und rechnet mit dem Schlimmsten» in ukrainischer, russischer und polnischer Sprache zu lesen. Die ukrainische Regierung teilte mit, «ersten Daten zufolge» sei Russland für den Hackerangriff verantwortlich. Der Cyberangriff erfolgte vor dem Hintergrund der verschärften Spannungen zwischen Russland und dem Westen im Ukraine-Konflikt. Angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarsches an der Grenze zur Ukraine fürchtet der Westen, Moskau könnte das Nachbarland angreifen.

17.01.2022

Schweden verstärkt seine Truppe auf der Ostsee-Insel Gotland, während die Polizei Drohnen nachspürt, die über Atomkraftwerken lauerten. Der Ton zwischen Washington und Moskau in Sachen Ukraine bleibt weiter rau.

Von Philipp Dahm

17.1.2022

Früher gab es eine Kuba-Krise, in der sowjetische Raketen auf der Karibikinsel die Welt an den Rand eines Atomkriegs brachten. Früher tauchten ausserdem sowjetische U-Boote vor der schwedischen Küste auf und versetzten das neutrale Land im Kalten Krieg in Panik.

Im Herbst 1981 läuft das sowjetische Ub-Boot U 137 vor Schweden auf Grund – und löst ein politisches Erdbeben aus.
Im Herbst 1981 läuft das sowjetische Ub-Boot U 137 vor Schweden auf Grund – und löst ein politisches Erdbeben aus.
Bild: WikiCommons/Marinmuseum

Und heute?

Da will der Kreml plötzlich nicht mehr ausschliessen, Soldaten in Venezuela oder auf Kuba zu stationieren, während über schwedischen Atommeilern unbekannte Drohnen gesichtet werden – und das neutrale Land gleichzeitig seine Truppen auf der Ostsee-Insel Gotland verstärkt, die vis-a-vis von Kaliningrad liegt: Willkommen zum Comeback des Kalten Krieges.

Tatsächlich ist Schweden neben der Ukraine in den Fokus gerückt, seit sich die Beziehungen zwischen Ost und West von Tag zu Tag verschlechtern. Moskau hatte Stockholm wie auch die Finnen gewarnt, der Nato ja nicht zu nahezukommen. Die Drohung zeigt nun Wirkung. Schweden verstärkt seine Armee auf der Insel Gotland, die nur rund 330 Kilometer von der russischen Exklave Kaliningrad entfernt ist.

Drohnen über Atomkraftwerken

Der Vorgang folge der Einfahrt mehrerer russischer Landungsboote in die Ostsee, erklärte das Militär. Es gehe um eine bessere Kontrolle der Häfen und des Flughafens von Visby. Gotland gilt als Schlüssel zur Kontrolle der Ostsee, die im Verteidigungsfall eine Lebenslinie bildet, um die Baltischen Staaten zu versorgen, wie unten stehender Tweet verdeutlicht.

Es ist nicht die einzige neue Front, die sich für Schweden eröffnet. Wie im früheren Kalten Krieg verläuft jene andere Front mitten durch Heimat: Am Freitag haben Berichte über Drohnen, die über verschiedenen Atommeilern geschwebt sind, die Bürger verunsichert. Betroffen waren Kernkraftwerke in Forsmark, das das grösste Schwedens ist, und Oskarshamn.

Das hat die Regierung in Stockholm bestätigt. Eine dritte Sichtung über der Anlage in Ringhals konnte dagegen nicht bejaht werden. Einem TV-Bericht zufolge soll die Drohne über Forsmark «ein grösseres Modell» gewesen sein, das «Wind widerstehen kann, wenn er stark weht».

Ukraine-Aufmarsch geht angeblich weiter

Sie sei von einem Wachmann gesichtet worden und sei nach Osten entkommen, heisst es weiter. Ein Polizei-Helikopter, der anschliessend aufgestiegen sei, habe die Drohne jedoch nicht mehr finden können.

In der Ukraine geht der russische Aufmarsch unterdessen weiter, meldet der Wirtschaftsdienst «Bloomberg». Allein am Sonntag seien 275 neue Militärfahrzeuge in der Region Donbas hinzugekommen. Kiev warf Moskau ausserdem vor, Separatisten in der Ost-Ukraine zu bewaffnen und Aktionen zu planen, bei denen als Ukrainer verkleidete Provokateure russische Truppen angreifen und so einen Vorwand zum Angriff liefern sollen. Der US-Geheimdienst sieht es ähnlich.

Ein russischer T-72B3 am 12. Januar bei Übungen in der region Rostow.
Ein russischer T-72B3 am 12. Januar bei Übungen in der region Rostow.
KEYSTONE

Was sagt die russische Seite dazu? Kreml-Sprecher Dmitri Peskow äusserte sich am Sonntag im US-TV. Der Aufmarsch habe eigentlich «schon vor Jahrzehnten» begonnen, weil Moskau die Nato-Osterweiterung und die «schleichende Invasion» der Ukraine nicht länger «tolerieren» könne.

«Der Aggressor ist Russland»

«Als Deutschland wiedervereinigt wurde und die Sowjetunion und ihr damaliger Führer Michail Gorbatschow okay dazu gesagt haben, gab es auf amerikanischer Seite ein Versprechen», so Peskow auf «CNN». «Leider wurde es nicht juristisch bindend in einem Dokument festgehalten. Aber es gab eine Garantie, dass die Nato niemals ihre militärische oder politische Infrastruktur nach Osten ausweitet.»

Ukrainische Soldaten feuern am 12. Januar eine Panzerabwehrrakete vom Typ Javelin nahe Donezk ab.
Ukrainische Soldaten feuern am 12. Januar eine Panzerabwehrrakete vom Typ Javelin nahe Donezk ab.
KEYSTONE

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sieht das völlig anders. Auch er war am Sonntag im Fernsehen zu sehen – allerdings beim kanadischen Sender «CBC». «Der Aggressor ist Russland», versichert der Däne mit Blick auf die Ukraine. «Die Erwartung, dass das Opfer einer Aggression deeskalierend wirken soll, verdreht die ganze Sache auf merkwürdige Art.» Kanada hat gerade angekündigt, eine Fabrik für Handfeuerwaffen in der Ukraine bauen zu wollen.

Zuvor hatten Berichte über massive Cyberangriffe auf die Ukraine für Spannungen gesorgt. Microsoft habe auf offiziellen staatlichen Seiten diverse Malware-Programme entdeckt, berichtet die «Washington Post». Die Lage in Osteuropa bleibt also weiter höchst angespannt.