Ferrero weiss seit Monaten Bescheid Die Kinder-Schokolade-Affäre wird zum Salmonellen-Skandal

Von Andreas Fischer

8.4.2022

Ferrero liess Kinder-Überraschungseier, hier die britische Variante, offenbar trotz Salmonellen-Befall in einem Werk im Umlauf.
Ferrero liess Kinder-Überraschungseier, hier die britische Variante, offenbar trotz Salmonellen-Befall in einem Werk im Umlauf.
Victoria Jones/PA Wire/dpa

In einer Fabrik von Ferrero wurden Salmonellen festgestellt. Der Konzern wusste seit Monaten davon. Wieso wurden die Produkte weiterhin verkauft? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Andreas Fischer

Es ist eine ziemlich lange Liste, die Ferrero auf seiner Website veröffentlicht. 32 Produkte der Marke Kinder stehen darauf, 32 Produkte, die der italienische Süsswarenkonzern auch in der Schweiz zurückgerufen hat: «Vorsorglich» und «freiwillig», wie es heisst. Betroffen sind vor allem die beliebten Überraschungseier und Schoko-Bons. Hintergrund ist eine mögliche Verbindung zu einem Salmonellen-Ausbruch in mehreren Ländern.

Mittlerweile hat sich die Kinder-Schokoladen-Affäre zu einem Salmonellen-Skandal ausgeweitet. Ferrero wusste seit Monaten Bescheid, muss eine Fabrik in Belgien schliessen und wird noch mehr Produkte zurückrufen. Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten.

Welche Länder sind neben der Schweiz betroffen?

Die ersten Rückrufaktionen wegen möglicher Verunreinigungen in der hatte es Anfang der Woche in Frankreich und Grossbritannien gegeben. Später kamen andere Länder wie Deutschland und auch die Schweiz dazu. Mittlerweile ruft Ferrero auch in den USA, in Israel und am anderen Ende der Welt, in Australien, Kinder-Produkte zurück.

Ferrero nehme die Angelegenheit sehr ernst, «obwohl keines unserer auf den Markt gebrachten Kinder-Produkte positiv auf Salmonellen getestet wurde und wir keine Verbraucherbeschwerden erhalten haben», heisst es in einer offiziellen Mitteilung. Auf konkrete Nachfrage von blue News, unter anderem, ob es bei den Produktionsprozessen seit Längerem Hygieneprobleme gab, hat sich das Unternehmen nicht geäussert. In Deutschland wurden auch einige Weihnachtsartikel aus dem letzten Jahr zurückgerufen.

Seit wann wusste Ferrero über die Salmonellen Bescheid?

Inzwischen musste das Unternehmen einräumen, bereits seit einigen Monaten von einem Salmonellen-Fall gewusst zu haben. Wie aus einer Mitteilung von Ferrero France in Luxemburg hervorgeht, seien bereits am 15. Dezember 2021 in einem Werk im belgischen Arlon Salmonellen «während eigener Kontrollen» entdeckt worden. Als Ursache sei ein Sieb am Auslass von zwei Rohstofftanks ausgemacht worden.

Die betroffenen Materialien und Fertigprodukte seien nach dem Vorfall blockiert und nicht ausgeliefert worden. Warum Ferrero nicht auch die bereits im Umlauf befindlichen Produkte zurückrief, geht aus der Mitteilung nicht hervor. Glaubt man dem Unternehmen, habe Ferrero erst durch die Zusammenarbeit mit Lebensmittel- und Gesundheitsbehörden in Europa neue Daten erhalten, die eine Übereinstimmung zwischen den gemeldeten Salmonellen-Fällen und dem eigenen Werk in Arlon zeigten.

Welche Konsequenzen hat der Salmonellen-Skandal für Ferrero?

Die Salmonellen-Fälle können auf eine Fabrik in Belgien zurückgeführt werden. Das Werk muss nun vorerst schliessen. Alle dort gefertigten Produkte werden zurückgerufen. Die belgische Aufsichtsbehörde Afsca kündigte am Freitag an, die Produktionslizenz für die Fabrik in Arlon infolge von Ermittlungen zu entziehen.

Ferrero habe in den Ermittlungen nicht ausreichend Informationen geliefert, so die Mitteilung. Alle Produkte aus dem Werk müssen demnach zurückgerufen werden, unabhängig von ihrem Produktionsdatum.

«Aus Sicht der Konsumentinnen und Konsumenten ist das Verhalten nicht nachzuvollziehen», kritisiert Josianne Walpen von der Stiftung für Konsumentenschutz im Gespräch mit blue News. «Das bedeutet, dass man die Konsumentinnen und Konsumenten und damit eben vorwiegend Kinder bewusst einem Gesundheitsrisiko ausgesetzt hat. Das muss unbedingt aufgeklärt und dann müssen die Konsequenzen daraus gezogen werden.»

Wie viele Salmonellen-Fälle sind bekannt?

Die EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA und die EU-Gesundheitsbehörde ECDC haben Untersuchungen aufgenommen. Bislang seien 105 bestätigte Salmonellen-Fälle sowie 29 Verdachtsfälle registriert worden, die meisten davon in Grossbritannien. In der Schweiz ist noch kein Fall bekannt.

Was sind die Symptome bei einer Infektion mit Salmonellen?

Eine Salmonellen-Erkrankung äussert sich innerhalb weniger Tage nach der Infektion mit Durchfall und Bauchschmerzen, manchmal mit Erbrechen und leichtem Fieber. Bei Gesunden klingen die Beschwerden in der Regel nach einigen Tagen wieder ab. In bestimmten Fällen könne es jedoch zu schweren Krankheitsverläufen kommen, insbesondere bei Säuglingen, Kleinkindern, alten Menschen und Menschen mit geschwächtem Abwehrsystem.

Wer ist von einer Salmonellen-Erkrankung betroffen?

Wie EFSA und ECDC mitteilten, ist der Salmonellen-Ausbruch durch einen ungewöhnlich hohen Anteil von erkrankten Kindern gekennzeichnet, die ins Krankenhaus müssen. Darunter seien einige mit schweren Symptomen wie blutigem Durchfall. Bestimmte Schokoladenprodukte seien als wahrscheinlicher Infektionsweg identifiziert worden.

Was sollten Eltern erkrankter Kinder tun?

Ruhe bewahren, aber schnell zum Arzt gehen. Bei Erkrankungen mit Durchfall und Erbrechen verlieren Kinder schnell viel Flüssigkeit, die ausgeglichen werden muss.

Was sollen Konsumenten tun, die betroffene Produkte gekauft haben?

Konsumenten sollten diese Produkte nicht essen und sie für eine vollständige Rückerstattung an den Ort des Kaufs zurückbringen. Gefordert sei aber vor allem Ferrero, so Josianne Walpen. Das Unternehmen müsse «unverzüglich dafür sorgen, dass die Konsumentinnen und Konsumenten – und damit vor allem Kinder – geschützt sind und keine gesundheitsgefährdenden Produkte mehr erstehen können».

Wie bekommen vom Rückruf betroffene Konsumenten das Geld zurück?

Die Detailhändler Coop und Denner erstatten den Kaufpreis in den Filialen, wie sie auf Nachfrage bestätigten. Kundinnen und Kunden können gekaufte Produkte einfach zurückbringen. Auch Migros, Lidl und Aldi erstatten den Kaufpreis.

Wie lange dauert es, bis wieder «sichere Schoggi» von Ferrero im Regal steht?

Die betroffenen Artikel der Marke Kinder sind zurzeit aus den Supermarktregalen verschwunden: Wann es sie wieder gibt, ist unklar. Ferrero hat eine entsprechende Anfrage unbeantwortet gelassen. Bei Coop ist man optimistisch, dass «die betroffenen Produkte voraussichtlich nach Ostern wieder erhältlich sein» werden, wie Mediensprecherin Melanie Grüter auf Anfrage mitteilte.

Ferrero-Produkte, die nicht auf der Rückrufliste stehen, können ohne Bedenken verzehrt werden. Laut Denner und Coop lässt sich bislang keine Änderung im Kaufverhalten feststellen.

Wie sicher sind industrielle Fertigungsprozesse bei Lebensmitteln überhaupt?

«In der Schweiz und in der EU wird auf die Selbstkontrolle und -verantwortung der Betriebe gesetzt», erläutert Konsumentenschützerin Josianne Walpen. «Das funktioniert in der Regel, da Unternehmen einen solchen Vorfall wie die aktuelle Rückrufwelle von Ferrero möglichst vermeiden wollen.» Es gebe aber immer wieder Fälle, die zeigen, dass das System Schwächen hat. Dies zeige sich insbesondere, da jetzt bekannt werde, dass Ferrero schon vor Monaten Kenntnis von Salmonellen-Verunreinigungen hatte.

Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und dpa.