Kiew forderte «Demontage, egal wie» Anschlag auf Krim-Brücke trifft Putin hart

Von Andreas Fischer

17.7.2023

Ukrainischer Geheimdienst: «Die Brücke hat sich schlafen gelegt»

Ukrainischer Geheimdienst: «Die Brücke hat sich schlafen gelegt»

Die Kertsch-Brücke zwischen der Krim und der russischen Region Krasnodar ist nach offiziellen Angaben wegen eines «Notfalls» gesperrt worden. Ob es eine Explosion gab und wer für den Unterbruch verantwortlich ist, ist noch unklar.

17.07.2023

Die Brücke zur annektierten ukrainischen Halbinsel Krim wird bereits zum wiederholten Mal angegriffen. Die Schäden dürften insbesondere den Nachschub für Putins Armee gefährden. Was bisher bekannt ist.

Von Andreas Fischer

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Nach Explosionen in der Nacht vom 16. auf den 17. Juli an der Brücke zur annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim hat Russland offiziell von einem «Terrorakt» gesprochen.
  • Moskau machte ukrainische Geheimdienste dafür verantwortlich.
  • Für die Versorgung der Bevölkerung auf der Krim und den Nachschub für Putins Soldaten könnte der Anschlag weitreichende Folgen haben.

Die in der Nacht zum Montag attackierte Brücke über die Strasse von Kertsch ist die wichtigste Strassen- und Bahnverbindung zwischen dem russischen Festland und der von Russland besetzten ukrainischen Halbinsel Krim. Das 19 Kilometer lange Bauwerk war im Mai 2018 von Kremlchef Wladimir Putin persönlich eingeweiht worden, der damals demonstrativ als erster in einem Lastwagen über die neue Brücke fuhr.

Im Dezember 2019 folgte dann die Einweihung der Bahnverbindung über die Brücke – ebenfalls durch Putin persönlich. Der Kremlchef lenkte damals einen Zug über das Bauwerk.

Was ist auf der Krim-Brücke von Kertsch passiert?

Am frühen Morgen hatten russische Behörden über einen «Notfall» auf der Krim-Brücke berichtet, infolgedessen zwei Menschen in ihrem Auto getötet worden seien. In sozialen Netzwerken war von mehreren Explosionen die Rede. Betroffen sei der 145. Stützpfeiler der Brücke, teilte der von Moskau installierte Gouverneur Sergej Aksjonow inzwischen mit.

Fotos und Videos zeigten Zerstörungen an der Fahrbahn. Ein der Söldnergruppe Wagner zuzuordnender Telegram-Kanal zeigte Aufnahmen von mindestens einem eingestürzten Brückenteil sowie ein beschädigtes Fahrzeug. Das russische Verkehrsministerium teilte mit, die Brückenkonstruktion sei weiter intakt.

Wer ist verantwortlich für den aktuellen Anschlag auf die Krim-Brücke?

Den aktuellen Angriff sollen ukrainische Spezialkräfte mit Marine-Drohnen verübt haben, wie die Nachrichtenagentur AFP aus Kreisen des ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU erfuhr. Es habe sich um eine «Spezialoperation» des SBU und der Marine gehandelt. Nach russischen Angaben wurden dabei zwei Zivilisten getötet.

«Die Brücke ist schon wieder eingeschlafen», spottete der Geheimdienst SBU im Onlinedienst Telegram. SBU-Sprecher Artem Dechtjarenko erklärte, der Geheimdienst beobachte «mit Interesse, wie eines der Symbole von Putins Regime wieder einmal der militärischen Belastung nicht standhält».

Kiew hatte die «Demontage» der «illegalen» Brücke verlangt – «egal, wie: freiwillig oder nicht». Die Ukraine wiederholt auch regelmässig, dass sie die Krim von Russland zurückerobern will. Die Brücke hat daher auch überaus hohe symbolische Bedeutung – für Moskau ebenso wie für Kiew.

Warum ist die Krim-Brücke militärisch so wichtig für Russland?

Die Brücke ist für die Versorgung der Krim und der dort stationierten russischen Truppen von grosser Bedeutung. Ein grosser Teil des Nachschubs für Putins Armee in den besetzen Gebieten läuft über die Brücke: Truppentransporte, Waffen, Munition, Treibstoff, etc.

Die Krim-Route ist relativ sicher für Russland. Die Nachschublinien auf dem Landweg im besetzten Süden der Ukraine hingegen können von der ukrainischen Armee leicht angegriffen werden, weil sie in Reichweite von Artilleriesystemen wie dem Raketenwerfer Hilmars liegen.

Wie geht es jetzt mit der Krim-Brücke weiter?

Zumindest der Eisenbahnverkehr rollt wieder. Mit rund fünf Stunden Verspätung sei am Montagmorgen ein Zug aus der Krim-Hauptstadt Simferopol in Richtung der südrussischen Region Krasnodar losgefahren, teilten die Behörden der Krim mit. Auch der Busverkehr sei wiederaufgenommen worden, hiess es vonseiten der Behörden. Allerdings müsse ein Teil der Reise mit dem Zug zurückgelegt werden.

Der Autoverkehr bleibt hingegen weiter eingestellt. Das führt zu langen Staus auf der einzig verbliebenen Autoroute zur und von der Krim, die über den Landweg Richtung Melitopol führt. Unter anderem sollen sich derzeit 50'000 russische Feriengäste auf der Krim befinden, von denen ein grosser Teil nun wieder zurückwill. Die bestehenden Fährverbindungen dürfen nur von Lastwagen genutzt werden.

Welche Zugänge zur Krim hat Russland noch?

Die besagte Route über die Landenge von Armjansk ist der einzige Strassenzugang zur Krim. Mit der Tschonhar-Brücke, die in den teilweise okkupierten Oblast Cherson führt, ist vor einigen Wochen auch die zweite von drei Anfahrtsrouten zur Krim beschädigt worden.

Was geschah im Oktober 2022 auf der Krim-Brücke?

Die Kertsch-Brücke ist immer wieder Ziel von Angriffen. Anfang des Monats hatte die russische Luftabwehr einen Marschflugkörper nahe der strategisch wichtigen Verbindung zwischen Russland und der okkupierten Krim abgefangen.

Zuvor war die Krim-Brücke im Oktober 2022 bei der Explosion in Teilen beschädigt worden. Eine Lastwagenbombe hatte sieben mit Kraftstoff gefüllte Tankwaggons eines Güterzugs in Brand gesteckt. Moskau hatte ukrainische Geheimdienste für den Anschlag verantwortlich gemacht, Kiew bestritt damals eine Beteiligung.

Ende Mai, also mehr als sieben Monate nach der Explosion auf der Krim-Brücke, hatte der ukrainische Geheimdienstchef Wassyl Maljukdie Beteiligung Kiews erstmals offiziell bestätigt. «Da es sich hierbei um einen Logistikweg handelt, den wir dem Feind abschneiden mussten, wurden entsprechende Massnahmen ergriffen», sagte der Chef des Inlandsgeheimdienstes SBU in einem Youtube-Interview des ukrainischen Journalisten Dmytro Komarow.

Mit Agenturmaterial.

Russische Ermittler untersuchen nach den Explosionen die Autoverbindung der Krim-Brücke, die das russische Festland und die Halbinsel Krim über die Strasse von Kertsch verbindet. Das Foto stammt aus einem Video der russischen Behörden.
Russische Ermittler untersuchen nach den Explosionen die Autoverbindung der Krim-Brücke, die das russische Festland und die Halbinsel Krim über die Strasse von Kertsch verbindet. Das Foto stammt aus einem Video der russischen Behörden.
AP