Lagebild Ukraine Renitente Kommandos im Süden machen Russen das Leben schwer

Von Philipp Dahm

10.7.2023

Bedeutendes Waffen-Paket Deutschlands für die Ukraine geplant

Bedeutendes Waffen-Paket Deutschlands für die Ukraine geplant

Deutschland ist bereits jetzt zweitwichtigster Waffenlieferant der Ukraine nach den USA. Beim letzten Besuch Selenskyjs in Berlin wurden der Ukraine 2,7 Mrd. Euro für neue Waffen versprochen. Damit nicht genug, sollen jetzt auf dem anstehenden Nato-Gipfel weitere Lieferungen eingeplant werden, hiess es nun aus deutschen Regierungskreisen in Berlin.

10.07.2023

Es gelingt Russlands Armee nicht, die ukrainischen Kommandos am linken, östlichen Dnjepr-Ufer zu vertreiben. Auch bei Bachmut behält Kiew die Initiative, während die Gegenseite von Kreminna aus angreift.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die russische Armee hat erfolglos versucht, mit Bomben, Panzern und Storm-Z-Truppen den ukrainischen Brückenkopf am Dnjepr bei Dachi auszulöschen.
  • Im Norden von Bachmut versuchen ukrainische Truppen anscheinend, eine Schneise durch russisch besetztes Gebiet zu schlagen.
  • Russische Truppen wollen verzweifelt das Dorf Klischtschijiwka im Süden von Bachmut verteidigen, von dessen Anhöhen aus auch Bachmut selbst angegriffen werden könnte.
  • Im Norden der Front ziehen russische Soldaten von Kreminna aus nach Westen.
  • Stichwort Luftabwehr: Die ukrainische Armee hat am 13. Mai mit einer «Patriot» mindestens vier Helikopter und Jets abgeschossen, die Gegenseite hat eine Rakete bei der Kertsch-Brücke abgefangen.

Es sind angeblich nur einige Dutzend Soldaten, die auf der linken, östlichen Dnjepr-Seite bei Dachi einen Brückenkopf errichtet haben. Doch es gelingt ihnen weiterhin, erstaunlich viele russische Kräfte zu binden und zu bekämpfen.

Moskau setzt nach den zuletzt erfolglosen Versuchen, die Kommandos zu vertreiben, auf blanke Gewalt – und wirft FAB-500 auf ihre Stellung ab. Weil die Gleitbomben, die eine halbe Tonne wiegen, zu unpräzise sind, verfehlen sie die Ukrainer.

Deshalb muss die Armee erneut ran: Sie schickt einen T-72 vor, den jedoch Infanteristen mit Panzerabwehr-Raketen zerstören. Zumindest liegen nun keine ukrainischen Minen mehr dort. Das Militär schickt Storm-Z-Einheiten, die aus Sträflingen bestehen, in Schützenpanzern vor, wobei ein T-72 im Hintergrund Deckung geben soll.

Ins Artillerie-Feuer gelockt: Russische Truppen werden die ukrainischen Eindringlinge am östlichen Dnjepr-Ufer nicht los.
Ins Artillerie-Feuer gelockt: Russische Truppen werden die ukrainischen Eindringlinge am östlichen Dnjepr-Ufer nicht los.
Youtube/Reporting from Ukraine

Deckung haben aber auch Kiews Spezialkräfte: Ukrainische Artillerie nimmt die Angreifer von der anderen Uferseite aus unter Beschuss und fügt ihnen schweren Schaden zu, nachdem sie in Position gelockt worden sind. Laut «Reporting from Ukraine» verliert Russland an einem Tag 23 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge.

Ukrainer beissen sich bei Bachmut weiter durch

Auch bei Bachmut ist die ukrainische Armee im Vorteil. Im Norden versucht sie anscheinend, eine Schneise zu schlagen. Zum einen sind die Soldaten auf Berchiwka vorgerückt, zum anderen haben sie östlich von Krasnopoliwka eine eineinhalb Kilometer tiefe Bresche geschlagen.

Nördlich von Bachmut und nördlich von Soledar hat die ukrainische Armee zwei Breschen in die Front geschlagen.
Nördlich von Bachmut und nördlich von Soledar hat die ukrainische Armee zwei Breschen in die Front geschlagen.
Deep State Map

Im Süden von Bachmut wehren sich die Russen in Klischtschijiwka weiter hartnäckig gegen die Aufgabe des Dorfes. Die ukrainischen Truppen haben von Westen angreifend einen Kanal überwunden, sich zu Baum-Reihen vorgekämpft und eine Festung erobert. Die Anhöhen vor der Siedlung haben sie aber offenbar noch nicht fest einnehmen können.

Wenn das passiert, haben Kiews Kräfte nicht nur freies Sicht- und Schussfeld auf Klischtschijiwka, sondern könnten auch Bachmut selbst bequem angreifen. Das erklärt, warum Moskau alles tut, um das Dorf zu halten, während weiter östlich bereits neue Verteidigungslinien eingezogen werden.

Ukraine setzt eroberte TOS-1A bei Kreminna ein

Die Russen gehen aber auch in die Offensive: Sie versuchen weiterhin, von Sjewjerodonezk und Kreminna aus nach Westen vorzustossen. In der westlichsten Ausdehnung ist die Armee noch drei Kilometer von der Kleinstadt Saritschne und 13 Kilometer von Slowjansk entfernt.

Russische Truppen stehen in der westlichsten Ausdehnung drei Kilometer vor Saritschne. Das hoch gelegene Bilohoriwka südöstlich davon bleibt ein ukrainischer Stachel im russischen Frontverlauf.
Russische Truppen stehen in der westlichsten Ausdehnung drei Kilometer vor Saritschne. Das hoch gelegene Bilohoriwka südöstlich davon bleibt ein ukrainischer Stachel im russischen Frontverlauf.
Deep State Map

Der Wald südlich von Kreminna bleibt in ukrainischer Hand – und von dort aus wird der Gegner nun mit seiner eigenen Waffe ins Visier genommen: Die ukrainische Armee hat bisher drei TOS-1A erobert und setzt einen der thermobarischen Flammenwerfer nun gegen seine Erbauer ein. Der Nachteil: Kiew kann die Munition nicht selbst produzieren.

Im Süden der Ukraine bewegt sich nur wenig: Beim Vorstoss, der von Welyka Nowosilka ausging, ist zuletzt Rivnopil eingenommen worden, und es wird nach wie vor um das Dorf Pryjutne gekämpft. Auch die Offensive, die bei Orichiw ihren Anfang nahm, steckt fest. Die Stadt selbst ist von der russischen Luftwaffe angegriffen worden. Vier Personen wurden getötet.

Stichwort: Flugabwehr

Russische Kampfjets und -helikopter sind ein Problem, weil die ukrainische Luftwaffe ihnen nichts entgegenzusetzen hat. Doch dafür kommt Kiews Flugabwehr immer besser in den Kampf: Wie «Forbes» berichtet, hat das System Patriot am 13. Mai nach ukrainischen Angaben fünf und nach Angaben des Kremls vier Gegner an einem Tag abgeschossen.

Eine Su-34, eine Su-35 und zwei bis drei Helikopter sind demnach über dem russischen Oblast Brjansk vom Himmel geholt worden, der an der Grenze zu Belarus und zur Ukraine liegt. Elf Personen sollen dabei getötet worden sein. Auch bei Drohnen und Raketen soll das System sehr erfolgreich sein.

Die russische Luftabwehr hat es zwar in Brjansk verpasst, eine ukrainische Rakete abzuschiessen, war dafür aber auf der Krim erfolgreich: Dort wurde ein Flugkörper nahe der Kertsch-Brücke abgefangen. Es handelt sich bei den Raketen offenbar um umgebaute Luft-Boden-Raketen vom Typ S-200, die gegen Bodenziele eine Reichweite von 4400 Kilometern haben sollen.

Waffen-Update

Von den Waffen, die der Westen geliefert hat, ist bereits einiges Gerät zerstört worden, doch die Lieferungen waren nicht umsonst. «Wir wurden mehrfach getroffen», erzählt Andrij, der einen US-Schützenpanzer vom Typ Bradley gefahren ist, dem US-Sender ABC über seinen Abschuss. «Dank ihm stehe ich hier heute.»

Die Panzerung habe ihm und seinen Leuten das Leben gerettet: «Fast alle von meinen Leuten hatten Blutergüsse, und sie waren ziemlich desorientiert», heisst es – aber das ist besser, als tot zu sein. Auch der gepanzerte Bushmaster aus Australien wird in höchsten Tönen gelobt: «Er ist fantastisch», sagt Oleksandr dem australischen Sender «ABC News».

«Worte können es nicht beschreiben», meint der ukrainische Soldat. «Es ist so ein kraftvolles Fahrzeug und viel einfacher zu fahren als unsere Ausrüstung.» Rustam ergänzt: «Sie widerstehen Schüssen der Panzerfaust, Überfahren von Minen und zähmen gegnerische MGs.» Der Bushmaster werde offensiv, aber auch für Transporte und Evaluationen genutzt.

Bei der Gegenseite ist es um das Material offenbar nicht ganz so gut bestellt. Entweder müssen Moskaus Männer mit alten Panzern wie dem T-54 kämpfen – oder haben sogar nur Granaten und Gewehre zur Hand.