Experte zum Trump-Prozess«Die Amerikaner haben es satt, sich mit ihm herumzuschlagen»
Von Jan-Niklas Jäger
5.4.2023
Auch vor Gericht geht Donald Trump gegen seine Widersacher in die Offensive. Darf er das überhaupt? Und warum dürfte er auch bei einer Verurteilung kandidieren? blue News hat bei einem Experten nachgefragt.
Von Jan-Niklas Jäger
05.04.2023, 19:01
06.04.2023, 06:43
Von Jan-Niklas Jäger
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Donald Trump macht Stimmung gegen die Protagonisten seines Prozesses. Seine Attacken sind in den USA weitgehend von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Trump dürfte auch bei einer Verurteilung für die Präsidentschaftswahl 2024 kandidieren. Sein Recht dazu ist fest in der Verfassung verankert.
Im Vorwahlkampf dürfte Trump gegenüber seiner innerparteilichen Widersacher von dem Prozess profitieren. Die Mehrheit der Amerikaner hat jedoch genug vom ehemaligen Präsidenten.
Die Anklagepunkte gegen Donald Trump sind am gestrigen Dienstag in New York bekannt gegeben worden. Dem ehemaligen US-Präsidenten wird die Fälschung von Geschäftsunterlagen in 34 Fällen vorgeworfen, darunter die offenbar falsch als Anwaltskosten deklarierten Schweigegeldzahlungen an den Pornostar Stormy Daniels und das Model Karen McDougal.
Doch Schweigegeldzahlungen an sich sind in den USA nicht illegal und Donald Trump gibt diese – im Gegensatz zu den Affären selbst – auch zu. Von juristischem Belang ist der Vorsatz, mit dem er das getan hat: Die Staatsanwaltschaft steht vor der Herausforderung zu beweisen, dass die Zahlungen einen gezielten Versuch darstellten, die Präsidentschaftswahl 2016 zu beeinflussen.
Vorsatz muss nachgewiesen werden
«Der Angeklagte Donald J. Trump hat wiederholt und in betrügerischer Absicht New Yorker Geschäftsunterlagen gefälscht, um kriminelles Verhalten zu verbergen, das schädliche Informationen während der Präsidentschaftswahl 2016 vor der Öffentlichkeit verheimlichte», heisst es in der Anklageschrift.
Die Staatsanwaltschaft hat in ihren Ausführungen impliziert, diesen Vorsatz beweisen zu können. Doch eine externe Einschätzung der Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung Trumps ist kaum möglich. Das sagt auch Dr. Thomas Greven, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Nordamerika-Studienprogramm der Universität Bonn.
«Mir macht eher Sorge, dass auch in diesem Verfahren Trump wieder den Vorteil hat, dass alles ewig dauert», sagt Greven. «Das Verfahren wird sich vermutlich bis 2024 hinziehen. Allein für die Vorlage der nächsten Schriftsätze von Verteidigung und Anklage sind Fristen bis August und September vorgesehen.»
Vorteile für den republikanischen Vorwahlkampf
Auch für den innerparteilichen Machtkampf kann Trump durch den Prozess Vorteile ziehen. Gegen Konkurrent*innen wie die ehemalige Gouverneurin von South Carolina Nikki Haley oder Ron DeSantis, den von vielen Konservativen bevorzugten Gouverneur Floridas, sei Trump nun «gestärkt, weil er mit der angeblichen ‹Hexenjagd› mobilisieren kann», so Greven.
Das könne er nutzen, um auch Nicht-Trumpisten zu einem Bekenntnis zum vermeintlich von den Demokraten verfolgten ehemaligen republikanischen Präsidenten zu bringen. Nikki Haley hat ihre Bewerbung für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bereits bekannt gegeben, Ron DeSantis sich bezüglich einer möglichen Kandidatur bislang bedeckt gehalten.
Zwar habe Trump bei einer Nominierung «die Mehrheit der Amerikaner gegen sich», weil die «es langsam satthaben, sich mit Trump herumzuschlagen», jedoch kamen ihm die strukturellen Nachteile des amerikanischen Systems zugute: «Bekanntlich brauchen Republikaner keine Mehrheit im Land, um den Präsidenten zu stellen.»
Präsidenten ohne Mehrheit
Damit spielt Greven darauf an, dass in den USA nicht die blosse Mehrheit der Stimmen, der sogenannte popular vote über den nächsten Präsidenten entscheidet. Jeder US-Bundesstaat hat eine bestimmte Anzahl an Wahlleuten, die dann ihre Stimme für den Kandidaten gemäss der Ergebnisse in ihrem Staat abgeben. Diese Zahl orientiert sich an den Mitgliedern des Kongresses, die jeder Staat stellt.
So kann es dazu kommen, dass ein Kandidat, der insgesamt weniger Stimmen erhalten hat, mehr Stimmen von Wahlleuten bekommt. Im Normalfall profitieren die Republikaner davon, weil sie in vielen weniger dicht besiedelten Staaten vor allem im Mittleren Westen der USA dominieren.
Die Demokraten hingegen erzielen in der Regel in urbanen Gegenden und Grossstädten gute Ergebnisse. Die letzten Präsidenten, die entgegen ihrer Niederlage beim popular vote ins Amt kamen, waren die Republikaner Trump und George W. Bush.
Trumps Kandidatur könnte doch noch gefährdet werden
Sollte Trump verurteilt werden, kann er trotzdem zur Wahl antreten. Denn das passive Wahlrecht bleibt einem verurteilten US-Bürger in den meisten Fällen erhalten. So hat auch der aus der Netflix-Dokuserie «Tiger King» bekannte Joe Exotic, der wegen Verstössen gegen Tierschutzgesetze im Gefängnis sitzt, bereits seine Präsidentschaftskandidatur verkündet.
Anders verhält es sich mit dem aktiven Wahlrecht. Dieses kann man durch eine Straftat in vielen Staaten verlieren. «Es ist schon ein Widerspruch», sagt Greven.
Dieser ergebe sich dadurch, dass die einzelnen Staaten über das aktive Wahlrecht entscheiden können, weil dieses, im Gegensatz zum passiven, nicht klar in der Verfassung verankert sei. Allerdings: «Eines der anderen Verfahren könnte dazu führen, dass Trump es doch noch verliert.»
«Es gibt eine Grenze»
Auch Donald Trumps Angewohnheit, die Protagonist*innen des anstehenden Prozesses anzugreifen, dürfte ausserhalb der USA viele Menschen verwundern. Doch die Meinungsfreiheit geht in den USA sehr weit. «Der Richter wird sich gut überlegen, ob er in einem politisch so brisanten Verfahren gegen Trumps Äusserungen vorgeht», betont Greven.
So hatte Trump nahegelegt, der Staatsanwalt Alvin Bragg werde von George Soros finanziert. Soros ist ein einflussreicher linksliberaler Investor, der seit den Neunzigerjahren immer wieder im Mittelpunkt verschiedener antisemitischer Verschwörungstheorien steht, weil er angeblich ein «Drahtzieher» hinter den Kulissen der Weltgeschichte sei.
Selbst in einem Verfahren wie dem gegen Trump gibt es «Grenzen» der Meinungsfreiheit, wie Greven sagt. «Die antisemitischen Anspielungen gegen den New Yorker Staatsanwalt könnten diese überschreiten.»