Vom Flughafen Leipzig/Halle sind am Freitagmorgen Afghanen abgeschoben worden. (Archivfoto)
Seit August 2021 sind in Afghanistan wieder die islamistischen Taliban an der Macht. (Archivfoto)
Der deutsche Bundeskanzler Scholz bei einem Wahlkampftermin in der Nähe von Leipzig.
Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser dankte der Bundespolizei und den Ländern für die enge Zusammenarbeit.
Deutschland schiebt wieder nach Afghanistan ab
Vom Flughafen Leipzig/Halle sind am Freitagmorgen Afghanen abgeschoben worden. (Archivfoto)
Seit August 2021 sind in Afghanistan wieder die islamistischen Taliban an der Macht. (Archivfoto)
Der deutsche Bundeskanzler Scholz bei einem Wahlkampftermin in der Nähe von Leipzig.
Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser dankte der Bundespolizei und den Ländern für die enge Zusammenarbeit.
Abschiebungen in ein Land, in dem die Taliban herrschen? Das konnten sich manche in Deutschland kaum vorstellen. Nun ist ein Flug dorthin gestartet, was bei Menschenrechtlern auf Unmut stösst.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Erstmals seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren hat Deutschland wieder afghanische Staatsangehörige in ihr Herkunftsland abgeschoben.
- Nach Angaben von Innenministerin Nancy Faeser handelte es sich um 28 Afghanen, die in Deutschland Straftaten verübt haben.
- Das Vorgehen könnte eine Blaupause für künftige Abschiebungen nach Afghanistan und möglicherweise auch Syrien sein.
Das sächsische Innenministerium teilte mit, die Abschiebe-Maschine sei am Morgen vom Flughafen Leipzig/Halle mit 28 afghanischen Männern an Bord abgehoben, die in Deutschland Straftaten begangen haben.
Deutschland unterhält zu den Taliban-Machthabern in Kabul keine diplomatischen Beziehungen. Nach dem tödlichen Messerangriff von Mannheim Ende Mai hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern nach Afghanistan und auch Syrien wieder zu ermöglichen.
«Es ist ein klares Zeichen: Wer Straftaten begeht, kann nicht darauf rechnen, dass wir ihn nicht abgeschoben kriegen, sondern wir werden versuchen, das zu tun, wie man in diesem Fall sieht», sagte der SPD-Politiker bei einem Wahlkampftermin in der Nähe von Leipzig.
Der Abschiebeflug startete zwar wenige Tage nach dem mutmasslich islamistisch motivierten tödlichen Messerattentat von Solingen, hat aber einen deutlich längeren Vorlauf, wie es aus Behördenkreisen hiess. Der «Spiegel» schrieb von zwei Monaten.
Blaupause für künftige Abschiebungen nach Afghanistan?
Das Vorgehen könnte nun auch eine Blaupause für künftige Abschiebungen nach Afghanistan und möglicherweise auch Syrien sein. Die Bundesregierung prüft Möglichkeiten zur Abschiebung in diese Länder seit Monaten.
Das Asylrecht sieht Ausschlussgründe für Schutz in Deutschland vor, zum Beispiel Kriegsverbrechen. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat sich in ihrem «Sicherheitspaket» vorgenommen, diese Liste zu erweitern, unter anderem um antisemitische Straftaten.
Von Leipzig nach Kabul: Abschiebeflug nach Afghanistan gestartet
Leipzig, 30.08.2024: Erstmals seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren ist ein Abschiebeflug von Deutschland nach Afghanistan gestartet. Das sächsische Innenministerium teilte mit, die Maschine sei am Freitagmorgen um 6.56 Uhr vom Flughafen Leipzig/Halle abgehoben.
In der Maschine sitzen 28 afghanische Straftäter, die aus verschiedenen Bundesländern nach Leipzig gebracht worden sind. Das Bundesinnenministerium hat die Aktion federführend organisiert.
Deutschland unterhält zu den Taliban-Machthabern in Kabul keine diplomatischen Beziehungen. Nach dem tödlichen Messerangriff von Mannheim Ende Mai hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern nach Afghanistan und auch Syrien wieder zu ermöglichen. Auch der mutmasslich islamistisch motivierte Anschlag von Solingen hat die Abschiebedebatte neu angeheizt.
30.08.2024
Insbesondere die Grünen und auch ihre Aussenministerin Annalena Baerbock hatten sich bislang skeptisch gezeigt bei Abschiebungen nach Afghanistan und davor gewarnt, die islamistische Taliban-Regierung indirekt anzuerkennen.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Stephan Thomae, betonte, der Flug dürfe kein Einzelfall bleiben. «Es muss der erste Fall einer Reihe von Abschiebungen sein. Auch Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan und Syrien dürfen kein Tabu sein.»
Experte fürchtet Ausweitung der Abschiebe-Praxis
Der Afghanistan-Experte Thomas Ruttig befürchtet, dass die Abschiebungen künftig auch auf Afghanen ausgeweitet werden könnten, die nicht zu schweren Straftätern und Gefährdern zählen. Unklar sei auch, wie die in Afghanistan regierenden Taliban mit den abgeschobenen Männer verfahren, und ob sie etwa in Haft gelangen.
«Manche abgelehnte Afghanen könnten abgeschoben werden, bevor sie auch nur die Chance hatten, dagegen zu klagen», sagt Ruttig. Die ungewisse Zukunft des Bundesaufnahmeprogramms, das besonders gefährdeten Afghanen Schutz in Deutschland bieten soll, passe «in die politische Atmosphäre der Abwicklung des deutschen Afghanistan-Engagements», kritisierte der Experte weiter.
Regierung einigt sich auf Sicherheits- und Asylpaket
Als Konsequenz aus der Messerattacke von Solingen hat sich die Bundesregierung auf neue Massnahmen verständigt. So soll unter anderem das Waffenrecht verschärft und Leistungen für bestimmte Asylbewerber gestrichen werden.
30.08.2024
Die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Julia Duchrow, zeigte sich alarmiert: «Menschenrechte haben wir alle – und niemand darf in ein Land abgeschoben werden, wo Folter droht», teilte Duchrow mit. Aussergerichtliche Hinrichtungen, Verschwindenlassen und Folter seien unter den Taliban an der Tagesordnung. Die Regierung riskiere, «sich zur Komplizin der Taliban zu machen».
Wenig Rechte für Frauen in Afghanistan
Seit August 2021 sind in Afghanistan wieder die islamistischen Taliban an der Macht, die international vor allem wegen ihrer massiven Beschneidung von Frauenrechten in Kritik stehen. Insgesamt ist es seit der erneuten Machtübernahme der Taliban zu einem deutlichen Rückgang der bewaffneten Auseinandersetzungen in dem Land gekommen, auch wenn es nach wie vor zu Anschlägen kommt.
Kritiker bemängeln unter der Taliban-Herrschaft ein hartes Vorgehen gegen Menschenrechtler*innen, Demonstrant*innen oder Journalist*innen, denen laut Menschenrechtsorganisationen Verhaftung, Verschwinden oder Folter drohen.
sda/tgab