Internationaler Haftbefehl gegen Putin
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag wirft dem russischen Präsidenten Kriegsverbrechen vor, wegen der Deportation ukrainischer Kinder in die russische Föderation. Russland nannte die Entscheidung des Strafgerichtshofs «bedeutungslos».
17.03.2023
Der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs sei mehr als blosse Symbolpolitik, sagt ein Experte. Doch welche Konsequenzen hat der russische Machthaber Wladimir Putin zu fürchten?
Die «New York Times» hatte wieder einmal den richtigen Riecher. Am Montag berichtete die renommierte US-Zeitung, dass der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag eine Anklage gegen Vertreter*innen der russischen Regierung vorbereite.
Am Freitagnachmittag kam die Eilmeldung über die Nachrichtenticker: Den Haag erlässt einen Haftbefehl gegen Präsident Wladimir Putin und seine Beauftragte für Kinderrechte, Maria Alexejewna Lwowa-Belowa.
Damien Cottier, FDP-Fraktionschef im Nationalrat und Leiter der Schweizer Delegation im Europarat, sagt zu «20 Minuten», dass er somit in zwei Dritteln aller Länder eine Verhaftung riskiert. «Der Haftbefehl ist mehr als nur Symbolik»
Im Zentrum steht der Verdacht auf die Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland. Dieser Praxis habe der Haager Chefankläger Karim Khan schon längere Zeit höchste Aufmerksamkeit gewidmet, berichtete die «Süddeutsche Zeitung» diese Woche. So habe Khan erst vor Kurzem ein Kinderheim im Süden der Ukraine besucht, das mittlerweile komplett leer stehe. Der Brite habe dabei festgehalten, dass die zwangsweise Verschleppung von Kindern aus einem Kriegsgebiet gegen internationales Recht verstosse. «Kinder sind keine Kriegsbeute», hielt er fest.
Wie kam der Haftbefehl zustande?
Russland ist nicht Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofs und hat dessen Statut nicht unterzeichnet. Genauso übrigens China und die USA. Die Sprecherin des Aussenministeriums in Moskau, Maria Sacharowa, hielt erst gerade am Donnerstag fest: Haftbefehle aus Den Haag seien für Russland bedeutungslos.
Wieso der Strafbefehl überhaupt zustande kam? Die Ukraine hat den Gerichtshof explizit dazu ermächtigt, gegen russische Verbrechen vorzugehen, die auf ukrainischem Territorium begangen werden.
Vor einer Anklage schützt sein Amt Putin also nicht. Dass er aus freien Stücken nach Den Haag reist, ist natürlich ausgeschlossen. Doch was bedeutet der Strafbefehl für Länder wie die Schweiz?
Würde die Schweiz den russischen Präsidenten an die Niederlande ausliefern, wenn er dereinst wieder Fuss auf hiesigen Boden setzen würde? Ingrid Ryser vom Bundesamt für Justiz verweist darauf, dass solche Auslieferungsgesuche vertraulich seien und dem Amtsgeheimnis unterstünden. Daher werde man sich nicht zum konkreten Fall äussern.
Schweiz arbeitet eng mit Den Haag zusammen
Aber: Die Schweiz arbeite eng mit dem Strafgerichtshof in Den Haag zusammen: «Grundsätzlich führt sie seine Haftbefehle aus, wenn die betroffenen Personen sich in der Schweiz aufhalten.»
Russland soll Tausende Kinder aus der Ukraine gerissen und ins eigene Land oder in russisch kontrollierte Gebiete gebracht haben. Offiziell unter dem Vorwand, dies diene dem Schutz von Waisenkindern.
Die ukrainische Regierung behauptet, bereits mehr als 16'000 Kinder seien so verschleppt worden. Ermittler des UNO-Menschenrechtsrats konnten diese Zahlen nicht verifizieren. Es gebe aber Hinweise, wonach russische Behörden ukrainische Kinder in Kinderheimen oder Pflegefamilien unterbringen und sie einbürgern würden.