Lagebild Ukraine Coup an Dnjepr, Urozhaines Fall und der Klischtschijiwka-Konter

Von Philipp Dahm

14.8.2023

Ukraine: Warnschüsse auf Frachter «Akt der Piraterie»

Ukraine: Warnschüsse auf Frachter «Akt der Piraterie»

Ein hochrangiger Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat die Warnschüsse auf einen Frachter im Schwarzen Meer nahe der ukrainischen Küste scharf verurteilt. Es handele sich um eine «klare Verletzung des internationalen Seerechts, einen Akt der Piraterie und ein Verbrechen gegen zivile Schiffe eines Drittstaates in den Gewässern eines anderen Staates», schrieb Berater Mychaijlo Podoljak auf der Kurznachrichtenplattform X, vormals Twitter.

14.08.2023

Ukrainische Streitkräfte haben am linken, östlichen Ufer des Dnepr einen zweiten Brückenkopf errichtet und ausserdem das Dorf Urozhaine erobert. Nur aus Klischtschijiwka gibt es schlechte Nachrichten für Kiew.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Ukrainische Spezialeinheiten haben sich in Kosatschi Laheri am Dnjepr-Ufer festgesetzt und führen Operationen durch.
  • Der dort als vermisst gemeldete Major Tomow befindet sich in ukrainischer Kriegsgefangenschaft.
  • Die russische Armee hat in Urozhaine Verluste erlitten, weil die Soldaten zu spät aus dem Gebiet abgezogen worden sind.
  • In Klischtschijiwka hat Moskau einen Gegenangriff durchführen lassen. Das Dorf südlich von Bachmut ist weiter schwer umkämpft.

Wie im letzten Lagebild Ukraine berichtet wurde, sollen ukrainische Spezialeinheiten am linken, östlichen Dnjepr-Ufer nicht nur Kosatschi Laheri überfallen haben, sondern auch nützliches Material erbeutet und Gefangene gemacht haben. Zudem wurde ein russischer Major vermisst.

Nun zeigt sich, dass diese Angaben korrekt sind und dass sich Kiews Kräfte in der Gegend festgesetzt haben. Wolodymyr Selenskyjs Soldaten legen dabei Umsicht an den Tag. Die Aufklärung scheint gut zu funktionieren, legen Angriffe auf Nachschub-Konvois für die russischen Truppen in der Region nahe. Offenbar sind aber auch Munitionsdepots wie dieses nahe Oleschky nicht sicher, das 15 Kilometer südlich von Kosatschi Laheri liegt.

Vielleicht hat ja Major Tomow der ukrainischen Artillerie das Ziel verraten: Der Kommandeur einer Aufklärungseinheit ist mit seinen Leuten vor den Toren von Kosatschi Laheri gefangen genommen worden, als die Ukrainer den Ort am anderen Dnjepr-Ufer überraschend angegriffen haben. Nun arbeitet er mit ihnen zusammen, wie ein aktuelles Video zeigen soll.

Die ukrainische Armee hat sich derweil in der Siedlung festgesetzt und verfügt nun über einen zweiten Brückenkopf am Fluss – neben dem an der zerstörten Antonowski-Brücke. Der kann zwar nicht mit Nachschub von schwerem Gerät, aber durch Infanterie, die mit Schnellbooten nachgeführt werden kann, und durch Artillerie von der anderen Uferseite unterstützt werden.

Moskau zieht zu spät aus Urozhaine ab

Vom Oblast Cherson wechseln wir nach Saporischschja: Kiews Kräfte haben den Ort Robotyne erreicht, die Gefechte dort halten an. 80 Kilometer nordöstlich ist die ukrainische Armee dagegen schon weiter: Nachdem sie Urozhaine von drei Seiten am Boden wie auch aus der Luft attackiert hat, mussten sich die dortigen Verteidiger zurückziehen.

Doch offenbar hat Moskau mit dem Rückzug zu lange gewartet. Das Problem ist, dass es nur im Norden der Siedlung Schützengräben gibt. Nachdem der Gegner diese mit Panzer-Unterstützung einnimmt, hat die russische Infanterie sich mit der Evakuierung Zeit gelassen. Drohnenbilder zeigen, wie sich eine Gruppe russischer Soldaten sammelt, nur um dann mit Cluster-Munition angegriffen zu werden – mit fatalen Folgen.

Das Vorgehen von Selenskyjs Truppen ist dabei dasselbe, wie es Putins Leute etwa in Bachmut oder Soledar vorgemacht haben: Erst zerstört die Artillerie möglichst alle Gebäude, damit die Infanterie später beim Einrücken keine Probleme mit verschanzten Gegnern hat. Die betroffenen Siedlungen werden also samt und sonders dem Erdboden gleichgemacht.

Kreml wehrt sich in Klischtschijiwka mit aller Macht 

Die Russen ziehen sich in diesem Frontabschnitt nun nach Zavitne Bazhannya zurück. Die Siedlung besteht zwar nur noch aus ein paar Dutzend Häusern, wird aber zum einen aus einer Schleife des Flusses Mokri Jaly und durch einen Kanal in Ost-West-Richtung geschützt. Zavitne Bazhannya ist das letzte Hindernis vor dem Dorf Staromylniwka, das ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt auf dem Weg nach Mariupol ist.

Rot markiert: Urozhaine. Nördlich davon (die Blickrichtung des Ausschnitts ist nach Osten) am Mokri Jaly liegen Zavitne Bazhannya und Staromylniwka. Zwischen dem letztgenannten Dorf und der ersten festen Verteidigungslinie der Russen legen aber immer noch knapp sieben Kilometer.
Rot markiert: Urozhaine. Nördlich davon (die Blickrichtung des Ausschnitts ist nach Osten) am Mokri Jaly liegen Zavitne Bazhannya und Staromylniwka. Zwischen dem letztgenannten Dorf und der ersten festen Verteidigungslinie der Russen legen aber immer noch knapp sieben Kilometer.
Bild: Google Earth

Während Urozhaine der ukrainischen Gegenoffensive nicht standhalten konnte, wehrt sich der Kreml südlich von Bachmut mit Händen und Füssen gegen den Verlust von Klischtschijiwka, in das Kiews Soldaten bereits vorgedrungen waren. Dank des Nachzugs von Kräften von der Swatowe-Kreminna-Front konnte Moskau hier zum Gegenangriff übergehen.

Klischtschijiwka ist nun erneut umkämpft, nachdem Schützenpanzer und Panzer die ukrainischen Truppen zurückgedrängt haben. Diese geniessen jedoch den Vorteil, von der durch den Wald geschützten Anhöhe im Westen des Dorfes die Russen unter Feuer nehmen zu können. Da Klischtschijiwka für die russische Verteidigung in dem Gebiet augenscheinlich unverzichtbar ist, werden die schweren Gefechte hier anhalten.

Military Lab zeigt auf, wie – und wo – der russische Gegenangriff einzuordnen ist.
Military Lab zeigt auf, wie – und wo – der russische Gegenangriff einzuordnen ist.
Bild: YouTube/Military Lab

Im Norden nichts Neues

Im nördlichsten Frontabschnitt gibt es keine Bewegung. Der russische Vormarsch auf Kupjansk stockt. Dass Kiew einige Siedlungen der Region zur Evakuierung aufgerufen hat, ist angeblich nicht dem Gegner geschuldet. Es soll eine Massnahme sein, um besser gegen das geheime Einsickern von russischen Soldaten vorgehen zu können.

Mit Blick auf Kupjansk kommt die russische Armee nicht voran. Gebiet, das im Juli mit viel Aufwand erobert wurde, mussten Moskaus Männer wieder abgeben (blau), nachdem sich die ukrainische Armee zurückgezogen, neu formiert und wieder angegriffen hat.
Mit Blick auf Kupjansk kommt die russische Armee nicht voran. Gebiet, das im Juli mit viel Aufwand erobert wurde, mussten Moskaus Männer wieder abgeben (blau), nachdem sich die ukrainische Armee zurückgezogen, neu formiert und wieder angegriffen hat.
Bild: Deep State Map

Generell bleibt Kiew bei der Strategie, gezielt den russischen Nachschub anzugreifen, aber auch Moskaus Artillerie zu zerstören. Das kann einerseits mit Streumunition gemacht werden, was mitunter eindrückliche Schockwellen nach sich zieht ...

... oder mit Himars-Salven, die beeindruckend präzise treffen.