Proteste in Berg-Karabach gegen Blockade von Landverbindung nach Armenien
In der umstrittenen Grenzregion Berg-Karabach haben tausende Menschen gegen eine Blockade der einzigen Landverbindung zu Armenien durch aserbaidschanische Aktivisten protestiert.
26.12.2022
Aserbaidschan blockiert seit Wochen die einzige Verbindungsstrasse in die armenische Exklave Bergkarabach. Dort spitzt sich die Versorgungslage zu. Die alte Schutzmacht Russland greift nicht ein.
Zuletzt schepperte es im September 2022, nachdem zuvor 2020 ein vier Monate dauernder Krieg Tausende Tote forderte: Immer wieder gibt es Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan.
Doch während Eriwan einst noch erfolgreich aus diesen Konflikten hervorgegangen ist, sieht die Lage heute gänzlich anders aus. Baku beutet heute enorme Öl- und Gasreserven aus. Mit den Erträgen hat der autokratische Präsident Ilham Älijew das Militär stark ausgebaut.
Im Krieg vor zweieinhalb Jahren konnte Aserbaidschan dann auch die Bedingungen für einen Frieden diktieren. Doch die Exklaven, die beide Staaten im jeweils andere Land haben, werden immer wieder zum Grund oder Vorwand für eine erneute Eskalation.
Lebensader blockiert
Die aktuelle Situation wird vom Krieg in der Ukraine beeinflusst. Russland, die klassische Schutzmacht Armeniens, hat an Einfluss verloren. Eriwan nimmt Moskau übel, dass der Kreml nicht über die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit eingegriffen hat, als es vor vier Monaten zu Grenzgefechten kam.
Armenien hat Konsequenzen daraus gezogen: Man werde dieses Jahr nicht wie geplant ein Manöver unter russischer Führung abhalten. Damit reagiert Premier Nikol Paschinjan auf Wladimir Putins Passivität, was den anhaltenden Konflikt angeht. Und nun droht dieser Krisen-Kessel erneut überzukochen.
Diesmal geht es um die Lachin-Korridore, die vom armenischen Kernland nach Bergkarabach alias Nagorno-Karabach führen: Nur eine Strasse versorgt die rund 120'000 Armenier in der Exklave, die eigentlich von russischen Friedenstruppen bewacht werden sollten. Doch seit Monaten gibt es hier Scharmützel: «Der Westen muss handeln, um einen Krieg abzuwenden», schlägt «Foreign Policy» vor gut zwei Wochen Alarm.
Rationierungen und Blackouts in Bergkarabach
Die EU hält sich jedoch auffallend zurück: Sie erhöht stattdessen ihre Energie-Importe aus Aserbaidschan, um russische Importe zu ersetzen. Alleine die USA bieten Baku die Stirn und fordern zuletzt immer wieder die Öffnung des Lachin-Korridors. Aserbaidschan kontert, für humanitäre Konvois sei die Strasse sehr wohl freigegeben.
Doch die Lage in Bergkarabach verschlimmert sich zusehends: Die seit Wochen dauernde Blockade hat nun dazu geführt, dass Nahrungsmittel rationiert werden müssen, berichtet «EurasiaNet». Auch die Gasverbindung sei unterbunden worden.
Ausserdem könne zerstörte Stromkabel, die durch den Korridor führen, nicht repariert werden. Sie verlaufen durch das Gebiet, das seit August 2022 aserbaidschanisch ist. Weil die Gegenseite nicht koopereiere, komme es nun zu Blackouts in der armenischen Exklave.
«Künstliche geschaffenes Desaster»
«Das Gesundheitssystem läuft im Notfall-Modus, warnt Ärztin Karen Baziyan. «Noch arbeiten die Spitäler dank der Hilfe des Internationalen Roten Kreuzes. Aber wenn sie nichts mehr liefern, werden wir nicht mehr operieren können. Es ist ein künstlich geschaffenes Desaster.»
Eine Änderung ist aber nicht in Sicht. Im Gegenteil: Machthaber Älijew hat in nationalen Medien angeblich gesagt, wer nicht in Bergkarabach bleiben wolle, werde nicht daran gehindert zu gehen. Damit gebe er zu, dass «das ultimative Ziel der Aktionen ist, den Armeniern in Bergkarabach die Chance zu nehmen, in ihrer eigenen Heimat zu leben«, klagt Vahan Hunanyan, Sprecher der Aussenministeriums in Eriwan.
Und Russland? Moskau wirft nun Armenien vor, selbst an der Situation schuld zu sein, weil Eriwan Friedensgespräche mit der Gegenseite abgebrochen hat. Es ist das «neueste Zeichen» de Bruches zwischen den früheren Sowjetrepubliken, stellt «Al Jazeera» fest.