Satan, Kannibalen und PädophilieBrasiliens dreckiger Wahlkampf
Von Martina Farmbauer
29.10.2022 - 15:19
Lula oder Bolsonaro: Brasilien hat die Wahl
Endspurt in Brasilien: Kommt Luiz Inácio Lula da Silva zurück an die Macht, oder bleibt Jair Bolsonaro Präsident? Das sollen die Bürgerinnen und Bürger bei der Stichwahl am kommenden Sonntag entscheiden. Dabei ist das politische Klima im grössten
26.10.2022
Vor der Stichwahl um das Präsidentenamt in Brasilien gehen die Angriffe im Wahlkampf weiter unter die Gürtellinie. Die digitalen Armeen von Bolsonaro und Lula überziehen die Brasilianer mit Fake News.
Von Martina Farmbauer
29.10.2022, 15:19
Martina Farmbauer
Kurz vor der Präsidentenwahl in Brasilien scheinen alle Hemmungen zu fallen: Das Team des rechten Amtsinhabers Jair Bolsonaro vergleicht seinen linken Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva mit dem Teufel und rückt ihn in die Nähe eines mächtigen Verbrechersyndikats. Lulas Wahlkämpfer keilen zurück: Sie stellen den Staatschef als Kannibalen und Pädophilen dar.
Lula hat am 2. Oktober die erste Runde der Präsidentenwahl im grössten Land in Lateinamerika überraschend knapp vor Bolsonaro gewonnen. Vor der Stichwahl am Sonntag ist das Rennen völlig offen – und beide Kandidaten kämpfen derzeit mit fast allen Mitteln um jede Stimme.
Im Endspurt sind die Angriffe in einem ohnehin schon erbitterten Wahlkampf noch schmutziger geworden. Lulas Team reagiere auf Bolsonaros Taktik inzwischen mit einer ähnlichen Strategie, sagt Professor Carlos Melo von der Insper-Hochschule in São Paulo. «Es ist nur natürlich, dass in solch einem Krieg am Ende alle mitmachen.»
Die Stimmung im Land ist aufgeheizt, die Bevölkerung gespalten. Die Risse gehen durch Familien, Freundesgruppen und Nachbarschaften. «Wir vermeiden das Thema Politik, um weiter gut miteinander auszukommen», sagt etwa die Bolsonaro-Anhängerin Claudia Pizarro Motta Barrozo.
«Die Reichweite von Fake News ist grösser»
Als sie und ihr Sohn Diego doch einmal darüber sprechen, entsteht schnell eine hitzige Debatte. Der Lula-Wähler sagt: «Ich habe es mir zwar schon gedacht, aber ich bin jetzt wirklich schockiert, zu hören, welche Positionen meine Mutter vertritt.» Ihre Informationen bezieht Motta vor allem aus WhatsApp-Gruppen für Bolsonaro-Anhänger.
Soziale Medien sind in Brasilien sehr wichtig, viele Menschen beziehen ihre Informationen über Politik ausschliesslich dort. In den sozialen Netzwerken geht es aber nicht um politische Ziele oder Pläne der Kandidaten, sondern um Anschuldigungen und Verschwörungstheorien, um Moral, Glaube und Sex.
«Die Reichweite von Fake News ist grösser ist als die von realen Informationen und Lügen scheinen mehr Interaktionen zu generieren als Fakten», erklärt die Leiterin der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung in Brasilien, Anja Czymmeck.
Lula muss Pakt mit dem Teufel dementieren
Je näher die Wahl rückt, desto heftiger wird das mediale Trommelfeuer. Gegen die Schlammschlacht im Internet wirken die TV-Debatten, in denen Bolsonaro und Lula sich mit Vorwürfen überziehen und gegenseitig als Lügner bezeichnen, schon fast gesittet. Durch die immer bizarreren Vorwürfe in den sozialen Netzwerken sieht sich Lula etwa dazu genötigt, öffentlich klarzustellen, er sei keinen Pakt mit dem Teufel eingegangen.
Bolsonaro wiederum sprach in einem Interview von der angeblichen Anziehung zwischen ihm und venezolanischen Teenagern, die er für Prostituierte hielt – es folgte ein Sturm der Entrüstung. Eigentlich wollte der rechte Staatschef wohl davor warnen, Brasilien könnte im Falle eines Wahlsiegs von Lula das gleiche Schicksal drohen wie dem sozialistischen Krisenstaat Venezuela.
Doch das ging nach hinten los: Die Lula-Seite verbreitete das Video genüsslich im Internet und Bolsonaro musste schliesslich beteuern, er sei kein Pädophiler.
Sex, Gewalt und Bots
Die Themen Sex, Gewalt und Gender gehören eigentlich zu den Klassikern im Waffenarsenal von Bolonaros Internet-Trollen. Sein Sohn Carlos orchestriert den Info-Krieg in den sozialen Netzwerken und stützt sich dabei auf die Anhänger des Präsidenten, aber auch auf Bots.
Die Hälfte der Retweets zur Unterstützung Bolsonaros am ersten offiziellen Wahlkampftag im August stammten von automatisierter Software, stellten Wissenschaftler fest. Bei Lula waren es etwa 25 Prozent.
«Damit soll die öffentliche Meinung getäuscht werden, um bestimmte Personen zu diskreditieren oder gut da stehen zu lassen», sagt Karina Santos vom Institut für Technik und Gesellschaft in Rio de Janeiro. «Das kann sich direkt auf die Wahlentscheidung auswirken, was besorgniserregend ist.»
Würde Bolsonaro eine Wahlniederlage anerkennen?
Experten befürchten, Bolsonaro könnte seine digitale Armee auch einsetzen, um das Ergebnis bei einer knappen Niederlage in Frage zu stellen. Ex-Präsident Lula stellt sich hingegen als Retter der Demokratie dar. Den schmutzigen Teil der Wahlkampagne überlässt er seinem Mann fürs Grobe.
Das Team um den Abgeordneten Andre Janones, der auf Instagram zwei Millionen Follower hat, streut immer wieder zum Teil Jahre alte Videos, die Bolsonaro in ein schlechtes Licht rücken. Ein Video soll den Präsidenten bei den Freimaurern zeigen, in einem Ausschnitt aus einem Interview mit der «New York Times» erzählt Bolsonaro wiederum, er hätte fast einen Indigenen gegessen.
Bolsonaro-Anhänger vor Stichwahl verärgert über Gerichtsbeschluss
Anhänger des aktuellen brasilianischen Präsidenten und Kandidaten für die Wiederwahl Jair Bolsonaro haben am Dienstagabend gegen angebliche Zensur protestiert, nachdem ein Gericht des südamerikanischen Landes angekündigt hatte, härter gegen Falschinformationen vorzugehen. Demonstranten schwenkten Nationalflaggen sowie Plakate, auf denen stand, dass sie die Anordnung des Gerichts ablehnten. Ihrer Ansicht nach würde dadurch die Rede- und Meinungsfreiheit eingeschränkt.
28.10.2022
Den wildesten Auswüchsen der Schlammschlacht im Internet will die Justiz jetzt einen Riegel vorschieben. Das Oberste Wahlgericht kann anordnen, dass soziale Netzwerke und Wahlkampfteams «Fake News» innerhalb von zwei Stunden entfernen müssen.
Anhänger von Bolsonaro werten das als Angriff auf die Meinungsfreiheit und protestierten zuletzt mit zugeklebten Mündern gegen die angebliche Zensur. Doch selbst wenn einige Falschinformationen tatsächlich gelöscht werden: Kurz vor der entscheidenden Wahl in Brasilien scheint die Flut aus Hass, Verleumdung und Verschwörungstheorien im Netz nicht abzuebben.
USA: Erfolgreicher Test zum Abfangen ballistischer Raketen vor Guam
Laut Angaben des Pentagons konnte ein Erfolg bei der Entwicklung der US-Verteidigungsfähigkeit gefeiert werden. Wie das Militär am Dienstag mitteilte, war es der Missile Defense Agency bei einem Test vor der im westlichen Pazifik gelegene Insel Guam gelungen, erstmals eine luftgestützte Mittelstreckenrakete abzufangen. Das US-amerikanische Aussengebiet Guam ist ein strategischer und militärischer Aussenposten, der näher an China als an Hawaii liegt. Guam spielt eine wichtige Rolle in der Region, unter anderem auch bei der Abschreckung potenzieller Gegner. Der erfolgreiche Test des US-Militärs unterstreicht das Bemühen des Pentagons, Guams Verteidigung auch gegen eine wachsende Bedrohung durch Raketenbeschuss zu stärken.
12.12.2024
Syrien-Rückkehrer hoffen auf ein besseres Leben
Syriens neuer Interimsregierungschef Mohammed al-Baschir hat vor zu grossen Hoffnungen auf eine rasche Besserung der allgemeinen Lage im Land gewarnt. In den Kassen gebe es nur syrische Pfund, die wenig oder nichts wert seien, sagte er in einem Interview mit einer italienischen Zeitung. Finanziell gehe es dem Land sehr schlecht. Dessen ungeachtet versprach Baschir, Millionen ins Ausland geflüchteter Syrer in die Heimat zurückzuholen.
12.12.2024
Türkei greift Waffen-Transport der kurdischen YPG-Miliz in Nord-Syrien an
Laut Angaben des türkischen Geheimdienstes vom Dienstag sind von der Türkei zwölf mit Raketen und schweren Waffen beladenen Lastwagen der kurdischen YPG-Miliz im Nordosten Syriens zerstört worden. Dazu wurde ein entsprechendes Video veröffentlicht, dass zudem auch Angriffe auf ein Militärgelände in der Nähe des Flughafens Kamischli zeigen soll. Der Standort dieser Aufnahmen wurde von der Nachrichtenagentur Reuters anhand der Gebäude, Bäume und Strassenführungen überprüft, die mit Satellitenbildern übereinstimmen.
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