Spionage, Sabotage, PropagandaBND warnt Putin: Hybrider Krieg kann Bündnisfall auslösen
Von Philipp Dahm
29.11.2024
Merkel verteidigt ihre Ukraine-Politik: Das war «auf jeden Fall richtig»
Wäre die Geschichte anders gelaufen, wenn die Nato der Ukraine schon 2008 den Weg zur Mitgliedschaft geebnet hätte? Die damalige Kanzlerin Merkel war dagegen – und findet das weiter richtig. Das gilt insbesondere für ihre Weigerung, der Ukraine schon beim Nato-Gipfel in Bukarest 2008 den Weg in das westliche Militärbündnis zu ebnen. «Ich komme auch nach eingehender Prüfung dazu, dass es auf jeden Fall richtig war und gute Gründe gab.» Das sagt Merkel im Podcast von Anne Will.
28.11.2024
Der Bundesnachrichtendienst sieht zunehmende hybride Angriffe Russlands auf Deutschland und die Nato. Präsident Wladimir Putin wolle auch die Bündnisbereitschaft in der Nato testen, glaubt der BND.
Von Philipp Dahm
29.11.2024, 04:30
29.11.2024, 04:32
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Russlands hybride Kriegsführung könnte den Nato-Bündnisfall auslösen, warnt der Chef des BND den Kreml.
Wladimir Putin habe entsprechende Massnahmen gegen Deutschland und die Nato verstärkt, sagt Bruno Kahl.
Beschädigte Datenkabel in der Ostsee: Schweden glaubt, ein chinesisches Schiff sei 160 Kilometer mit dem Anker am Grund gefahren.
Die Yi Peng 3 wird von verschiedenen Schiffen im Kattegat bewacht. Es laufen Verhandlungen mit Peking, um das Schiff zu untersuchen und die Crew befragen zu können.
Fälle von Drohnenspionage häufen sich: Betroffen sind deutsche und amerikanische Basen sowie ein britischer Flugzeugträger, aber auch kritische Industrieanlagen.
Sabotage von Flugfracht: Der Absturz einer DHL-Maschine in Litauen könnte auf einen technischen Mangel zurückzuführen sein.
Wahl-Beeinflussung: Nach Moldawien und den USA stehen Rumänien und Deutschland im Fokus.
«Nukleares Geraune»: Moskau will mit Atom-Drohungen die Nato spalten, glaubt BND-Chef Kahl.
Der Chef des deutschen Auslandsnachrichtendienstes BND warnt davor, dass Wladimir Putin mit seinen Manipulationsversuchen im Westen einen Krieg auslösen könnte. «Der umfassende Einsatz hybrider Massnahmen durch Russland erhöht das Risiko, dass die Nato am Ende erwägt, ihre Klausel zur gegenseitigen Verteidigung nach Artikel 5 geltend zu machen», wird Bruno Kahl zitiert.
Der 62-Jährige warnte bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin vor zunehmenden russischen Angriffen auf Deutschland und die Nato. Die Bereitschaft Moskaus zur weiteren Eskalation in diesem Bereich habe ein bisher unbekanntes, hohes Niveau erreicht. Eine weitere Verschärfung der Lage sei wahrscheinlich.
Mit dem Aufwuchs des russischen Militärpotenzials werde zudem «eine direkte militärische Konfrontation mit der Nato zu einer möglichen Handlungsoption für den Kreml». Russlands Streitkräfte würden wohl ab Ende des Jahrzehnts personell und materiell in der Lage sein, einen Angriff gegen die Nato durchzuführen.
Was aber sind die hybriden Massnahmen, die im Raum stehen? Hier eine Übersicht über die aktuellen Brennpunkte.
Die Ostsee als «Hochrisiko»
Schwedens Premier trifft sich erst mit Vertretern der nordeuropäischen und baltischen Staaten – und erklärt anschliessend im «Guardian» die Ostsee zur «Hochrisiko»-Zone. Gleichzeitig will Ulf Kristersson aber dezidiert keine Spekulationen anstellen, wer hinter dem jüngsten Bruch zweier Datenkabel in der Ostsee steckt.
Ein Schelm, wer seine Aussage mit dem aktuellen Vorfall in Verbindung bringt: Der Verursacher könnte das chinesische Schiff Yi Peng 3 sein, dessen Positionsdaten auffällig genau zu den Beschädigungen der Kabel passen, die am 17. und 18. November festgestellt worden sind. Seit dem 19. November liegt der Massengutfrachter im Kattegat vor Anker.
Dass die Europäer misstrauisch sind, zeigt ein Blick in die Datenbank MarineTraffic: Die Yi Peng 3 wird sowohl von den dänischen als auch von den deutschen Behörden bewacht. Mit der Bad Düben ist ein Patrouillenboot der Bundespolizei ebenso vor Ort wie die P525 Rota der Königlich Dänischen Marine. Auch finnische Behörden ermitteln in der Sache.
Stockholm möchte laut Reuters gerne, dass die Yi Peng 3 in schwedische Hoheitsgewässer für eine Untersuchung zurückkehrt. Die schwedischen Behörden gehen nach ersten Ermittlungen davon aus, dass die Yi Peng 3 ihren Anker über eine Entfernung von mehr 160 Kilometern über den Meeresboden gezogen hat, weiss das «Wall Street Journal».
Dass die Crew das und den folgenden Geschwindigkeitsverlust nicht bemerkt hat, scheint unwahrscheinlich. Fraglich ist, ob auch Russen an Bord sind: Bisher hat China einer Kontrolle und Befragung der Mannschaft nicht zugestimmt.
Drohnenspionage
Dass Drohnen vermehrt über sensible Einrichtungen in Deutschland fliegen, ist bekannt. Während es 2021 nur neun solcher Sichtungen gab, waren es 2022 schon 172. 2023 ist die Zahl auf 450 in die Höhe geschnellt, meldet die deutsche «Tagesschau».
Die Ziele sind nicht bloss Kasernen oder Militärflugplätze: So wurden etwa auch über dem ChemCoast Park im norddeutschen Brunsbüttel Drohnen entdeckt. Andere Beispiele sind Sichtungen über einem Kernkraftwerk oder einem Gasterminal.
Auch Verbündete, die Deutschland besuchen, geraten ins Visier: Als Grossbritanniens neuester Flugzeugträger in den Hamburger Hafen eingefahren ist, wurde am 22. November eine 1,5 mal 1,5 Meter grosse Drohne nahe dem Liegeplatz erspäht. Sie wurde durch Jammer vom Typ HP-47 vom Himmel geholt, berichtet «Bild».
Der Flugzeugträger HMS Queen Elisabeth der @RoyalNavy legte im Hamburger Hafen an. Die #Heimatschützerinnen der #Bundeswehr sicherten hier erstmalig in einem realen Szenario. Ein wichtiges Signal der internationalen Zusammenarbeit und zur Einsatzbereitschaft der Truppe des #TFK. pic.twitter.com/n4XDCoz5fy
— Territoriales Führungskommando (@TFK_Bundeswehr) November 19, 2024
Doch auch in Grossbritannien selbst und in den USA besteht das Problem. Auf der Insel laufen Untersuchungen, nachdem bei gleich vier US-Basen im Vereinigten Königreich Drohnen gesichtet worden sind. Die britische Verteidigungsministerin Maria Eagle kündigte an, dass die Hinterleute «die volle Härte des Gesetzes» zu spüren bekommen werden.
Flugfracht-Sabotage
Anfang November macht das «Wall Street Journal» öffentlich, dass westliche Sicherheitskräfte zwei Fälle aufgedeckt, in denen Russland versucht haben soll, Brandsätze in Logistikzentren der DHL zu platzieren. Sie sind demnach im Juli in Birmingham, Grossbritannien, und im deutschen Leipzig entdeckt worden. US-Behörden hätten deshalb ihre Kontrollen an den Flughäfen ausgebaut, ergänzt NBC News.
Als am 25. November dann ein DHL-Frachtflugzeug beim Vilnius in Litauen abstürzt, das auch noch aus Leipzig gekommen ist, wirft das natürlich Fragen auf. Erste Ermittlungen deuten aber nicht auf eine Straftat hin, sagt laut Reuters der litauische Verteidigungsminister. «Es gibt keine Zeichen für einen Akt der Sabotage», fasst Laurynas Kasciunas zusammen.
Es gebe keine Hinweise auf einen Einschlag vor dem Absturz oder für Rauch oder etwaige Gerüche an Bord, die auf einen Anschlag hinweisen würden. Stattdessen gehen die litauischen zunächst von einem technischen Versagen aus, das den Crash verursacht hat.
Beeinflussung von Wahlen
Vor den US-Wahlen hat das FBI mehrfach Fake Videos aus Russland enttarnt und vor Moskaus Einflussversuchen gewarnt. Auch BND-Präsident Kahl rechnet mit Einflussversuchen auf die vorgezogene Bundestagswahl im Februar. Der Wahlprozess selbst sei zwar kaum zu beeinflussen, aber man habe schon bei den bisherigen Abstimmungen «eine Beteiligung Russlands am politischen Meinungsbildungsprozess gesehen».
Im Kreml würden Themen in Deutschland wie Corona oder Klima genau analysiert und gesellschaftliche Konflikte darüber geschürt, sagte Kahl. Am rechten und linken Rand des politischen Spektrums werde dann «naiv nachgeplappert», was vorgegeben werde. «Natürlich hat das Auswirkungen auf die Wahlen, auf die Wahlergebnisse.»
Auch bei den richtungsweisenden Wahlen in Moldawien soll der Kreml versucht haben, zu manipulieren. Ähnliche Vorwürfe wurden in Rumänien laut, wo ein rechter, prorussischer Kandidat die Stichwahl erreicht hat.
«Nukleares Geraune»
Nach Einschätzung der BND-Experten hegten hochrangige Offizielle im russischen Verteidigungsministerium offenbar Zweifel daran, ob die Nato-Beistandsverpflichtungen und die erweiterte Abschreckung der USA für Europa im Ernstfall halten würden.
«Derzeit liegen zwar noch keine Hinweise zu konkreten Kriegsabsichten Russlands vor», sagt BND-Chef Kahl. «Aber wenn solche Ansichten überhandnehmen in der Regierungszentrale Moskaus, wächst in den kommenden Jahren das Risiko einer militärischen Auseinandersetzung.» Dabei stünde dann «sicher nicht eine weiträumige Landnahme im Fokus».
Vielmehr zielten der russische Präsident Wladimir Putin und die russische Führung nach BND-Einschätzung auf ein Scheitern der Nato als Verteidigungsbündnis ab. Vor einem Krieg mit der Nato werde der Kreml wahrscheinlich zunächst Europa drohen – «das immer mal wieder zu hörende nukleare Geraune gehört da auch zu», sagte Kahl.
Russland wolle die Beistandsbereitschaft vor einer Auseinandersetzung testen und einzelne Alliierte von den gemeinsamen politischen Linien und von einer Verteidigung abbringen. Moskau würde damit versuchen, die Nato noch vor einem möglichen Kriegsbeginn zu spalten, warnte der BND-Chef. «Der Kreml geht wahrscheinlich davon aus, dass der Westen in einer von multiplen Konflikten geprägten Welt Schwierigkeiten hat, die richtigen gemeinsamen Antworten zu finden», fügte er hinzu.
Mit Material von dpa.
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