«Gefährliche Politik»Chinesen und Amerikaner decken sich mit Vorwürfen ein
Von Sven Hauberg
26.7.2021
Der Ton ist knallhart, die Themen drängen: In China ist es zum Schlagabtausch zwischen Peking und Washington gekommen.
Von Sven Hauberg
26.07.2021, 15:34
26.07.2021, 16:33
Von Sven Hauberg
Es ist das ranghöchste Treffen zwischen Vertretern der USA und Chinas – und dennoch dürften von den Akteuren, die seit Montag im chinesischen Tianjin aufeinandertreffen, wohl nur die wenigsten bislang gehört haben.
Nicht etwa Aussenminister Antony Blinken ist in die Millionenstadt an der chinesischen Ostküste gereist, um über die vielen offenen Fragen zu diskutieren, die seit Längerem im diplomatischen Raum stehen. US-Präsident Joe Biden hat vielmehr Wendy Sherman auf die heikle Mission geschickt, Blinkens Stellvertreterin.
Gleich zu Beginn des auf zwei Tage angesetzten Treffens setzte die chinesische Seite den Ton. Vizeaussenminister Xie Feng forderte, die USA müssten ihre «höchst fehlgeleitete Denkweise und gefährliche Politik» gegenüber der Volksrepublik ändern. Die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua zitierte Feng ausserdem mit der Aussage, die Beziehungen zwischen beiden Ländern befänden sich in einer Sackgasse.
Letzterem dürfte die nach Tianjin gereiste Sherman wohl zustimmen. Wie schlecht es um die Beziehungen zwischen Peking und Washington steht, konnte man zuletzt im März beobachten, als sich US-Aussenminister Blinken und Mitglieder einer chinesischen Delegation in Alaska vor laufenden Kameras einen höchst undiplomatischen Schlagabtausch lieferten.
Streitpunkt Wirtschafspolitik
Auch wenn sich die neue US-Regierung in vielen Punkten von ihren Vorgängern unterscheidet, teilt man doch den kritischen Blick auf den Rivalen aus Fernost. So kritisiert Biden ähnlich offen wie einst Trump die aus US-Sicht unfaire Handelspolitik der Chinesen. Denn obwohl sich der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping zum Advokaten eines freien Welthandels aufgeschwungen hat, diskriminiert Peking ausländische Unternehmen im eigenen Land nach wie vor. Der Westen wiederum ist im Zuge der Corona-Krise zu der Erkenntnis gekommen, dass er seine Wirtschaft ein Stück weit unabhängig machen muss von chinesischen Unternehmen.
Vize-Minister Xie betonte in Tianjin derweil die Notwendigkeit einer Kooperation zwischen beiden Ländern und sprach von einer Win-win-Situation. Was nicht verwundert, denn noch ist China wirtschaftlich stark abhängig vom Aussenhandel, trotz aller Bemühungen, auch den Binnenmarkt anzukurbeln. Und ohne wirtschaftliches Wachstum könnte auch die Kommunistische Partei, die unlängst den 100. Jahrestag ihrer Gründung feierte, ihre Machtbasis verlieren, wie die China-Expertin Mareike Ohlberg unlängst im Interview mit «blue News» sagte.
Anders als noch die Trump-Regierung, die vor allem um wirtschaftliche Fragen kreiste, haben Biden und sein Aussenministerium die Menschenrechtsfrage immer wieder angesprochen – so auch jetzt in Tianjin.
Vor allem das chinesische Vorgehen in der Provinz Xinjiang, in der sich Berichten zufolge Hunderttausende Angehörige der muslimischen Minderheit der Uiguren in Umerziehungs- und Gefangenenlagern befinden, stösst in den USA immer wieder auf heftige Kritik.
Die Reaktion der chinesischen Seite auf die Vorwürfe war wenig überraschend. Xinhua zitierte Vize-Aussenminister Xie mit der Aussage, die USA seien angesichts ihrer eigenen Menschenrechtsprobleme nicht qualifiziert, der chinesischen Seite Demokratie und Menschenrechte zu diktieren.
Auch die Unterstützung der USA für die Demokratiebewegung in Hongkong sowie für Taiwan wies Peking als unerlaubte Einmischung zurück. Vorwürfe Washingtons, China sei für einen Hackerangriff auf den Software-Riesen Microsoft verantwortlich, bezeichnete die chinesische Regierung als «fingiert».
Grosser Gesprächsbedarf
Sherman, die während ihrer China-Visite nicht in die Hauptstadt Peking reisen wird, sagte der Nachrichtenagentur AP nach der ersten Gesprächsrunde, als Weltmacht müsse man auch auf globaler Ebene Verantwortung übernehmen, abseits bestimmter Differenzen. Gleichzeitig mahnte sie eine Zusammenarbeit bei der Klimapolitik und im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie an.
Während ein Besuch von John Kerry, dem Klimaschutzbeauftragten der Biden-Regierung, im April nur wenig Konkretes ergab, immerhin aber eine Gesprächsgrundlage schuf, stehen die Zeichen beim Thema Corona-Pandemie auf Konfrontation. Die Theorie, laut der das Virus aus einem chinesischen Labor stammen könnte, wies Peking auch jetzt zurück, wie Aussenministeriumssprecher Zhao Lijian laut AP sagte.
Stattdessen konfrontierte die chinesische Delegation die US-Seite mit einem langen Katalog an Forderungen, darunter die Rücknahme der Visa-Beschränkungen für Mitglieder der Kommunistischen Partei. Dass die USA dem nachkommen werden, gilt allerdings als unwahrscheinlich.
Wann die Gespräche zwischen China und den USA auf der allerhöchsten Ebene fortgesetzt werden, ist offen. Ein erstes Treffen zwischen Xi Jinping und Joe Biden könnte aber möglicherweise schon im Oktober stattfinden – am Rande des G20-Gipfels in Rom. Zu besprechen gäbe es einiges.