Erschöpfte Grossmacht Aufruhr in Syrien und Georgien lässt Putin alt aussehen

Von Philipp Dahm

3.12.2024

Rebellen zeigen Assads gestürmtes Anwesen

Rebellen zeigen Assads gestürmtes Anwesen

In Aleppo sollen Rebellen den Palast von Baschar al-Assad gestürmt haben. Aufnahmen zeigen das Innenleben der Residenz.

02.12.2024

Baschar al-Assad kämpft in Syrien um den Machterhalt – und Wladimir Putin kann ihm nicht helfen. Auch die Proteste in Georgien zeigen, dass der Kreml durch den Krieg in der Ukraine schwächer ist als früher.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die russischen Basen in Syrien sind für Moskau wichtig: Fallen sie weg, fehlt ein mediterranes Sprungbrett – und Wladimir Putins Einfluss im Nahen Osten schwindet deutlich.
  • Die Rebellen-Offensive könnte sogar einen chaotischen Abzug der Russen zur Folge haben – wie bei der US-Armee in Afghanistan.
  • Sollte Baschar al-Assad gestürzt werden, würde auch Russlands Alliierter Iran seinen Einfluss am Mittelmeer verlieren.
  • Die Proteste in Georgien erinnern den Kreml an den «Maidan in der Ukraine» – doch offenbar fehlt es Putin an Kraft, um gegen die Demonstrationen vorzugehen.
  • Die Brennpunkte an den Rändern des Machtbereichs werden von Russlands innenpolitischen Problemen befeuert.

Wladimir Putin investiert schon seit Jahren in Syrien. Seit Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 2011 unterstützt der Kreml das Regime von Baschar al-Assad. Im Gegenzug erlaubt der Machthaber Moskau, Stützpunkte im Nahen Osten zu unterhalten.

Im September 2015 wird der Militärflugplatz Hmeimim in Betrieb genommen: Neben Bombern und Mehrzweck-Flugzeugen schützen Panzer, Artillerie und Helikopter die Basis im Gouvernement Latakia. Dort wohnen die meisten Alawiten: Das ist die schiitische Minderheit, zu der auch Al-Assad gehört.

Russische Su-24-Bomber auf dem Militärflugplatz Hmeimim.
Russische Su-24-Bomber auf dem Militärflugplatz Hmeimim.
Bild: KEYSTONE

Die Marinebasis Tartus hat 1971 erstmals Soldaten aus der Sowjetunion beherbergt. Das Mittelmeergeschwader der russischen Kriegsmarine hat seit 2013 einen Heimathafen in Syrien. Seit 2017 wird der Stützpunkt ausgebaut und erweitert.

Verliert Russland sein mediterranes Sprungbrett?

Weil die Türkei die Durchfahrt durch die Dardanellen ins Schwarze Meer in Kriegszeiten für russische Marineschiffe beschränkt, ist Tartus für den Kreml nicht nur der einzige nutzbare Hafen am Mittelmeer, sondern auch ein wichtiges Sprungbrett für Verbindungen nach Ostafrika.

Ausserdem ist es Wladimir Putins einziger Joker im politischen Poker im Nahen Osten: Wenn dieses Standbein wegbricht, verliert der 72-Jährige auch an Einfluss. Je nachdem, wie lange Assads Soldaten aushalten und entschlossen die Rebellen vorrücken, droht Russland sogar ein chaotischer Rückzug, wie ihn die US-Truppen in Afghanistan erlebt haben.

Natürlich würde der Kreml den Machthaber stützen, doch seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine hat Putin viele Bodentruppen auf Syrien abgezogen. Einzig über Luftangriffe wie auf das von den Rebellen gehaltene Idlib kann Moskau noch ein wenig Einfluss nehmen.

Auch Teherans Einfluss am Mittelmeer in Gefahr

Die Offensive gegen die Regierungstruppen zeigt auch, dass Teherans Bedeutung im Westen des Nahen Ostens schwindet. Die Rebellen haben nicht umsonst in dem Moment losgeschlagen, als Israel mit der Hisbollah einen Waffenstillstand geschlossen hat. Die Hisbollah ist nach Jerusalems Attacken stark geschwächt.

Die schiitische Miliz hat das Assad-Regime bisher immer verteidigt, doch nun fehlt den Kämpfern die Kraft. Sollten die Rebellen das Regime in Damaskus stürzen, würde dem Iran der Zugang zum Mittelmeer verbaut. Ausserdem hätte Teheran keinen Zugriff mehr auf die Golanhöhen an der Grenze zu Israel.

Die Entwicklung in Syrien ist deshalb sowohl für Teheran als auch für Moskau problematisch. Und nicht nur im Nahen Osten droht Russland an Boden zu verlieren: Auch in Georgien läuft es gerade anders als von Putin gewünscht. Dort reissen die Proteste gegen die neu gewählte pro-russische Regierung nicht ab, die eine Annäherung an die EU für die kommenden Jahre aussetzen will.

Georgien erinnert den Kreml an die Ukraine

«Wir haben ähnliche Ereignisse in einer ganzen Reihe von Ländern gesehen», sagt Kremlsprecher Dmitri Peskow zu den Vorfällen im Nachbarland: Moskau spielt auf das an, was vor gut zehn Jahren die Ukraine wieder auf West-Kurs geführt hatte. «Die direkteste Parallele, die man ziehen kann, sind die Ereignisse auf dem Maidan in der Ukraine.»

Das Innenministerium in Tiflis teilte mit, dass in den vergangenen Tagen 227 Menschen festgenommen worden seien. Verletzt wurden demnach 21 Einsatzkräfte. Unter Berufung auf das Gesundheitsministerium berichtete die Agentur Interpressnews, dass in der Nacht auf den gestrigen Montag 37 Menschen in Spitäler gebracht worden seien.

Wladimir Putin würde sicher mehr in die ihm freundlich gesonnene Regierung unter Premier Irakli Kobachidse investieren – wenn er nur mehr Reserven hätte. Doch obwohl die russische Armee in der Ukraine und in Kursk derzeit gut vorankommt, hat der Kreml gerade nichts zu verschenken.

Probleme an der Heimatfront

Russland fehlt es vor allem an Soldaten, was auch den zuletzt immer höher werdenden Verlusten in der Ukraine geschuldet ist. Das wird deutlich, wenn Moskau Nachschub aus Nordkorea holt oder immer höhere Prämien für Rekruten zahlt. An der Heimatfront fehlt es zudem an Arbeitskräften.

Erschwerend hinzu kommen Russlands wirtschaftliche Probleme, die vom schwächelnden Rubel, den westlichen Sanktionen und der Umstellung auf Kriegswirtschaft befeuert werden. Im neuen Haushalt gehen 32,5 Prozent der Ausgaben an das Militär – in diesem Jahr sind es allerdings auch schon 28,3 Prozent.

Die Entwicklungen in Syrien, Georgien und der Ukraine legen nahe, dass der Druck auf Putin immer stärker steigt. Ob Russland diese Machtkrise überwinden kann, wird sich wohl in den kommenden drei, vier Monaten zeigen, wenn mit Donald Trumps Amtsantritt die Karten in der Geopolitik neu gemischt werden.


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