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Interview Hausärztin: «Am schwierigsten sind Situationen, bei denen ein Kind positiv getestet wurde»
Von Jennifer Furer
6.4.2020
Maria Goridis, Hausärztin in Egg im Kanton Zürich, gibt Einblicke in ihren Alltag während der Corona-Krise. «Das Coronavirus wird die Arbeit der Hausärzte nachhaltig verändern», sagt sie.
Das Coronavirus hat auf einen Schlag alles verändert – die Wirtschaft, das soziale Leben, die Art, zu arbeiten. Auch Hausärztinnen und Hausärzte müssen sich neu orientieren und ihr Praxisleben an die Umstände anpassen.
Maria Goridis hat vor rund zwei Jahren die Hausarztpraxis in Egg im Kanton Zürich übernommen. Der frühere Inhaber Peter von Moos – der einigen aus der SRF-Sendung «Ärzte VS Internet» bekannt sein dürfte – begab sich in den Ruhestand. Zumindest fast. Er unterstützt Goridis-Misteli weiterhin in einem Teilzeitpensum.
Dass in Egg, in einem 8'000-Seelen-Dorf, die Uhr anders tickt als in anderen Orten, zeigt der Fakt, dass sich weiterhin viele Leute mit ihrem Anliegen an die Praxis wenden. Andere Hausarztpraxen mussten wegen fehlender Patienten Kurzarbeit anmelden.
Im Interview nennt Goridis Gründe, wieso das Thema Kurzarbeit in ihrer Praxis bisher kein Thema war. Sie spricht zudem über Hausbesuche bei Menschen mit Verdacht auf Covid-19 – und wie sie sich gegen eine Ansteckung schützt.
Frau Goridis, wie sieht die Lage derzeit in Ihrer Praxis aus?
Unsere Arbeit hat sich durch das Coronavirus stark verändert. Vor rund drei Wochen haben sich die Informationen überschlagen, jeden Tag änderte sich die Lage. Mittlerweile hat es sich etwas beruhigt. Wir mussten sehr flexibel sein und uns an die neue Situation anpassen. Die ersten Tage waren etwas hektisch, mittlerweile haben wir uns aber ganz gut arrangiert.
Maria Goridis ist Inhaberin der Hausarztpraxis in Egg im Kanton Zürich.
Wie arbeiten Sie momentan?
Wir haben zwei Teams gebildet, damit bei einer Ansteckung innerhalb des Personals nicht alle gleichzeitig ausfallen. Eine Ärztin arbeitet in der Praxis im direkten Patientenkontakt, ein Arzt oder eine Ärztin führt von Zuhause oder von unserem externen Büro aus Telefonate mit Patienten. Mein Vorgänger Dr. Vonmoos und mein Schwiegervater, welche selber zur Risikogruppe gehören, machen nur noch Telefonkonsultationen, um eine Ansteckung mit dem Virus zu vermeiden.
Was wird dort besprochen?
Es geht um Krankheiten oder Verletzungen, die keine Notfälle darstellen. Beispielsweise: Wenn jemand anruft, der Knieschmerzen hat, müssen wir ausschliessen, dass ein bakterieller Infekt vorliegt. Das ist am Telefon meistens anhand gezielter Fragen möglich. Manchmal müssen wir die Patienten aber doch noch in die Praxis bestellen, zum Beispiel für eine Blutentnahme oder eine klinische Untersuchung. Durch die vorgängige telefonische Triage wird gewährleistet, dass nur die Patienten in die Praxis kommen, bei denen es wirklich nötig ist oder bei denen ein Notfall vorliegt.
Wie gehen Sie vor, wenn jemand meldet, er habe Anzeichen einer Ansteckung mit dem Coronavirus?
Es konsultieren uns täglich Patienten, die sich möglicherweise mit dem Coronavirus angesteckt haben. Hier geht es darum, zu ermitteln, ob es der Gesundheitszustand der Person erlaubt, zu Hause zu bleiben oder ob eine Hospitalisation erforderlich ist. Wir beraten die Patienten, was sie gegen die Symptome machen können und klären sie über die nötigen Massnahmen wie Selbstisolation auf. Hier verweisen wir auf die Anweisungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Bei einigen Personen ist ein Abstrich erforderlich. Dies sind zum Beispiel Personen, die im Gesundheitswesen arbeiten oder zur Risikogruppe gehören.
Wie läuft das ab?
Wir besuchen unsere Patienten für die Abstriche nach Möglichkeit zu Hause. Das handhaben wir so, weil der Patient so nicht nach draussen gehen muss und so das Risiko einer Ansteckung für andere Menschen minimiert werden kann.
Das tönt sehr selbstlos.
Wir achten natürlich darauf, uns dem Virus nicht auszusetzen. Wir schützen uns dementsprechend. Wenn wir Hausbesuche machen, tragen wir immer Masken, Schutzbrillen, Handschuhe und einen Mantel.
Was machen Sie, wenn ein Test positiv ausfällt?
Wir teilen den Leuten das Testergebnis telefonisch mit und beraten sie dabei, wie sie weiterverfahren müssen. Die meisten Leute müssen dann einfach zu Hause bleiben und sich selber isolieren. Zudem müssen die Leute, mit denen die Patientin oder der Patient in Kontakt stand, in Selbstquarantäne. Nur falls der Gesundheitszustand des Patienten eine weitere Behandlung zu Hause nicht zulässt, muss eine Verlegung ins Spital erfolgen. Da sind aber nicht mehr wir als Hausärzte zuständig.
Hatten Sie schon solche Risikopatienten?
Bis jetzt glücklicherweise noch nicht. Alle von uns positiv getesteten Personen konnten das Virus zu Hause auskurieren.
Testen Sie alle Leute, die sich mit Coronavirus-Symptomen melden?
Nein, da gibt es Vorgaben seitens des BAG. Bei vielen Patienten, welche möglicherweise an Corona erkrankt sind, machen wir keinen Abstrich. Wie angedeutet: Getestet werden vor allem Personen, die im Gesundheitswesen arbeiten oder zur Risikogruppe gehören. Ob mit Test oder ohne, wir beraten unsere Patienten, wie sie sich verhalten müssen, um weitere Ansteckungen zu vermeiden.
Selbstisolation von sich selbst und Quarantäne für Leute, die in Kontakt standen. Die Devise scheint einfach. Gibt es dennoch manchmal Schwierigkeiten in der Umsetzung?
Ja, die gibt es. Am schwierigsten sind Situationen, bei denen beispielsweise ein Kind positiv auf Corona getestet wurde und deshalb vom Rest der Familie isoliert werden sollte, was natürlich nicht möglich ist.
Haben Sie keine Angst, sich selbst anzustecken?
Nein, es ist Teil meines Berufes, dass ich mich theoretisch mit Krankheiten anstecken könnte. Mit dieser Situation war ich bereits in meiner Ausbildung konfrontiert, als ich in Spitälern gearbeitet habe. Mehr Sorgen mache ich mir darum, andere Menschen aus meinem Umfeld anzustecken.
Wie probieren Sie, das zu vermeiden?
Wir arbeiten in der Praxis immer mit Mundschutz und achten penibel auf die Hygiene. Wir halten uns an die Abstandsregel und alle anderen Richtlinien des Bundes. Zudem erhalte ich jeden Tag mindestens drei Mails von verschiedenen Organisationen, die Informationen und Empfehlungen herausgeben.
Ihr Schwiegervater arbeitet ja noch in der Praxis. Und auch ihr Kollege Peter Vonmoos, der frühere Praxisinhaber, ist noch zu einem Teilpensum in der Praxis tätig. Wie handhaben Sie die Situation?
Sie arbeiten momentan nicht im direkten Patientenkontakt, sondern führen von Zuhause aus Telefonsprechstunden mit Patienten.
Es werden sich in der Schweiz noch deutlich mehr Menschen anstecken. Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Wenn niemand vom Personal ausfällt, sind wir momentan gut aufgestellt.
Sie haben momentan also keine materiellen Engpässe?
Wir haben momentan von allem genug. Ein Glück, denn es gestaltet sich zurzeit als durchaus schwierig, als Hausarztpraxis an Schutzmaterial zu kommen.
Bei Ihnen läuft so weit also alles ziemlich gut?
Ja, eigentlich schon. Es ist momentan schon eine ziemliche Herausforderung, sich der neuen Situation, die sich auch ständig verändert, in kurzer Zeit anzupassen. Wir erwarten, dass die Arbeitslast zunehmen wird, sobald Antikörpertests verfügbar sind. Mit diesen lässt sich nachweisen, wer die Covid-19-Erkrankung schon hinter sich hat und daher vermutlich immun ist.
Wann ist dieser für die breite Öffentlichkeit zugänglich?
Nach meinen Informationen wird der Test wahrscheinlich nächste Woche für die Anwendung an Gesundheitsfachpersonen freigegeben werden. Wann genau er für die breite Öffentlichkeit zur Anwendung kommt, weiss ich nicht. Wir erhalten aber viele Anfragen von Leuten, die einen solchen Test so bald wie möglich machen wollen.
Sind Sie gerüstet?
Wir bereiten uns auf viele Blutentnahmen vor. Ob das Material reicht, kann ich heute nicht sagen. Das ist von vielen Faktoren abhängig, die sich ändern können – wie beispielsweise Liefermöglichkeiten oder Nachfrage.
Um nochmals auf die Arbeitsbelastung zurückzukommen. Was ist die grösste Herausforderung als Praxisinhaberin?
Der Praxisablauf musste von einem auf den anderen Tag völlig umgestellt werden. Und wir passen unsere Abläufe auch weiterhin laufend an die Situation an. Ich muss vieles planen und mir Gedanken über alles Mögliche machen, um auf Lageveränderungen vorbereitet zu sein. Was mich aber sehr freut, ist die Dankbarkeit, die von den Patienten zurückkommt. Und auch als Team funktionieren wir super. Alle meine Mitarbeitenden ziehen am gleichen Strick und sind sehr flexibel und engagiert. Darauf bin ich sehr stolz.
Das können Sie auch. Viele Hausarztpraxen mussten Kurzarbeit beantragen. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Im Moment ist das bei uns glücklicherweise kein Thema, und wir hoffen auch, dass das so bleiben wird.
Könnte es sein, dass Egg als Standort ausschlaggebend dafür ist? Sie haben einmal in einem Interview mit der Lokalzeitung gesagt, dass es im Dorf ländlich zu- und hergehe und viele auf ihren Vertrauensarzt setzten.
Das kann sicher ein Grund sein, ja. Die Leute nehmen uns womöglich als vertraute Anlaufstelle wahr, die ihnen Sicherheit gibt.
Das Coronavirus bereitet vielen Menschen auch psychisch Sorgen. Reden die Leute mit Ihnen über diese?
Meistens rufen die Leute bei uns wegen körperlichen Beschwerden an. Wenn man dann ins Gespräch kommt, spürt man schon, dass das Coronavirus mit allem, was es mit sich bringt, den Leuten an die Substanz geht.
Ab wann haben Sie gemerkt, dass das Coronavirus uns und auch sie als Ärztin länger beschäftigen wird?
Man hat ja schon früh vom Virus gelesen und von der Situation in China und dann in Italien. Ich hatte immer den Eindruck, dass wir in der Schweiz lange gehofft haben, dass wir vielleicht nicht ganz so stark betroffen sein würden. Im Nachhinein ist das natürlich illusorisch gewesen, ein Wunschdenken. Mir wurde das Anfang März bewusst, als die ersten Fälle in der Schweiz bekannt wurden und der Bund immer strengere Massnahmen umsetzte.
Musste auch die Infrastruktur angepasst werden, um beispielsweise eben diese Telefonsprechstunden von Zuhause durchführen zu können?
Wir haben vor gut eineinhalb Jahren unsere Telefonanlage und IT-Systeme erneuert. Dadurch waren die technischen Voraussetzungen gegeben. So konnten wir innerhalb von wenigen Tagen mit einer Neukonfiguration die neuen Bedürfnisse abdecken.
Verändert das Coronavirus die Arbeit in Hausarztpraxen nachhaltig?
Ja, das denke ich schon. Wir wurden durch das Coronavirus gezwungen, die Telemedizin voranzutreiben. Telefon- und Videosprechstunden standen zwar schon immer auf unserer To-do-Liste, aber nie ganz oben. Durch die jetzige Situation mussten wir neue Prioritäten setzen. Wenn die Corona-Krise vorbei ist, werden wir sicher wieder «normale» Sprechstunden abhalten. Aber die Ergänzung mit Telefon- und irgendwann auch Videosprechstunden werden wir ziemlich sicher beibehalten.
Wie erholen Sie sich persönlich von all dem Trubel?
Ich geniesse in meiner Freizeit das Familienleben. Meine Tochter ist zwei Jahre alt. Zusammen mit meinem Mann gönnen wir uns auch manchmal einen langen Spaziergang.
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