Wander-Expertin«Ich hoffe, dass die Schweizer Hotspots weniger überlaufen sind»
Von Bruno Bötschi
22.4.2021
Patricia Cornali von den Schweizer Wanderwegen war schon als Kind gern zu Fuss unterwegs. Als Erwachsene hat sie den beliebtesten Sport der Schweizerinnen und Schweizer neu entdeckt und ein paar Tipps für eine gelungene Tour parat.
Von Bruno Bötschi
22.04.2021, 14:39
23.04.2021, 07:21
Bruno Bötschi
Frau Cornali, wie wurde das Wandern zu Ihrer Leidenschaft?
Zum ersten Mal wandern ging ich mit meinen Eltern, als ich noch ein Kind war. Je älter ich wurde, desto mehr Überzeugungskraft brauchte es vonseiten der Eltern, mich zum Mitgehen animieren zu können. Kaum waren wir jedoch unterwegs, fand ich das Wandern total lässig, was auch damit zusammenhing, dass wir oft mit befreundeten Familien losgezogen sind. Richtig den Zugang zum Wandern fand ich aber erst mit Mitte 20.
Was war der Auslöser dafür?
Ich war immer schon recht sportlich und bin gern draussen unterwegs. Ich fahre zum Beispiel Snowboard. Da war es fast logisch, dass ich auch das Wandern irgendwann wieder neu für mich entdecken würde.
Was denken Sie, wird es in den nächsten Wochen und Monaten wegen der Corona-Pandemie wieder zu Staus auf den Schweizer Wanderwegen kommen?
Zur Person: Patricia Cornali
Bild: zVg
Patricia Cornali, 32, ist Kommunikationsverantwortliche beim Verband Schweizer Wanderwege. Der Dachverband vereinigt 26 kantonale Wanderweg-Organisationen. Seit 1934 setzen sie sich gemeinsam für ein attraktives, sicheres, einheitlich signalisiertes Wanderwegnetz in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein ein.
So wie es aktuell aussieht, werden auch im Sommer 2021 die Reise- und Freizeitangebote wegen dem Coronavirus nur beschränkt nutzbar sein. Wir vom Verband Schweizer Wanderwege gehen deshalb davon aus, dass in den kommenden Monaten die Wanderwege hierzulande wieder sehr gut frequentiert sein werden – nicht zuletzt auch deshalb, weil das Wandern schon vor der Pandemie viele neue Anhänger gefunden hat.
Ist das so?
Gemäss der Studie «Sport Schweiz 2020» hat die Beliebtheit des Wanderns in den letzten Jahren weiter markant zugelegt und ist die populärste Sportart der Schweizerinnen und Schweizer.
«Verstopfte Strassen, viele Wanderer, aggressive Ausflügler»: Im vergangenen Sommer war zu lesen, dass es den Gästen in Schweizer Ausflugsorten oft am nötigen Respekt fehlt.
In der Schweiz gibt es über 65'000 Kilometer Wanderwege. Bei einem derart grossen Streckennetz müssten sich Staus eigentlich verhindern lassen. Im Sommer 2020 war es allerdings so, dass wegen der Reisebeschränkungen auch viele Neulinge wandern gingen und es deshalb hin und wieder auf weitherum bekannten Wegen zu Gedränge gekommen ist.
Haben Sie Tipps, wie Staus auf Wanderwegen am besten umgangen werden können?
Nichts liegt näher als Wandern vor der eigenen Haustür. In der Schweiz gibt es fast überall Wanderwege, also auch in den Städten und den Agglomerationen. Wer wandern will, muss nicht unbedingt in die Berge fahren. Ich glaube zudem, viele Menschen haben aus ihren Erfahrungen des letzten Jahres gelernt, und bin deshalb guter Hoffnung, dass heuer die megabekannten Wander-Hotspots etwas weniger überlaufen sein werden.
Die Schattenseiten des Booms sind die Unfälle: Gemäss SAC-Statistik gab es im vergangenen Jahr 1627 Rettungseinsätze, 55 Menschen verunfallten beim Bergwandern tödlich.
Es sind meistens mehrere Faktoren, die zu einem Unfall führen. Grundsätzlich gilt zu sagen: Eine sorgfältige Planung ist eine wichtige Voraussetzung für eine sichere Wanderung. Wie sieht die aktuelle Lage vor Ort aus? Liegt zum Beispiel im Frühjahr noch Schnee auf der angepeilten Route und hat das Bergrestaurant offen? Eminent wichtig ist zudem: Den Wetterbericht beobachten, denn Regen oder Wind können das Unfallrisiko gerade in den Bergen erhöhen.
Was sind die häufigsten Fehler?
Ich würde sagen: Die Fehleinschätzung der eigenen Fähigkeiten.
Was sollte ich sonst noch unbedingt beachten, um eine Wanderung sorgenfrei geniessen zu können?
Wählen Sie eine Route, die Ihren Fähigkeiten und Ihrer Fitness entspricht und berücksichtigen Sie die passende Wanderweg-Kategorie. Die Länge einer Wanderung ist übrigens nicht allein ausschlaggebend für deren Schwierigkeitsgrad.
Sie meinen: Eine Stunde geradeaus laufen fühlt sich anders an, als wenn es steil den Berg hinaufgeht.
So ist es. Wander-Neulingen lege ich deshalb unsere Videoserie «Like to Hike» ans Herz: Sie gibt Basis-Tipps und zeigt, wie Wandern richtig geht.
Die von uns empfohlene Ausrüstung umfasst mindestens: komfortable Wanderschuhe mit solidem Profil, Wanderkleider im Schichtprinzip, Sonnenschutz, wenn nötig Regenschutz, Verpflegung und genug Getränke, ein aufgeladenes Mobiltelefon und eine Taschenapotheke – alles verstaut in einem bequemen Wanderrucksack.
GPS oder Wanderkarte?
Sich blind aufs Handy zu verlassen, ist nie gut. Für eine kurze Wanderung im Mittelland reichen aber meistens die Wegweiser und ein aufgeladenes Handy. Wer in höheren Lagen und auf längeren Routen unterwegs ist, dem empfehlen wir unbedingt auch eine Karte mitzunehmen, denn in den Bergen kann es immer wieder passieren, dass das Handy keine Verbindung hat.
Welches Wandererlebnis war für Sie das bisher schönste überhaupt?
Ach, ich habe schon so viele schöne Momente während dem Wandern erlebt. Es gibt jedoch ein Erlebnis, das ich wohl bis an mein Lebensende nicht vergessen werde – es ist mit rund acht Stunden Dauer zugleich wohl auch die längste Wanderung, die ich bisher unter meine Füsse genommen haben.
Erzählen Sie bitte.
Vor zwei Jahren weilte ich einige Zeit in Neuseeland und beging den Tongariro Alpine Crossing. Er ist sozusagen der König der Tageswanderungen und die wahrscheinlich berühmteste Wanderstrecke auf Neuseelands Nordinsel.
Was macht den Tongariro Alpine Crossing derart besonders?
Vulkanische Aktivitäten haben in diesem Nationalpark eine bizarre, karge Landschaft geschaffen, in der hinter jeder Kurve neue, atemberaubende Ausblicke auf einen warten: Vulkankrater und türkisblaue Seen werden abgelöst von Tundra-Landschaft und wunderbaren Farnwäldern.
Welche Route haben Sie zuletzt unter die Füsse genommen?
Ich bin durchs untere Tösstal gewandert, von Kollbrunn nach Rämismühle-Zell. Ein verlassener Tuffsteinbruch, ein mystisches Tobel sowie kleine Wasserfälle sorgen auf der knapp neun Kilometer langen Route für viel Abwechslung.
Das tönt nach einer hübschen Frühlingswanderung.
So ist es – passend zum Saisonstart.
Was mögen Sie am Wandern ganz besonders?
Während des Wanderns betätige ich mich sportlich, aber für mich fühlt es sich trotzdem nicht wie Sport an. In den wunderschönen Schweizer Landschaften abschalten zu können, gehört für mich zum Schönsten, was es gibt.
Die sieben Lieblingswanderungen von Wander-Expertin Patricia Cornali:
Die Terrassen des Lavaux am Genfersee:Lutry – St-Saphorin; Länge: 11,4 Kilometer; Dauer: 3 Stunden 15 Minuten, Schwierigkeit: mittel.
Vier-Seen-Wanderung OW:Melchsee Frutt – Engelberg; Länge: 19,4 Kilometer; Dauer: 6 Stunden 25 Minuten, Schwierigkeit: hoch. Hinweis: Diese Wanderung lässt sich dank der vielen Bergbahnen in der Region gut abkürzen.