Immer wieder polarisieren sie: die Gipfelkreuze, die unsere Bergspitzen zieren. Manche sagen, religiöse Symbole gehörten nicht auf Gipfel. Für blue News Kolumnistin Caroline Fink sind sie ein Stück Heimat.
Von Caroline Fink
28.05.2022, 11:57
29.05.2022, 11:14
Caroline Fink
Manchmal sieht man sie von Weitem – ein winziges Etwas auf dem Gipfel. Oder sie wirken so nah, dass man das Ziel in nächster Nähe wähnt, obwohl es noch 500 Höhenmeter entfernt ist, das Etwas selbst aber fünf Meter hoch ist.
Wovon ich rede? Von Gipfelkreuzen.
Auf vielen Alpengipfeln stehen sie und so fällt auf fast jeder längeren Bergtour der Satz: «Gsehsch s Chrüz?» Oder vielleicht so: «Uaaa, s Chrüüz!»
Um es vorwegzunehmen: Ich werde hier eine Lanze brechen für die Gipfelkreuze.
Ich mag sie, obwohl sie immer wieder mal im Gegenwind stehen – nicht nur meteorologisch. Manche sagen, religiöse Symbole hätten nichts auf Gipfeln verloren. Doch für mich sind Gipfelkreuze keine Symbole einer Religion. Ich gehe nicht zur Kirche. Einzig in den Bergen zünde ich manchmal in einer Kapelle eine Kerze an, weil ich das als Kind mit meiner Grossmutter so gemacht habe.
Zur Autorin: Caroline Fink
Bild: Gaudenz Danuser
Caroline Fink ist Fotografin, Autorin und Filmemacherin. Selbst Bergsteigerin mit einem Flair für Reisen abseits üblicher Pfade, greift sie in ihren Arbeiten Themen auf, die ihr während Streifzügen in den Alpen, den Bergen der Welt und auf Reisen begegnen. Denn von einem ist sie überzeugt: Nur was einen selbst bewegt, hat die Kraft, andere zu inspirieren.
Gipfelkreuze sind für mich ein Symbol für Gipfelglück.
Wenn sie nah vor dir auftauchen, heisst dies: Gleich sind wir oben! Gleich haben sich alle Mühen gelohnt! Es ist jener Moment, wenn du weisst, dass du es schaffen wirst. Auch wenn der Abstieg noch bevorsteht.
Ebensowenig stört es mich übrigens, wenn Gebetsflaggen auf Schweizer Bergen wehen.
Auch sie sehe ich nicht als Aufforderung, mich mit dem Buddhismus zu beschäftigen, sondern vielmehr als Sinnbild dafür, dass Schweizer Bergsteiger Bräuche aus dem Himalaja mit nach Hause gebracht haben. Und auch der Kritik, wonach das Fehlen von Halbmonden auf Schweizer Bergspitzen ein Zeichen für Islamophobie sei, begegne ich pragmatisch.
Ohne gesellschaftliche Herausforderungen zu verneinen, bin ich mir sicher: Dass Halbmonde in den Alpen nicht als Gipfelschmuck dienen, liegt daran, dass europäische Alpinisten selten in islamischen Ländern bergsteigen gehen. Und Schweizer Muslime selten klettern und bergsteigen gehen.
Gipfelkreuze sind Heimat
Auf einer der letzten Skitouren dieser Saison wurde ich mir zudem bewusst, was Gipfelkreuze auch noch sind. Ich war im Silvrettagebiet unterwegs.
Ein österreichisch-schweizerisches Grenzgebiet, in dem auf fast jeder Berggestalt – Bekanntheiten wie der Piz Buin oder das Silvrettahorn – Kreuze stehen. Als wir dort auf der Schneeglocke standen und das Gespräch auf das mächtige Kreuz kam, sagte ein Schweizer Bergführer, ihn störten Gipfelkreuze nicht. Sie seien halt Heimat.
«Genau das ist es», dachte ich mir. Sie sind Heimat.
Genauso wie Bergbeizli und grüne Autobahnschilder, Kuhglockengebimmel und Rapsfelder, das Läuten des Elfiglöckleins und der Autoverlad am Lötschberg. Dinge, die – zumindest mir – ein Gefühl von Zuhause vermitteln. Vielleicht, weil ich sie erlebt habe, bevor ich die ersten Wörter sagte.
Und darüber hinaus sind Gipfelkreuze übrigens auch: ganz praktisch.
Beim Rasten auf luftigen Gipfeln kann man sich an ihnen mit dem Seil sichern. Und eine wasserfeste Box mit Gipfelbuch und Kugelschreiber drin lässt sich auch daran befestigen. Denn auch dies ist ein Stückchen Heimat: seinen Namen, das Datum und vielleicht noch ein paar Worte zum Wetter ins Gipfelbuch zu schreiben.
Was wir auf der Schneeglocke dann auch taten.
Alphorn-Workshop in Südkorea
Am Rand ihrer Auftritte organisieren die koreanischen Alphornspieler*innen auch Workshops, bei denen Neugierige Schweizer Trachten anprobieren und sich im Alphornblasen versuchen können.