Wach geküsstAndermatt – das Luxus-Skiresort mit Charme, Mut und Millionen
Bernhard Krieger, dpa/bb
28.11.2018
Andermatt ist durch den Zusammenschluss mit Sedrun zum grössten zusammenhängenden Skigebiet der Zentralschweiz geworden. Samih Sawiris verwandelt den einstigen Armee-Standort in ein Luxus-Skiresort – mit Charme, Mut und Millionen.
Hinter dem Projekt steckt ein reicher Geschäftsmann aus dem Orient. Er verliebte sich vor ein paar Jahren in das Bergdorf Andermatt, eroberte mit einer märchenhaften Idee die Herzen der Bewohner und verwandelt den Ort in eine der modernsten Ski-Arenen Europas.
Der ägyptische Investor Samih Sawiris ist ein Sonnyboy, stets lächelnd, bodenständig und gewinnend. Wäre Sawiris der arrogante Scheich aus der Wüste gewesen, den so mancher am Gotthard erwartete, hätten die eigensinnigen Andermatter seinen hochtrabenden Plänen kaum zugestimmt.
Grösstes Skigebiet der Zentralschweiz
Dann wäre Andermatt am Fusse des 2961 Meter hohen Gemsstocks nicht wie Phoenix aus der Asche gestiegen und gemeinsam mit Sedrun in diesem Winter zum grössten zusammenhängenden Skigebiet der Zentralschweiz aufgestiegen.
Die neue Gondelbahn Schneehüenerstock-Express schliesst die letzte Lücke in der
Skiarena. Jetzt können Skifahrer und Snowboarder von Andermatt über das Nätschen-Gütsch-Areal hinüber auf die Sedrun-Oberalbpass-Seite wechseln und wieder zurückfahren, ohne die Ski oder das Board abschnallen zu müssen. Im kommenden Sommer wird das Gebiet durch eine weitere Bahn von Sedrun ins Skigebiet
Disentis erweitert.
«Bislang waren wir für den Rückweg nach Andermatt auf die Matterhorn-Gotthard-Bahn angewiesen», sagt Skilehrer Fränggi Gehrig. Die roten Züge, die die Zentralschweiz mit dem Wallis verbinden, fahren weiterhin. Auch der beliebte Après-Ski-Waggon mit DJ rollt nach wie vor zwischen Sedrun und Andermatt.
Anspruchsvolle Abfahrt über den St. Anna-Gletscher
In Andermatt hoffen sie nun auf den Durchbruch, denn der Ort wird für die Masse der Wintergäste attraktiv. Andermatts Hausberg ist zu anspruchsvoll für den Otto-Normal-Skifahrer. Das Panorama vom Gemsstock mit Mönch und Monte Rosa geniessen alle, die Abfahrten über den Gurschen- oder den St. Anna-Gletscher aber nur Könner.
Dafür ziehen die oft mit knietiefem Pulverschnee überzogenen Nordhänge am Gemsstock Freerider magisch an. An der Wasser- und Wetterscheide des Kontinents schneit es überdurchschnittlich viel und häufig. In Zeiten des Klimawandels ist das ein Standortvorteil.
Aber Skitouristen suchen mehr als Schneesicherheit und Herausforderungen. Sie wollen Genussabfahrten auf Südhängen, moderne Lifte, sanft abfallende Spielwiesen für Kinder und urige Hütten. Und die liegen rund um den Oberalppass auf der Sedruner Seite.
Erst durch den Zusammenschluss mit Sedrun hat Andermatt das Skigebiet bekommen, das es für seine neuen Gäste braucht. «Wir wollen qualitativ auf eine Stufe kommen mit Zermatt oder St. Moritz. Und um das zu erreichen, braucht es unter anderem ein erstklassiges Skigebiet», sagte Investor Samih Sawiris dem «Blick».
Ihm ist wohl bewusst, dass der Erfolg seines Megaprojekts mit dem Skigebiet steht und fällt. Zumal Andermatt weder den Glamour von St. Moritz noch ein Matterhorn wie Zermatt zu bieten hat. Die Gipfel rund um den 1444 Meter hoch gelegenen Ort wirken eher unspektakulär und trutzig – daran kann nicht einmal Sawiris etwas ändern.
Frühere Alpenfestung
An allem anderen schon. Als der Ägypter 2005 nach Andermatt kam, befand sich das Bergdorf in einem rasanten Niedergang, ausgelöst durch den Abzug der Armee. Lange Jahre sind die Kasernen im Ort ein Teil der Gotthard-Festung Réduit gewesen, in der sich die Schweizer bei einem Angriff auf das neutrale Land verschanzen wollten.
«Die Beizen und wir alle haben von der Armee gelebt», erzählt Ortsführer Bänz Simmen. «Die Soldaten waren anspruchslos. Da musste man nicht freundlich sein und auch nicht gut kochen können.» So sei man in Andermatt bequem geworden.
Das böse Erwachen kam, als die Schweizer Armee nach dem Ende des Kalten Krieges ihre Alpenfestung aus Kostengründen aufgab. Die Soldaten blieben weg, und Touristen kamen nur noch wenige. Andermatt verfiel – bis Sawiris kam.
Der Ägypter erkannte das Potenzial des Bergdorfs, das anders als St. Moritz, Zermatt oder Gstaad recht nah an Grossstädten und Flughäfen liegt. Der Geschäftsmann witterte ein grosses Geschäft, und er brachte das nötige Kleingeld und Know-how mit.
Sawiris stammt aus einer reichen Unternehmerfamilie koptischer Christen, die ganze Städte aus dem Boden stampft. Mit der Retortenstadt El-Guna am Roten Meer hat er bewiesen, dass er aus dem Nichts ein Ferienparadies schaffen kann.
Das allein aber hätte die Andermatter wohl nicht überzeugt, wichtig war auch sein Auftreten. Der Ägypter spricht perfekt Deutsch und präsentierte seine Pläne persönlich. Am Ende stimmten neben Gemeinden und Kantonen auch die Andermatter in Referenden dem Mega-Projekt zu.
Neue Investitionen
Sawiris hat angekündigt, 1,8 Milliarden Schweizer Franken in das Andermatt Swiss Alps-Projekt zu investieren, rund eine Milliarde ist bereits verbaut. Skeptische Stimmen behaupten, dass sich das Leuchtturmprojekt
«Chedi» und das gesamte Andermatt-Resort nie rentieren würden.
Sawiris räumt ein, dass er bislang Verlust macht. Das aber bringt den Milliardär nicht aus der Ruhe. Das Projekt Andermatt könne nicht mehr scheitern, glaubt Sawiris. Die grossen Risiken seien überwunden.
Von der Realisierung der ursprünglich geplanten sechs Hotels, den rund zwei Dutzend Chalets und den weit über 400 Apartments in 42 Gebäuden ist man aber noch weit entfernt. Es sind gerade einmal acht Apartmenthäuser fertig und längst noch nicht alle Wohnungen verkauft. Seine Investitionen kann Sawiris aber nur durch den Verkauf der viele Millionen Franken teuren Immobilien reinholen. Deshalb tut er alles, um Andermatt attraktiver zu machen.
Als die Schweizer Bahn Verbindungen dorthin strich, setzte Sawiris kurzerhand eigene Busse ein, die Wintersportler aus den Schweizer Städten in den Skiort fahren. Auch das flexible Liftpreissystem mit Frühbucherrabatten und Tagestickets ab zehn Franken an schwach ausgelasteten Tagen ist innovativ.
Trotzdem: Weil der erhoffte Goldrausch noch auf sich warten lässt, murren einige im Ort. Die gestiegenen Mieten sind ein Ärgernis, auch die Baustellen. Skilehrer Fränggi Gehrig nimmt die Nachteile in Kauf, schliesslich profitiert er wie so viele vom Aufschwung.
«Und was wäre auch die Alternative gewesen?», fragt Gehrig. Um dann selbst die Antwort zu geben: «Ohne Sawiris wäre es in Andermatt zappenduster.»
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