Harter KonkurrenzkampfSchweizer Skigebiete blasen zur Schnäppchenjagd
Bruno Bötschi
9.11.2018
Bei den Schweizer Skigebieten herrscht ein Überangebot. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein Preiskampf ausbrechen würde. Der scheint sich in diesem Winter weiter zu verstärken – zur Freude der Schneesportler und wohl zum Schaden vieler Bergbahnen.
Schweizer Skigebiete haben mit Schneemangel und sinkenden Gästezahlen zu kämpfen. Deshalb haben in den vergangenen beiden Jahren immer mehr ihre Preispolitik umgestellt. Das Rezept kennt man aus der Airline-Branche und es heisst: dynamische Preise. Nach dem es Andermatt im Vorjahr vorgemacht hatte, zogen jetzt mit St. Moritz und Zermatt zwei Hochpreis-Destinationen nach.
Noch vor zwei Jahren schüttelte allerdings manch ein Bergbahndirektor über die Skipass-Aktion von Saas Fee verwundert den Kopf. Einstimmig wurde betont, dass solche Preisreduktionen – der Pass wurde damals anfangs Wintersaison für 222 statt 1000 Franken angeboten – für sie niemals infrage kämen. Von Dumpingpreisen war die Rede.
«Wir distanzieren uns von solchen Aktionen», erklärte Matthias In-Albon, Geschäftsführer der Bergbahnen Destination Gstaad im «Tages-Anzeiger». Und Reto Branschi, Tourismus-Direktor von Davos, wetterte: «Ein Marketing-Gag – getragen von einer Medienpartnerschaft, aber leider ohne Nachhaltigkeit.» Die ganze Sache funktioniere nur einmal. «Sollten mehrere Destinationen ein ähnliches Angebot lancieren, bricht der Nachfrageboom für den einzelnen Dumping-Anbieter zusammen.»
Betriebswirtschaftliches Versuchslabor
Trotzdem vergingen dann nur ein paar Monate, bis die ersten Gesellschaften nachzogen, bis weitere Touristenmanager mit aufsehenerregenden Aktionen reagierten. So tat sich Crans-Montana mit anderen Destinationen in der Westschweiz zusammen und lancierte im Frühjahr 2017 den «Magic Pass» für 359 Franken.
«Das stellte den Dammbruch her», so das Fazit der «Neuen Zürcher Zeitung», «seither haben die Bergbahnen bei Marketing und Preisgestaltung eine ungeheure Kreativität an den Tag gelegt.» Mittlerweile erscheine einem der Sektor wie ein betriebswirtschaftliches Versuchslabor: Wie reagiert eine Branche, die infolge des starken Frankens in Bedrängnis geraten war und die Produktion nicht ins Ausland verlagern kann?
Auch bei «Schweiz Tourismus» stellt man fest, dass die Zahl der Spezial-Billette in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist. Nach dem Warum gefragt, sagte Christoph Zwaan «Bluewin»: «Der Wintertourismus steht vor zahlreichen Herausforderungen. Wirtschaft, Währung und Wetter haben in den vergangenen Jahren nicht immer für guten Geschäftsgang gesorgt.»
Wie schon oft in der über 150-jährigen Geschichte des Schweizer Wintertourismus, so Content- und Media-Manager Zwaan, müsse die Branche mit den Veränderungen Schritt halten. «Dies tut sie unter anderem durch Angebote, welche dem Gästebedürfnis noch besser entsprechen.»
Nicht die Lösung des Problems
Aber können mit vergünstigte Skipässen künftige Herausforderungen gelöst werden? «Nein», glaubt Zwaan. «Die Skipasspreise sind ein Instrument im grossen Orchester der Gästebedürfnisse, wozu unter anderem auch praktische, einfache Angebote und einprägsame Erlebnisse zählen. Was aber dem Wintertourismus nützt, ist grundsätzlich positiv.»
Allerdings müsse jede Destination für sich selbst entscheiden, welche Massnahme die richtige sei. «Die Zukunft wird zeigen, ob und welche Preisexperimente erfolgreich sind oder eben nicht», so Zwaan weiter.
So oder so, Fakt ist jedenfalls: So einfallsreich wie in den letzten zwei Jahren war der Schweizer Tourismussektor schon lange nicht mehr. Diesen harten Konkurrenzkampf werden möglicherweise aber nicht alle Betriebe überleben.
Auch die dynamische Preisgestaltung, wie es verschiedene Schweizer Skigebiete betreiben, mag die Nachfrage beflügeln. Das ändert aber nichts daran, dass manch ein Skigebiet in finanziellen Problemen steckt, aus denen sich die Bahnbetreiber kaum aus eigener Kraft befreien können.
Halb verschenken, alle verlieren
«Wenn alle Skigebiete ihre Saisonkarten halb verschenken, verlieren alle», behaupten Insider. Denn wenn sich ein Geschäft aber von Grund auf wandelt, die Nachfrage also strukturell schrumpft, werden niedrigere Preise kaum reichen, um alle verlorenen Gäste zurückzugewinnen. Die nächsten Jahre werden daher für viele Schweizer Bergbahnen grosse Herausforderungen bringen.
Vielleicht ist aber auch einfach nur ein grosses Umdenken nötig. Diese These stellt der St. Galler Professor Pietro Beritelli in einer Studie auf, die kürzlich von «Schweiz Tourismus» veröffentlicht wurde. «Der Berg» – also die Schweizer Alpen – sei eine touristische Destination, die sich durchaus unabhängig vom Wintersport vermarkten liesse.
Wintersport und Wintertourismus seien bis jetzt Synonyme gewesen, nun brauche es aber neue Wege. «Auch wenn die Assoziation zwischen Winter und Skisport heute noch dominiert», sagt Beritelli – wohl im Wissen, dass damit getrennt wird, was sich in vielen Köpfen über Jahrzehnte verknüpft hat.
Schweizer Skigebiete, die diesen Winter stark vergünstigte Abos anbieten:
Schweizweit:
Kids4free: Schweiz Tourismus verschenkt 12'770 Sechs-Tages-Skipässse an Kinder bis 12 Jahre
Graubünden:
Wintersaison-Abo: Snow-Pass bei sämtlichen Bergbahnen im Kanton gültig, inkl. Sedrun-Andermatt und Samnaun-Ischgl; bis 30. Nov. 1485 Fr. (Erwachsene), ab 1. Dez. 1'755 Franken.
Arosa/Lenzerheide: First Minute Deal; je früher gebucht wird, desto attraktiver der Preis
Engadin/St. Moritz: Snow-Deal; wer früher bucht, profitiert. Hotel und Skipass: Wer mehr als eine Nacht bucht, erhält den Hotelskipass für Fr. 38.-
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