Luzerner wohnt seit 20 Jahren in Rom «Einheimische ziehen sich von den Touristenmassen zurück»

Von Vanessa Büchel

26.8.2024

Vor 20 Jahren hat Markus Muff, der im Kanton Luzern aufgewachsen ist, seinen Hauptsitz nach Rom verlegt.
Vor 20 Jahren hat Markus Muff, der im Kanton Luzern aufgewachsen ist, seinen Hauptsitz nach Rom verlegt.
Bild: zVg

Der Luzerner Markus Muff lebt seit 20 Jahren in Rom. Der Auswanderer ist überzeugt, dass die Sommerhitze in diesem Jahr nicht aussergewöhnlicher ist als all die Jahre zuvor. Er erzählt, wie es sich als Schweizer in Italien lebt.

Vanessa Büchel

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  • Seit 20 Jahren nennt Markus Muff Rom sein neues Zuhause. 
  • Der Schweizer ist aber beruflich viel unterwegs, reist um die ganze Welt und ist nur selten wirklich in Rom. 
  • Zwar sei er nicht ganz ein richtiger Römer geworden, wie Muff selbst gesteht, doch beim Autofahren habe er sich angepasst. 
  • Dass die Hitze in italienischen Städten immer extremer wird, glaubt Muff nicht. Das Problem liege eher am Menschen selbst.

Heute spricht man häufig von Rekordtemperaturen, Hitzewellen und Spitzenwerten. Doch auch schon vor 20 Jahren sei es in Rom unglaublich warm gewesen, merkt Markus Muff (65) im Telefongespräch mit blue News an. Der gebürtige Luzerner lebt seit zwei Jahrzehnten vorwiegend in der italienischen Hauptstadt und plant auch nicht, in die Schweiz zurückzukehren.

«Bei der Wahrnehmung der Hitze liegt der Unterschied zu früher vor allem darin, dass damals ab Mitte Juli bis Ende August von Mittag bis circa 16 oder 17 Uhr die Stadt nahezu ausgestorben war», fügt Muff an.

Die Siesta-Zeit sei auch in der Stadt verbreitet gewesen, mittlerweile dank der weit verbreiteten Erfindung Klimaanlage aber kein obligater Bestandteil der Tagesordnung mehr.

Für Muff war es damals eine berufliche Entscheidung, nach Rom zu übersiedeln. Er arbeitet als Benediktiner im Amt des Director of Development for Europe für Sant’Anselmo, eine Hochschule mit Wohnhaus und Referenzpunkt für weitere Hochschulen der Benediktiner. Seine Zuständigkeit liegt in der Projektarbeit und Finanzierung von benediktinischen Aufgaben – vor allem an den Standorten in Europa. Weil sich das Zentrum der katholischen Kirche in Rom befindet, lebt und arbeitet auch Muff dort.

Auf die Frage, was ihn an Rom so fasziniere, muss der Luzerner zuerst einmal in sich gehen. «Da gibt es so viele Dinge: Die ganze Geschichte, all die phänomenale Kultur, die vielen Leute, die man hier trifft – Rom ist einfach einer von vielen Brennpunkten der Welt.»

Beim Autofahren ist Markus Muff ein waschechter Römer

Vermissen tue der 65-Jährige, der für seinen Job viel um die Welt reist und nur selten wirklich in Rom ist, die Schweiz nicht wirklich. Muff sagt: «Das Konzept von Heimat schaut für mich womöglich ganz anders aus, als für viele andere Leute. Heimat ist für mich eben dort, wo ich gerade bin.»

Zum Begriff «Heimat» würden für ihn auch all jene Menschen zählen, mit denen Muff zusammenkommt und -arbeitet. «Natürlich habe ich auch in der Schweiz viele Freunde und Personen, die ich kenne, schätze, mit denen ich regelmässig kommuniziere und die mich auch zwischendurch mal besuchen oder die ich besuche – dennoch ist für mich häufig Rom mein aktuelles Daheim.»

Ein richtiger Römer ist Muff nach eigenen Angaben aber trotzdem nicht ganz geworden. «Ausser beim Autofahren vielleicht, da muss man sich einfach dem Rhythmus des römischen Verkehrs anpassen, sonst gibt es Blechschaden», befindet der Projektmanager lachend.

Es sei nicht von Anfang an einfach gewesen, als Ausländer ernst genommen zu werden. Wie Muff erzählt, betreue er etliche Bauprojekte in der italienischen Hauptstadt, und gerade in diesen Kreisen habe er sich ein bisschen seine Position erarbeiten müssen. Muff fügt an: «Aber das ist wohl überall auf der Welt so – auch in der Schweiz.»

«Vieles bleibt dem Tourist verborgen»

Wer als Tourist*in nach Rom kommt, begreift die Stadt und deren Seele nur ganz oberflächlich, wie Muff findet. «Das war eigentlich schon immer so. Man besucht Museen, schaut sich Sehenswürdigkeiten an, isst in typischen Restaurants, geht vielleicht auf ein Konzert, aber man dringt nicht unter die Oberfläche.»

Die Römer*innen selbst würden erfolgreich versuchen, sich vor den Massen an Reisenden und Pilger*innen zu schützen. «Schätzungen zufolge kommen in einem normalen Jahr täglich bis zu 50'000 Leute nach Rom, das entspricht etwa der Anzahl an Bewohnern einer Kleinstadt», weiss Muff. Daher sei es durchaus begrifflich, dass sich die Einheimischen nach getaner Arbeit in ihre eigenen sozialen Strukturen zurückziehen würden.

«Der Tourist bekommt vom wahren Alltag des Römers nicht viel mit, das meiste bleibt ihm verborgen.» Die Bewohner*innen der Stadt verbringen laut dem Luzerner ihre Freizeit in ihren eigenen Kreisen, die den Touristen nicht so schnell zugänglich sind.

Wenn Tourist*innen bei 40 Grad an ihr Programm festhalten

Muff ist überzeugt, dass wer in den südlichen Ländern Europas während der heissen Sommermonate Ferien macht, sich eben auch den Witterungsverhältnissen anpassen muss, um zum Beispiel die Mittagshitze zu ertragen.

«Aus meiner Sicht ist es weniger die Temperatur oder das Klima selbst, die ein Problem darstellen – es sind häufig wir Menschen, die sich nur wenig auf ein unbekanntes Klima vorbereiten. Oft sorgen wir nicht richtig vor oder wissen nicht, wie wir uns den Witterungsverhältnissen des Hochsommers anzupassen haben.»

Der 65-Jährige sehe immer wieder Reisende, die trotz hohen Temperaturen von 40 Grad in den Städten stoisch ihre To-do-Listen durchziehen. Sie würden sich nicht schonen und oft nicht den Schatten aufsuchen.

Ausserdem staue sich punktuell die Wärme in einzelnen Gebieten in der Stadt. Das komme auch daher, weil man beim Bauen nicht mehr so sehr darauf achte, die natürlichen Vorgaben für ein gutes Wohnklima zu berücksichtigen, wie man es früher tat: «Asphalt ersetzt heute weitgehend den Naturstein und auch die vielen Autos mit laufenden Klimaanlagen erhitzen die Plätze und Strassen.»

Andere Länder, andere Gewohnheiten

Schweizer*innen, die planen, in ein anderes Land auszuwandern, rät Muff, sich vorher gut mit der Sprache der auserwählten Destination bekannt zu machen. Damit meine er nicht etwa nur «die gesprochene oder verschriftlichte Sprache», sondern eben auch «das kulturell-sprachliche Umfeld».

«Auch kulturelles Verhalten ist eine Art von Sprache, die man etwas erlernen kann. Nur an der Oberfläche einer andern Lebenswirklichkeit zu kratzen, wie es der Massentourist häufig tut, das reicht leider nicht, wenn man sich mit der Idee eines Wohnorts im Ausland auseinandersetzt.»

Ausserdem empfiehlt Muff, die eigenen festgefahren Gewohnheiten zu erkennen und auch etwas hinter sich zu lassen. Es lohne sich, zu versuchen, anderen Sichtweisen aufs Leben und anderen kulturellen Verhältnissen eine Chance zu geben – nur so sei ein erfolgreiches Auswandern möglich.

Ein letzter Tipp von Muff: «Es ist auch unerlässlich, mit den Leuten vor Ort aktiv in Kontakt zu treten. Man kann nicht nur darauf warten, dass jemand auf einen zukommt.»

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