KolumneWie ich die Toten einlade, mich zu besuchen
Von Michelle de Oliveira
25.10.2021
Samhain oder eben Halloween ist für die Kolumnistin die Zeit, um mit den Verstorbenen in Kontakt zu treten. Und sie ist sich sicher: Sie ist nie ganz alleine.
Von Michelle de Oliveira
25.10.2021, 06:45
25.10.2021, 14:20
Michelle de Oliveira
Leuchtende Kürbis-Gesichter, Spinnennetze, Skelette und jede Menge Süssigkeiten: Am 31. Oktober ist Halloween. Kinder in gruseligen Kostümen werden von Haus zu Haus ziehen und «Süsses oder Saures» rufen. Halloween, die Nacht der Geister und Gespenster.
Mich schaudert es aber mehr wegen all dem Kommerz als wegen der Angst vor dem Unfassbaren. Im Gegenteil, ich mag diese Nacht sehr gerne. Ich bezeichne sie aber nicht Halloween, sondern als «Samhain».
Mit dem «Samhain» haben die Kelten die Ernte gefeiert, den Beginn der kalten und ruhigeren Jahreszeit. Und eben auch das Reich der Toten. Man glaubte, dass die Verstorbenen jene Leute aufsuchten, die im nächsten Jahr sterben sollten.
Zur Abschreckung verkleideten sich die Leute selbst und legten zur Besänftigung Süssigkeiten vor die Tür. Mit dem Christentum wurde aus «Samhain» «All Hallows Eve», der Abend vor Allerheiligen am 1. November. Und daraus entstand schliesslich Halloween.
Zur Autorin: Michelle de Oliveira
Bild: zVg
Michelle de Oliveira ist Journalistin, Yogalehrerin und Mutter und immer auf der Suche nach Balance – nicht nur auf der Yogamatte. Ausserdem hat sie ein Faible für alles Spirituelle und Esoterische. In ihrer Kolumne berichtet sie über ihre Erfahrungen mit dem Unfassbaren. Sie lebt mit ihrer Familie in Zürich.
«Samhain» ist sympathischer
Der Ursprung ist also der gleiche, aber «Samhain» ist mir sympathischer, weil es mich mystischer dünkt. Und darum soll es in der Nacht gehen.
Die Legende sagt, dass an «Samhain» die Tore zur «anderen Welt» offen stehen oder der Vorhang manchmal gar ganz gelüftet werden könne. Dass die Verbindung zu Verstorbenen möglich ist, dass sie uns allenfalls besuchen.
An die Präsenz von Verstorbenen glaube ich nicht erst seit meinem Besuch bei einem Medium. Ich bin davon überzeugt, dass sie da sind.
Aber manchmal vergesse ich sie und glaube, dass ich dadurch auch nicht merke, sollten sie mich besuchen oder mir etwas mitteilen wollen. In den letzten Oktobertagen nehme ich mir darum bewusst mehr Zeit in der Stille. Ich meditiere früh am Morgen, wenn alle – ausser den Geistern natürlich – noch schlafen oder am Abend, wenn es wieder ruhig ist.
Nicht morbid, nicht erschreckend
Bevor ich beginne, zünde ich Kerzen an, um den Verstorbenen den Weg zu mir zu leuchten. Dann lade ich sie ganz bewusst ein, mich zu besuchen. Meistens rede ich halblaut mit ihnen, sage, wie sehr ich mich über ihren Besuch freuen würde. Und ich erzähle, was mich beschäftigt oder wo ich ein bisschen Hilfe gebrauchen könnte.
Manchmal lege ich mit saisonalen Fundstücken aus der Natur ein kleines Mandala, etwa mit farbigen Blättern, Haselnüssen und Kastanien. Man kann auch ein Symbol der Vergänglichkeit hinzulegen, eine Blume, die verblüht, oder einen kleinen Totenkopf (die man dank Halloween gerade überall findet!).
Mithilfe dieser Symbole erinnere ich mich an meine eigene Vergänglichkeit. Das hat nichts Morbides oder Erschreckendes. Aber es tut mir gut, wenn ich mir bewusst werde, dass nichts für immer ist. Keine Sorgen, kein Kummer, aber eben auch kein Glück. Und ich auch nicht. Dadurch schätze ich den Moment wieder mehr und bin dankbar für das, was ich habe.
Die Stille ist wohltuend. Es kommt vor, dass mir nach den Samhain-Meditationen etwas plötzlich sonnenklar war, was vorher wie ein unlösbares Problem erschien. Und oft fühle ich in der Stille dann tatsächlich eine Präsenz. Oder mehrere. Ich spüre, dass ich nicht alleine bin.
Das ist nicht gruselig. Sondern tröstend und wunderschön.
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