Veronica Fusaro, Sängerin: «Ich bin gut, so wie ich bin»
Sie gehört zu den grossen Stimmen der Schweiz. Sängerin Veronica Fusaro ruft zu mehr Selbstliebe auf und findet, dass die Menschen nicht immer so streng mit sich selber sein sollten.
18.01.2023
Sie gehört zu den grossen Stimmen der Schweiz. Diese Woche erscheint das Debütalbum von Veronica Fusaro. Die Sängerin verrät, warum sie im Pyjama komponiert – und sie gern so tanzen würde wie Michael Jackson.
Von Bruno Bötschi
19.01.2023, 07:03
24.02.2023, 15:56
Bruno Bötschi
Veronica Fusaro, ich stelle dir in den nächsten 45 Minuten möglichst viele Fragen. Und du antwortest möglichst kurz und schnell. Wenn dir eine Frage nicht passt, sagst du einfach «weiter».
All right. Ich habe im Vorfeld einige deiner «Bötschi fragt»-Gespräche gelesen – unter anderem auch jenes mit Sängerin Tashan. Das hat mir sehr gut gefallen.
Rivella oder Gin Tonic?
Rivella rot.
London oder Thun?
Thun. Ich bin ein Mensch, der gern daheim ist. In meiner Heimatstadt fühle ich mich geborgen, wenn dort auch oft nicht viel läuft. Aber genau diese Gemütlichkeit und diese Stille schätze ich. Ich mag Langeweile, weil ich dann Musik machen kann, ohne abgelenkt zu werden.
Es gibt aktuell ganz viele Frauen hierzulande, die coole und spannende Musik machen. Mit dem Geschlecht hat das meiner Ansicht nach aber nichts zu tun. Ich wuchs mit der Musik von Amy Winehouse, Adele, Aretha Franklin und Ella Fitzgerald auf. Als Kind war mir nicht bewusst, dass das alles Frauenstimmen sind. Ich fand einfach grossartig, was ich hörte. Erst später realisierte ich, dass die Mehrheit meiner Lieblingskünstler*innen Frauen sind.
Ich sage, die Zukunft der Schweizer Musik hat kein Geschlecht.
Zum Autor: Bruno Bötschi
Bild: blue News
blue News-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland. Er stellt ihnen ganz viele Fragen – immer direkt, oft lustig und manchmal auch tiefsinnig. Dabei bleibt bis zur allerletzten Frage immer offen, wo das rasante Pingpong hinführt.
Mit welcher Schweizer Sängerin würdest du gerne einmal ein Duett singen?
Cool wäre es, mit Stefanie Heinzmann einen Song einspielen zu können.
Weil ihr beide aus der gleichen Region stammt, träumen viele Schweizer*innen vom musikalischen Traumpaar Veronica Fusaro und Luca Hänni.
Es ist gerade gut, so wie es ist (lacht).
Du hast maximal vier Sätze zur Verfügung, um dich hier und jetzt einem Menschen vorzustellen, der dich bis jetzt noch nie gesehen hat, also nicht kennt.
Da brauche ich hurtig 30 Sekunden zum Nachdenken.
Kein Problem.
Hallo, ich heisse Veronica Fursaro, bin 25 Jahre alt, komme aus Thun und bin halb Italienerin und halb Schweizerin. Ich bin ein weltoffener Mensch, höre gern zu und verliere mich gern in meinen Gedanken, über die ich danach auch gern rede. Meine Leidenschaft ist das Musikmachen. Und falls du noch mehr über mich erfahren möchtest, gehen wir am besten zusammen essen und dann erzähle ich dir noch mehr.
Und jetzt bitte noch kurz und knapp erklären, was du für Musik machst?
Meine Musik kommt direkt aus meinem Herzen. Es ist eine Mischung aus Soul, Pop und Alternative Singer/Songwriter. Es handgemachte Musik, sprich es sind viele Instrumente zu hören.
Was ist härter: Ein Tag Soziologie an der Universität zu studieren oder ein Tag als Musikerin im Studio zu arbeiten?
Das kommt auf die Situation an. Ist es eine Vorlesung, bei der ich nur zuhören muss, ist Studieren einfacher als Musikmachen.
Der Begriff «Heimat» – was bedeutet er für dich?
Heimat bedeutet für mich, mit Menschen zusammen sein zu können, bei denen ich mich wohlfühle. Heimat kann aber auch ein Ort sein, zu dem ich eine starke emotionale Bindung habe. So wie das Dörfchen in Kalabrien, wo meine Nonna lebt.
Wo ist die Welt am schönsten?
Im Dorf meiner Nonna. Was auch viel damit zu hat, dass meine Erinnerungen an diesen Ort total romantisiert sind – sprich: Sommer, Ferien, Familie und wunderbares Essen. Es ist mein Herzensort.
Wirklich war, dass du dein musikalisches Talent von deinem Grossvater geerbt hast?
Mein Nonno hat wie ich ein muskalisches Flair. Er spielte Handorgel und machte gern Musik. Leider ist er vor ein paar Jahren gestorben.
Der zentrale Ort deiner Jugend?
Der rote Platz vor meinem Schulhaus im Thun. Dort spielte ich mit meinen Freund*innen abends immer Fussball.
Dein Spitzname in der Schulzeit?
Vero.
Blockflöte – ja oder nein?
Ja. Und ich gebe zu: Ich hatte – im Gegensatz zu meinen Eltern – sogar Spass am Flötespielen (lacht).
Gesang und Gitarre sind meine beiden Hauptinstrumente. Zudem spiele ich Klavier – aber nicht so gut wie Mozart, zum Begleiten reicht es jedoch. Und ich kann etwas Bass spielen.
Welches Instrument würdest du noch gern spielen können?
Cello.
An welchem Instrument bist du gescheitert?
Bevor ich anfing, Gitarre zu üben, wollte ich Saxophon lernen. Ich besuchte einen Schnuppertag an der Musikschule, brachte aber keinen einzigen Ton aus dem Instrument heraus.
Dein allererster Konzertbesuch?
2013 sah ich Emeli Sandé in der Maag-Halle in Zürich. Weil ich zu den Ersten gehörte, die in die Halle reindurfte, bekam ich ein Bändeli. Damit durfte ich nach dem Konzert zu einem «Meet&Greet» gehen und zusammen mit Emeli ein Selfie machen. Ein unvergesslicher Abend.
Ist es einfach, auf einer Bühne vor mehreren Hundert Leuten ein glücklicher Mensch zu sein?
Meistens schon – ausser es geht mir vor einem Auftritt nicht so gut, dann fühlt sich der Weg auf die Bühne dementsprechend an. Aber weisst du was: Am Ende des Konzertes ist alles wieder gut. Denn irgendwann stelle ich auf der Bühne fest, wie unglaublich gross meine Liebe zur Musik ist. Dieser Moment fühlt sich jeweils so an, als hätte das Konzert die heilende Wirkung eines Pflasters.
Du bist schon an vielen Orten dieser Welt aufgetreten – von Belgien über Deutschland bis Indien. Wo war es am allerschönsten?
Kürzlich durfte ich in Johannesburg, Südafrika, ein Konzert spielen. Es war mein erster Auftritt auf dem afrikanischen Kontinent überhaupt. Das Publikum hatte total Bock auf Musik und die Stimmung war sehr familiär. Viele kannten zudem die Texte meiner Songs und sangen mit. Einfach wunderbar.
Anders als viele Schweizer Künstler*innen trittst du regelmässig im Ausland auf. Wie kommt’s?
Weil ich das so will – und auch für mein Management von Anfang klar war, dass ich international Fuss fassen soll. Die digitale Welt macht es uns Musiker*innen heute viel einfacher, auch über die Grenzen bekannt zu werden. Aber für mich ist der Live-Moment durch nichts zu ersetzen. Während eines Konzertes finde ich meine wirklichen Fans. Menschen, die meine Musik danach weitertragen – manchmal braucht es nur eine einzige Person, um einen Dominoeffekt auszulösen.
Wie wichtig ist der 20. Januar 2023 für dich?
Sehr wichtig – und unter uns gesagt: Ehrlich gesagt, ich habe etwas Angst vor dem Tag.
Wieso das?
Manchmal denke ich, meine Erwartungen und meine Vorfreude sind zu gross. Aber hey, an diesem Tag erscheint mein Debütalbum «All the Colors of the Sky», auf das ich so lange hingearbeitet habe. Ich gebe an diesem Tag ein Stück von mir in die Welt hinaus, mit dem ich mich in den letzten zwei Jahren ganz intensiv beschäftigt habe. Gleichzeitig weiss ich aber noch nicht, wie die Welt auf die neuen Songs reagieren wird.
Kann deine Stimme etwas auf deiner neuen LP, was sie auf den vorherigen EPs noch nicht konnte?
Ich habe gelernt, dass gesungene hohe Töne auch leise schön klingen können.
Wo hast du deine neuen Songs geschrieben?
Der grösste Teil entstand bei mir daheim in meinem kleinen Studio im Keller. Dort gibt es nur ein kleines Fenster zur Aussenwelt. Ich werde also nicht abgelenkt, kann mich ganz auf meine Musik konzentrieren. Ich bin ein Mensch, der während Entstehung eines neuen Songs viel Zeit und Ruhe braucht. Die Lieder reifen so besser.
In welchem deiner elf neuen Lieder erfährt man meisten von dir?
Ein ganz besonderer Song für mich ist «Grey Colored Sky». Ich singe darin über den grauen Himmel, aber irgendwann drückt die Sonne durch.
Hast du einen Hit-Pulli, also einen Pullover, in dem du dich komponierend besonders wohlfühlst?
Früher sass ich oft bis spätnachts im Studio, heute bin ich eher am Morgen dort. Deshalb passiert es hin und wieder, dass ich direkt aus dem Bett ins Studio laufe – also noch das Pyjama trage, während ich Gitarre spiele.
Wem spielst du neue Lieder zuallererst vor?
Meinem Bruder. Ich bin jedoch sehr selbstkritisch und gehe darum nur selten aktiv auf ihn zu. Es ist meistens so, dass er irgendetwas im Keller holen muss und ich dann so nebenbei zu ihm sage: «Hey, los hurti zue.»
In der Pressemeldung zu deinem Debütalbum «All the Colors of the Sky» heisst es: «Veronica Fusaro hätte es sich einfacher machen können. Ihre Stimme ist ein Selbstläufer, es gibt kaum Medienberichte, in dem sie nicht als ‹grossartig› hervorgehoben wird.» Bist du ein Mensch, der gern Umwege geht?
Ich bin kein Fan von Umwegen, möchte – wie viele andern Menschen wohl auch – meine Ziele möglichst rasch erreichen. Gleichzeitig bin ich überzeugt davon, dass Umwege auch ihr Gutes haben und wir sie oft zu wenig schätzen. Umwege können lehrreich sein und – ganz wichtig – sie lassen einen geduldiger werden.
Im PR-Text zu deinem Album ist weiter zu lesen: «Veronica Fusaro will mehr.» Wie viel mehr willst du?
Ich möchte noch viel mehr Konzerte spielen – am liebsten auf der ganzen Welt.
Deine Erklärung dafür, warum Sänger*innen beim Singen die Augen schliessen?
Mit geschlossenen Augen ist es einfacher, ein bestimmtes Gefühl zu finden. Es braucht zudem Mut, während des Singens einem anderen Menschen in die Augen zu sehen.
Warum singst du eigentlich auf Englisch?
Das hat sich einfach so ergeben – vielleicht deshalb, weil die meisten Musiker*innen, die ich von klein auf hörte, Englisch gesungen haben.
Deine Einschätzung deiner Qualitäten als Sängerin?
Diese Frage kann ich nicht beantworten.
Deine Lieblingsfarbe?
Rot.
Deine Augenfarbe?
Braun.
Kurz- oder weitsichtig?
Kurzsichtig.
Wie viel Dioptrien?
Minus zwei Komma irgendetwas.
Wo hast du deine Brille her?
Aus Italien – es ist ein Geschenk meiner Nonna.
Was dachtest du bei dieser Brille?
Ich fand, die Zeit ist reif für ein neues Modell. Weisst du, ich bin ein grosser Fan von Brillen. Sie können den Charakter eines Menschen wunderbar verstärken.
Besitzt du das Gestell einmal oder hast du mehrere vom gleichen Modell?
Ich besitze nur ein Gestell davon.
Schon einmal vergessen, im Bett die Brille auszuziehen?
Noch nie.
Du?
Auch noch nie.
Träumst du von Musik?
Nein, also zumindest mag ich mich nicht daran erinnern.
Stehst du am Morgen mit Musik auf?
Nein, mit dem iPhone.
Die derzeit beste Melodie im Radio?
Aktuell ist «Evergreen (You Didn’t Deserve Me At All)» des US-amerikanischen Sänger und Songwriter Omar Apollo einer meiner Lieblingssongs. Ich weiss nicht, ob er ein Weltstar im Popbereich wird, aber im Bereich R’n’B wird er demnächst sicher viel Erfolg haben.
Wie viel Stunden schläfst du durchschnittlich?
7 ½ Stunden.
Wann wachst du auf, wenn du keinen Wecker stellst?
So gegen zehn Uhr.
Wann stehst du normalerweise auf?
Zwischen 7:30 und 8 Uhr.
Am Anfang sagtest du, in Thun sei es eher ruhig. Gibt es trotzdem ein Alltagsgeräusch, dir auf die Nerven geht?
Ich mag es überhaupt nicht, wenn im Auto der Gurtwarner Alarm schlägt, obwohl ich noch gar nicht losgefahren bin.
Lieder funktionieren oft wie Apotheken: Welcher Song hilft dir gegen Heimweh?
Er durfte damals bereits auf der ganzen Erde Konzerte spielen. Ich wollte das auch dürfen und können.
2014, da warst du 17, hast an der zweiten Staffel von «Voice of Switzerland» teilgenommen und bist in der dritten Phase ausgeschieden. Die Medien schrieben damals: «Zum Glück hat sie nicht gewonnen.» Hatten die Journalist*innen recht?
Während der Aufnahmen war ich sogar erst 16 Jahre alt. Natürlich war ich traurig, als ich rausgeflogen bin. Gleichzeitig war für mich das frühe Ausscheiden aber auch Ansporn und Motivation. Ich dachte damals: Hey, euch zeige ich es. Ihr seht mich bald wieder.
Und noch ein Satz, den ich in der Zeitung über dich gelesen habe: «Veronica Fusaro … die sehr ernst, unnahbar und reserviert wirkt. Sie gibt nicht alles preis.» Wahr oder nicht?
Das kannst du nach unserem Gespräch wohl besser beurteilen.
Deine geheime, wilde Seite?
Ich tanze extrem gerne, aber nur, wenn mir niemand dabei zu schaut. Ich lasse mich dabei gerne von Michael Jackson und seinen Youtube-Videos inspirieren.
Eben nicht, aber ich arbeite daran. Und wer weiss, vielleicht schaffe ich es irgendwann. Ich fände das jedenfalls extrem cool.
Und zum Schluss gibt es jetzt noch den Self-Rating-Test: Schätze bitte dein Talent zwischen zehn Punkten, super tolle Begabung, und null Punkten, keine Begabung, ein: Dein Talent als Köchin?
Sieben Punkte. Mein kulinarisches Repertoire ist noch nicht so riesig, aber das was ich kochen kann, kann ich recht gut.
Haste du ein Lieblingsmenü?
Auberginen-Auflauf kann ich sehr gut kochen und Spaghetti Carbonara.
Dein Talent als Fotografin?
Sechs Punkte. Ich fotografiere gerne, möchte es aber noch viel besser werden.
Als Bergsteigerin?
Ein Punkt. Ich liebe die Berge – am allerliebsten aus der Ferne.
Als Skifahrerin?
Sieben Punkte. Ich gehe nur zwei-, dreimal pro Winter im Skifahren, trotzdem würde ich meinen Können als stabil bewerten.
Als Schweizerin des Jahres?
Acht Punkte. Ich spreche drei Landessprachen, setze mich für Diversität ein und mache Musik.
Was würdest du als Erstes tun, wenn du nochmals einen Tag lang 16 sein könntest?
Ich würde alles nochmals genau gleich – jedoch mit einem anderen Bewusstsein.
Mit welchem?
Ich würde weniger gemein zu mir selber sein und mich mehr akzeptieren. Früher hatte ich immer das Gefühl, ich müsse überall dazugehören und ich müsse besser sein als die anderen.
Noch mehr «Bötschi fragt»-Gespräche findest du unter diesem Link.
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