Weihnachts-Kolumne Soll ich Freude an Geschenken vortäuschen? Ja, bitte!

Michelle de Oliveira

15.12.2024

In der Komödie «Verrückte Weihnachten» macht Tim Allen auf eindrückliche Art vor, wie man sich während der Festtage freuen kann. Ansonsten bietet der Film leider nur durchschnittliche Kost.
In der Komödie «Verrückte Weihnachten» macht Tim Allen auf eindrückliche Art vor, wie man sich während der Festtage freuen kann. Ansonsten bietet der Film leider nur durchschnittliche Kost.
Bild: Buena Vista International

Es wird wieder geschenkt! Doch mit den in Glitzerpapier verpackten Nettigkeiten droht auch Frust: Was, wenn das Geschenk nicht gefällt? Im Zweifelsfall dennoch freuen, findet die blue News Kolumnistin.

Michelle de Oliveira

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Während manche Menschen bereits Mitte November alle Weihnachtsgeschenke eingekauft haben, sind andere dieser Tage komplett im Stress.
  • Das richtige Geschenk zu finden, ist etwa so, als möchte man das fliegende Christkind persönlich beim Weihnachtsessen dabei haben.
  • Falsche Geschenke können Beziehungen ruinieren und praktische Geschenke lassen manchmal den Glanz vermissen.
  • Deshalb fordert die blue News Kolumnistin: Wie wäre es dieses Jahr mit etwas mehr Toleranz beim Schenken?

Während einige schon Ende November die ganze Geschenkliste abgearbeitet haben und jetzt entspannt auf dem Weihnachtsmarkt Glühwein schlürfen, sind andere total im Stress.

So viele Geschenke zu besorgen, so wenig Zeit! Und was soll man überhaupt schenken?

Ich habe zwar alle Geschenke bereits besorgt, aber ein Stress war es für mich auch im November. Es gibt in meinem Umfeld nämlich zwei Menschen, die unfassbar schwer zu beschenken sind.

Zur Person: Michelle de Oliveira
Bild: Privat

Michelle de Oliveira ist Journalistin, Yogini, Mutter und immer auf der Suche nach Balance – nicht nur auf der Yogamatte. Ausserdem hat sie ein Faible für alles Spirituelle. In ihrer Kolumne berichtet sie über ihre Erfahrungen mit dem Unfassbaren, aber auch aus ihrem ganz realen Leben mit all seinen Freuden und Herausforderungen. Sie lebt mit ihrer Familie in Portugal.

Beide haben zweifellos einen sehr guten Geschmack und eine Extra-Portion Stil, aber eben auch eine sehr tiefe Toleranzgrenze, wenn es darum geht, was ihnen gefällt oder nicht.

«Kann ich das umtauschen?»

Das richtige Geschenk zu finden, ist etwa so, als möchte man das fliegende Christkind persönlich beim Weihnachtsessen dabei haben. Unmöglich.

Beide Personen haben zudem eine Eigenschaft, die ich – ausserhalb der Weihnachtszeit – sehr schätze: Sie sind ehrlich und direkt.

Also sagen sie auch, wenn ihnen das Geschenk nicht gefällt und haben keine Skrupel, direkt nach dem Auspacken zu fragen: «Kann ich das umtauschen?»

Stichwort «Fehlkauf»

In solchen Momenten bin ich hin- und hergerissen. Natürlich soll ein Geschenk Freude machen, sonst wird es schnell Ballast und Geldverschwendung. Aber ich finde, man sollte als Beschenkte nicht nur das Geschenk isoliert betrachten und beurteilen, sondern auch den Effort honorieren, den eine Person betrieben hat.

Vielleicht ist der Pullover nicht der, den man selbst gewählt hätte, aber warum nicht mal etwas Neues ausprobieren? Das Armbändchen ist zu glitzerig, aber es gibt bestimmt einmal eine Gelegenheit, es zu tragen. Möglicherweise mag man Brettspiele nicht besonders, aber dieses vielleicht schon?

Als beschenkte Person sollte man ein bisschen toleranter sein. Ja, vielleicht benutzt man das Erhaltene nicht jeden Tag, aber das passiert auch, wenn man sich selbst etwas gönnt, Stichwort «Fehlkauf».

Die Jacke sieht im Laden so toll aus, aber am Schluss bleibt sie im Schrank, weil sie einfach nie so richtig passen will. Die Schuhe, die doch unbequemer sind als vermutet, das vielversprechende Küchengerät, das man immer weiter hinten im Schrank verstaut, bis man seine Existenz irgendwann komplett vergisst.

Der Zauber des Schenkens geht verloren

Will man also genau dieses eine Modellflugzeug oder diesen spezifischen Füllhalter, dann kauft man sich die Dinge entweder selbst oder kündigt den Wunsch an. Dann bekommt man genau, was man will.

Aber damit geht doch auch der Zauber des Schenkens etwas verloren. Die Spannung während des Auspackens, die Überraschung und die Freude darüber, dass sich die andere Person Gedanken gemacht hat.

Aber genau diese Gedanken können mich total stressen und das Beschenken zur lästigen Pflicht machen. Ich bin nervös, wenn ich mich auf Geschenksuche begebe. Egal ob online oder in den Läden, ich stöbere endlos durch das Sortiment und finde: nichts.

Ich versuche, mich in die Person hineinzuversetzen: «Was würde ihr gefallen? Was würde sie wählen? Was ist richtig stilvoll?»

Dabei verliere ich komplett mein Gespür dafür, was passen könnte und was nicht. Ich bin hilflos und werde wütend und würde am liebsten gar nichts schenken. Aber das würde ebenfalls für Enttäuschung sorgen. Es ist schwierig.

Lieblos gemachte Geschenke darf man weitergeben

Ich finde aber auch nicht, dass man ein Geschenk um jeden Preis gut finden soll. Schenkte mir jemand einen Gutschein für ein Essen im Fleisch-Tempel, würde ich den zurückgeben. Weil sich die Person offenbar keine Sekunde lang Gedanken gemacht hat.

Sonst wäre ihr nämlich eingefallen, dass ich mein Leben lang Vegetarierin bin. Acht- und lieblos gemachte Geschenke darf man auch einfach weiterschenken oder auf dem Flohmarkt verkaufen. Wir wollen ja nachhaltig bleiben. Auch wenn das Buch schon gelesen ist oder die Hose eine Nummer kleiner besser sitzt, kann man über den Umtausch reden.

Aber sonst: Wie wäre es dieses Jahr mit etwas mehr Toleranz beim Schenken und sich primär ob der Geste freuen?

Und an alle, die jedes Jahr sagen: «Ach, ich wünsche mir gar nichts!» – sagt das nur, wenn ihr es auch wirklich so meint. Nichts ist ungemütlicher, als wenn man diesem Wunsch nachkommt und die vermeintlich bescheidene Person dann betupft und unbeschäftigt neben dem Weihnachtsbaum sitzt, während alle zweihändig und mit roten Wangen Geschenkpapier aufreissen.

Oder – und das wäre vielleicht die sinnvollste Lösung – es wird nächstes Jahr im Kollektiv vereinbart, sich gar nichts zu schenken.


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