Diese Ausgabe ist Ihren Fragen an den Sprachpfleger gewidmet. Was hat Sie genervt, was interessiert? Finden Sie heraus, ob vielleicht auch Ihr Anliegen darunter ist.
Vielen Dank für Ihre Einsendungen; nachstehend folgt ein kleiner Auszug dessen, was Sie 2020 beschäftigt hat:
Frage: Welche grammatikalischen Regeln soll man bei Lehnwörtern anwenden? Müsste man nahe am Deutschen bleiben, zum Beispiel Partys statt Parties schreiben oder Espressos statt Espressi?
Antwort: Es ist eine Stilfrage. Der bekannte deutsche Germanist Bastian Sick hat dazu eine Liste erstellt. Dort fehlt Espresso, die Espressos. Espressi würde ich nur in Italien verwenden, genauso Pizze; auf Deutsch heisst es Pizza, die Pizzas. Entgegen den Informationen in der Aufzählung ziehe ich es vor, die Kommas zu schreiben statt die Kommata.
Nomen aus dem Englischen, die auf -y enden, haben auf Deutsch in der Mehrzahl ein s. Richtig sind also Partys, Babys, Beautys, Lobbys, Rowdys, Handys (the handy gibt es auf Englisch übrigens nicht). Eine Ausnahme ist Teeny; hier ist beides möglich, da auf Deutsch sowohl der Teeny als auch der Teenie existieren.
Roadie und Oldie enden schon auf Englisch auf -ie, und so heisst es auch im deutschen Plural Roadies, Oldies.
Frage: Als sich die Schweizerische Kreditanstalt den neuen Namen Credit Suisse gab, hatte eine Zeitung vom Credit Suisse geschrieben, also von dem (und nicht von der) Credit Suisse. Was ist korrekt?
Antwort: Bei der Eindeutschung ausländischer Nomen gibt es keine fixe Regel für die Zuweisung des Geschlechts. Bei französischen Nomen kommt zweierlei infrage: Entweder man hält sich strikt an das ursprüngliche Geschlecht, oder man orientiert sich am Gesamtbegriff:
So liest man die Piazza San Marco oder die Place Pigalle, weil Piazza und Place weiblich sind. Oder der Credit Suisse, weil lecrédit männlich ist.
Anstatt die Originalsprache zu übernehmen, können Sie auch auf den Hauptbegriff fokussieren: zum Beispiel die Bank oder Anstalt. Dann heisst es die Credit Suisse oder der Pigalle(-Platz).
Im Weiteren gibt es Fälle, wo einfach das gilt, was sich in der deutschen Sprache herausgebildet hat: Lesouvenir heisst nicht der, sondern das Souvenir.
Frage: Am Ende eines Interviews bedankt sich die Moderatorin, und der Interviewte sagt: «Gern!» Was meint er damit?
Antwort: Hier handelt es sich um eine Ellipse, einen (stark) verkürzten Satz. Die ganze Aussage hiesse etwa «Das habe ich gern getan» oder «Gern geschehen», was auch schon eine Verkürzung ist von «Das ist gern geschehen».
Frage: Ich sehe verschiedene Versionen, heisst es nun Wir fahren nach Lenzerheide oder ... auf die Lenzerheide?
Antwort: Der Standard ist nach Lenzerheide. Auch die gleichnamige Tourismus-Organisation verwendet ausschliesslich diese Schreibung. Die Variante mit Artikel ist umgangssprachlich, aber nicht falsch.
Frage: Es darf offenbar nicht mehr einfach und klar verletzlich heissen, es muss jetzt vulnerabel sein. Welcher Schwachkopf ist denn nun auf diese Glanzleistung gekommen?
Antwort: Den Urheber kann ich Ihnen nicht nennen. Spass beiseite. Aber ich habe mich das auch gefragt. Möchte jemand auf diese Weise die unangenehme Wahrheit in ein Fremdwort hüllen, dass da jemand leidet?
Bezüglich Pandemie machen die Verletzlichen, die Hochrisikopersonen, rund 30 Prozent der hiesigen Wohnbevölkerung aus. Will man zu ihnen eine «professionelle» Distanz halten? Besonders verletzliche Menschen darf man als solche bezeichnen. Was wäre denn der nächste «professionelle» Begriff, wenn die Entwicklung so weiterginge? Das französische Wort für begraben ist enterrer. Sollte man sich an die Corona-Toten etwa als die Enterrierten erinnern?
Zur Person: Mark Salvisberg war unter anderem als Werbetexter unterwegs. Der Absolvent der Korrektorenschmiede PBS überarbeitet heute täglich journalistische Texte bei einer Tageszeitung.
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