KolumneHerr Köppel, diese Provokation geht zu weit
Mara Ittig
4.2.2019
Laut «Weltwoche»-Chefredaktor Roger Köppel darf Frau nicht sexy und feministisch sein. Das mögen manche provokant finden. «Bluewin»-Redaktorin Mara Ittig fasst sich einfach nur an den Kopf.
Frauen kommen auf sozialen Medien schlecht weg und eifern veralteten Rollenbildern nach, zu diesem Schluss kommt eine neue Studie. Sie wurde von der MaLisa-Stiftung von Schauspielerin Maria Furtwängler (unter anderem «Tatort») in Auftrag gegeben und kürzlich in Berlin vorgestellt.
Die Stiftung von Furtwängler engagiert sich für eine gleichberechtigte Gesellschaft. Die Studie kommt zum Schluss, dass in den sozialen Medien ein veraltetes Rollenbild vorherrsche. Untersucht wurde die Geschlechterdarstellung bei YouTube, auf Instagram und in Musikvideos.
Veraltete Geschlechterbilder
Das Resultat: Frauen haben deutlich weniger Präsenz. Zudem beruht die Darstellung von Frauen häufig auf stereotypen und veralteten Geschlechterbildern. Sie sollen in erster Linie schön sein und sexy. Frauen widmen sich auf Social Media hauptsächlich Themen wie Beauty, Mode und Kochen, während das Betätigungsfeld der Männer weitaus breiter ist und von Politik über Comedy bis hin zu Sport reicht. Es entsteht der Eindruck, dass Frauen immer noch dem gängigen Schönheitsideal entsprechen müssen, um erfolgreich zu sein.
Diese Ergebnisse stimmen nachdenklich. Leben wir 2019 nicht in einer gleichberechtigten Welt, in einer diversen Gesellschaft, in der Geschlecht, sexuelle Orientierung oder ethnische Zugehörigkeit keine Rolle mehr spielen? Offensichtlich nicht.
Roger Köppel, «Weltwoche»-Chefredaktor und SVP-Nationalrat, meldete sich ebenfalls vergangene Woche in einem Editorial zum Thema Feminismus zu Wort. Der Text könnte auch aus der Feder eines religiösen Fundamentalisten aus den 1950er-Jahren stammen.
Kann man sexy und feministisch sein?
Köppel lässt sich darüber aus, dass attraktive Frauen wie Schauspielerin und Influencerin Emily Ratajkowski von Geschlechtsgennossinen angegriffen werden. Ratajkowski bezeichnet sich selbst als Feministin und setzt gleichzeitig gerne auf sekundäre Geschlechtsmerkmale zur Selbstinszenierung. Darüber darf man geteilter Meinung sein. Ihr Bekenntnis zum Feminismus wird immer wieder kontrovers diskutiert.
Das nimmt Herr Köppel nun also zum Anlass, erst in äusserst pubertärer Manier von Ratajkowskis Brüsten zu schwärmen, um dann Feminismus als «eine Art Neidsozialismus unter Frauen» zu bezeichnen. Als «Rache der weniger schönen Frauen an den Männern mit den schöneren Frauen».
Die hässlichen Feministinnen wollen sich also nicht etwa an anderen Frauen rächen mit ihrer perfiden Missgunst, sondern in Herrn Köppels Weltbild dreht sich am Ende alles um die Herren der Schöpfung. Es ist offenbar das vorrangige Ziel der Frau, von einem Mann, also etwa von ihm, für sexy befunden zu werden. Klappt das nicht, wird sie halt Feministin. Ernsthaft?
Dass der Feminismus heute an einem Punkt ist, an dem der Mann schon längst kein Feindbild mehr ist und auch Männer wie Barack Obama oder Justin Trudeau sich völlig selbstverständlich als Feministen bezeichnen, scheint ihm dabei genau so entgangen zu sein, wie die Tatsache, dass Frauen mehr sind als schmückendes Beiwerk eines Mannes.
Die #MeToo-Bewegung bezeichnet er als «männermordend». Dass auch Männer unter den Opfern von sexuellen Übergriffen durch Machtmissbrauch sind, entzieht sich wohl gleichfalls seiner Kenntnis. Und natürlich zielt die ganze Bewegung in Köppels Universum darauf ab, Männer fertigzumachen, nicht etwa, Missstände aufzudecken. Da ist jemand aber gewaltig verunsichert in seiner Macho-Seele.
Selbstinszenierung durch Feminismus-Bashing?
Erklärt sich so seine ablehnende Haltung gegenüber einer Bewegung, die auf nichts anderes als Gleichberechtigung aus ist? Frauenrechte sind Menschenrechte. Wie kann man das schlecht finden?
Mir ist unbegreiflich, wie man als Vater einer Tochter ernsthaft so denken kann. Nun gut, wir kennen ihn ja. Er provoziert halt gerne, der Roger. Selbstinszenierung durch Feminismus-Bashing finde ich aber doch etwas armselig. Nun gut, es ist schliesslich Wahljahr, da muss man sich bei der vornehmlich männlichen Wählerschaft in der richtigen Ecke positionieren. Zum Glück denken die meisten Männer, die ich kenne, nicht so. Vielleicht ist ihm schlicht auch keine andere Variante eingefallen, um seinen Wahlkampf mit Brüsten zu verknüpfen.
Wir haben noch viel zu tun, wenn Männer wie Roger Köppel immer noch auf dem Rücken von Frauen auf Stimmenfang gehen müssen. Meine Stimme bekommt er sicher nicht.
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