Kolumne am Mittag Frau Rytz, die Welt braucht Verlierer

Von Gil Bieler

11.12.2019

Charlie Brown wird es in diesem Leben nie schaffen, den Football zu treffen. Szene aus dem «Peanuts»-Film von 2015. 
Charlie Brown wird es in diesem Leben nie schaffen, den Football zu treffen. Szene aus dem «Peanuts»-Film von 2015. 
Bild: Twentieth Century Fox & Peanuts Worldwide LLC via AP

Hat also nicht geklappt mit dem Sprung in den Bundesrat. Regula Rytz ist damit im Club der Verlierer gelandet. Was halb so wild ist, wenn man Stil bewahrt. So wie Charlie Brown es stets tut – ein Profi im Scheitern. 

Die Dämmerung wird erst in gut fünf Stunden einsetzen, also könnte da rein theoretisch noch was gehen. Und dennoch sei bereits folgende Einschätzung gewagt: Es ist heute nicht der Tag von Regula Rytz. Die Grünenchefin ist mit ihrer Kandidatur für einen Bundesratssitz gescheitert und reiht sich damit in eine Gruppe oft missverstandener Vertreter unserer Spezies ein: den Verlierern.

Das ist nicht einmal böse gemeint. Weil, das Leben nach Auffassung des Homo sapiens ist nun einmal so konstruiert: Wo verschiedene Menschen mit sich gegenseitig ausschliessenden Zielen aufeinandertreffen, wird einer zwangsläufig den Kürzeren ziehen. Sprich: verlieren. Geht gar nicht anders.



Die Welt braucht Verlierer. Sonst würde ja jeder Tennismatch unentschieden enden, und das wäre noch öder als ein Tennismatch ohnehin schon ist. Sorry, Roger.

Wenigstens einmal durchsetzen

Natürlich gibt es solche und solche Verlierer. Die Choleriker, die ihren Frust an ihrem Umfeld auslassen, lautstark und nervtötend. Und die unverbesserlichen Sturköpfe, die zu viele Kalendersprüche gelesen haben und eine Niederlage ums Verrecken nicht einfach akzeptieren können, sondern krampfhaft umdeuten müssen, bis sie meinen, irgendwie «gestärkt daraus hervorzugehen» oder «daran zu wachsen».

Aber der Frau Rytz als Mentor empfohlen sei Charlie Brown. Er ist der prototypische Vertreter des besten aller Verlierertypen: Nennen wir ihn den Profi.

Seit der ballonköpfige Pechvogel in den Fünfzigerjahren in die Welt der Comic-Strips entlassen wurde, spielt ihm das Leben übel mit. Seine Existenz dreht sich um gescheiterte Versuche, einen Football zu kicken, einen Drachen steigen zu lassen, seine Mitmenschen zu beeindrucken oder sich wenigstens auch nur einmal durchzusetzen. Selbst sein Hund Snoopy tanzt ihm auf der Nase herum. 

Wäre Charlie Brown in der Politik, er würde jeden Tag als Bundesrat kandidieren. Und würde jedes Mal krachend abschmieren. Ein notorischer Verlierer also. Doch wie trägt er sein Schicksal? Mit Stil. Eben wie ein: Profi.



Klar, Charlie Brown lässt den Kopf hängen, klagt seinen Freunden auch mal sein Leid. Doch auf die Idee, sich wie der «Joker» im diesjährigen Kinohit mit Waffengewalt an der Welt zu rächen, darauf käme Charlie nie, wirklich nie.

Was wirklich zählt

Denn trotz aller Sorgenfalten, Zweifel und Selbstzerfleischung, Charlie Brown bleibt im Umgang liebenswert und anständig. Und das – so die Moral des animierten «Peanuts»-Films von 2015 – zählt viel mehr als die Frage, wie oft man am Football vorbeigekickt hat.

Geschätzte Frau Rytz: Der Freistoss ging daneben. Kann passieren. Dennoch werden Ihnen nun manche einreden wollen, dass Sie «dranbleiben», «kämpfen», diese Niederlage in einen Triumph ummünzen müssten. Machen Sie's, wie Sie's wollen. Nur: Bitte nicht nachtreten. 

Regelmässig gibt es werktags um 11.30 Uhr bei «Bluewin» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.

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