Kolumne Darum sind Sitzungen eine Zeitverschwendung

Marianne Siegenthaler

31.3.2019

Schliesslich sind alle da und die Sitzung geht endlich los. Und schon wird man vom einen Tischende mit Worthülsen bombardiert.
Schliesslich sind alle da und die Sitzung geht endlich los. Und schon wird man vom einen Tischende mit Worthülsen bombardiert.
Bild: iStock

Nichts gegen den kreativen Austausch mit den Arbeitsgspänli. Aber Sitzungen sind häufig eine riesengrosse Zeitverschwendung, findet «Bluewin»-Kolumnistin Marianne Siegenthaler.

Ich habe Glück. Seit ich als freie Journalistin arbeite, bleibt mir manches erspart. Das Pendeln zum Beispiel. Ich stehe weder im Stau noch im Gang eines überfüllten Zugs. Was aber noch viel besser ist: Ich muss nicht mehr an Sitzungen teilnehmen.

Natürlich habe ich auch Meetings oder Konzeptgespräche mit meinen Auftraggebern. Aber da geht es ganz konkret um ein Interview, eine Reportage oder einen Artikel. In der Regel findet ein solches Arbeitstreffen mit maximal drei Leuten statt und ist rätzfätz wieder vorbei, sobald alles besprochen ist.

Aber ich kann mich gut an die Zeit erinnern, als ich noch angestellt war. Da gab es kein Entrinnen. Morgensitzung, Wochensitzung, Briefing-Sitzung, Debriefing-Sitzung – als was auch immer das Treffen der ganzen Abteilung inklusive Chef oder Chefin bezeichnet wurde, es lief immer in etwa gleich. Und zwar so:

Wichtigtuer und Worthülsen

Die ganze Truppe trifft sich mehr oder weniger pünktlich in einem viel zu kleinen, stickigen Konferenzzimmer, setzt sich rund um den Tisch und wartet erst einmal ab. Irgendjemand kommt immer zu spät. Mr. oder Mrs. Wichtig musste grad noch schnell die Welt retten. Oder ist einfach nur auf der Toilette gewesen, um die Frisur zu richten.

Schliesslich sind alle da, und es geht endlich los. Und schon wird man vom einen Tischende mit Worthülsen bombardiert: Da ist die Rede von quick wins, auf die man proaktiv fokussieren muss, denn nur so wird die Kernkompetenz Core Value performed. Hä? Ein anderer Kollege nutzt die Gelegenheit, um sich mit geklauten Ideen zu profilieren.

Wer nicht einmal das schafft, langweilt die Runde mit seinem rasend-spannenden Privatleben. Manche sagen auch einfach gar nichts, spielen auf dem Handy rum, knabbern an den Fingernägeln oder schreiben To do-Listen.

Nein, nicht für ihren Job. Sondern dass unbedingt noch Butter gekauft werden muss. Und Katzenfutter. Und dass ein Termin mit der Gynäkologin für die Jahreskontrolle fällig ist.

Langeweile bis zum Wegdösen

So ziehen sich Minuten zu Stunden in die Länge. Die Luft wird stickiger und stickiger. Und es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis der eine oder andere wegdöst.

Was übrigens keine Seltenheit ist. Der Elektronikkonzern Sharp befragte in einer Studie über 2'000 Mitarbeiter verschiedener Unternehmen in Europa und kam zu dem Schluss, dass einer von zehn Mitarbeitern schon einmal in einer Sitzung eingeschlafen ist.

Zehn Prozent dachten sich einen Grund aus, um den Raum frühzeitig verlassen zu können. Wen wundert es da, das gemäss einer Untersuchung der Unternehmensberatung Bain & Company über 50 Prozent aller Sitzungen von ihren Teilnehmern als überflüssig beurteilt werden?

Gemäss der gleichen Studie verbringen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter  in Unternehmen rund 15 Prozent ihrer Zeit in Sitzungen – Tendenz steigend. Ein paar findige Köpfe haben sich da allerlei ausgedacht, um diese Zeitverschwendung zu minimieren. «Stehungen» zum Beispiel, also Meetings im Stehen. Diese dauern etwa einen Drittel weniger lang und verhindern ganz sicher, dass jemand einschläft.

Amazon-Chef Jeff Bezos hat eine ganz besondere Methode gegen das endlose Geschwafel entwickelt: Silent Start. Da wird erst einmal bis zu einer halben Stunde lang geschwiegen. Aber nicht gedöst. Nein. Die Zeit soll genutzt werden, um die Sitzungsunterlagen zu lesen oder sich auf die nachfolgenden Diskussionen vorzubereiten.

Mensa statt Meeting

Ob das wirklich was bringt, weiss ich nicht. Ich bin jedenfalls froh, dass mir die 25 Stunden Meetings pro Monat erspart bleiben, die gemäss der Sharp-Studie als ineffektiv empfunden werden. Ist doch viel Zeit, die man besser nutzen kann.

Zum Arbeiten beispielsweise. Oder zum Spazierengehen. Oder zum Essen gehen mit den Kollegen. Das soll gemäss einer Studie der Cornell University nicht nur das Teamwork verbessern, sondern auch allgemein die Arbeitsleistung steigern. Also so gesehen, ist die Mensa jedem Meeting vorzuziehen.

En Guete!

«Die Kolumne»: Ihre Meinung ist gefragt

In der Rubrik «Kolumne» schreiben Redaktorinnen und Redaktoren, freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von «Bluewin» regelmässig über Themen, die sie bewegen. Leserinnen und Leser, die Inputs haben oder Themenvorschläge einreichen möchten, schreiben bitte eine Mail an: redaktion2@swisscom.com

Eine kraftvolle Hommage an die Kuh
Zurück zur Startseite