KolumneBei 9 Grad in den Zürichsee – und glücklich wieder raus
Von Michelle de Oliveira
20.12.2021
Viele schwören auf ihre Routine des Eisbadens, des Schwimmens im kalten Wasser im Winter. Die Kolumnistin hatte sich bisher nicht getraut und sich darum Hilfe geholt.
Von Michelle de Oliveira
20.12.2021, 00:00
20.12.2021, 09:11
Michelle de Oliveira
Ich schnappte nach Luft und hatte dennoch das Gefühl, kaum Sauerstoff zu bekommen. Dann blickte ich in das Gesicht von unserem Lehrer Jan Pekarek und hörte ihn sagen: «Einaaaaaaaatmen! Aaaaaaaaausatmen! Noch dreimal atmen, dann wird es angenehm!»
Es war Anfang Dezember und ich kauerte im 9 Grad kalten Zürichsee – angenehm? In diesem Moment konnte ich mir das nicht vorstellen.
Obwohl, ich mag kaltes Wasser. Ich erinnere mich, wie ich als Kind in der eiskalten Verzasca im Tessin gebadet und mich dann auf den sonnenheissen Steinen wieder aufgewärmt hatte. Komme ich beim Wandern an einem Bergsee vorbei, muss ich hineinspringen. Und den wilden Welles des Atlantiks kann ich selten widerstehen.
Zur Autorin: Michelle de Oliveira
Bild: zVg
Michelle de Oliveira ist Journalistin, Yogalehrerin und Mutter und immer auf der Suche nach Balance – nicht nur auf der Yogamatte. Ausserdem hat sie ein Faible für alles Spirituelle und Esoterische. In ihrer Kolumne berichtet sie über ihre Erfahrungen mit dem Unfassbaren. Sie lebt mit ihrer Familie in Zürich.
Ich liebe das kalte Wasser und das Prickeln auf der Haut. Und geniesse das Gefühl danach. So wach, so frisch, so lebendig.
Bessere Durchblutung, stärkeres Immunsystem
Seit Jahren stelle ich das Wasser am Schluss jeder Dusche auf eiskalt. Seit einer Weile dusche ich – ausser wenn ich die Haare wasche – ausschliesslich kalt. Weil es mir guttut und mich wach macht. Und natürlich kommen mir die gesundheitlichen Vorteile, die kaltes Wasser mit sich bringen soll, gelegen: aktivierter Kreislauf, bessere Durchblutung, ein stärkeres Immunsystem und weniger trockene Haut.
Hinzu kommt die psychische Komponente, die der Konfrontation mit kaltem Wasser zugeschrieben wird: Das Aushalten der Kälte, das Durchbeissen und die Fähigkeit, nicht zu dramatisieren und mit einer stressigen Situation umzugehen, werden trainiert. Dadurch kann die eigene Widerstandskraft, die Resilienz, gestärkt werden und dazu beitragen, im Alltag gelassener zu reagieren.
Ein wohlig warmes Gefühl
Im letzten Winter hatte ich regelmässig Menschen in der Limmat schwimmen gesehen, mit farbigen Mützen und breitem Grinsen. Ich hatte mich jedoch nie getraut, mich den erfahrenen und bestimmt sehr abgehärteten Schwimmern*innen anzuschliessen.
Als ich dieses Jahr im November eine Freundin in München besuchte, witterte ich meine Chance. Sie ist geübte Eisschwimmerin. Also wagte ich mich unter ihrer Anleitung in die Isar. Etwa 20 Sekunden habe ich mit zusammengebissenen Zähnen geschafft. Ich bibberte, als Belohnung begleitete mich den ganzen Tag über ein wohlig warmes Gefühl.
Als Nächstes wollte ich mir den Zürichsee vornehmen. Und holte mir Hilfe von Yogalehrerin Tanja Forcellini und Jan Pekarek. Als Vorbereitung auf das kalte Wasser leitete Tanja eine Meditation an und Jan gab uns einen theoretischen Einblick und führte uns durch Atemübungen nach der Methode des bekannten «Iceman» Wim Hof.
Aufgewärmt und aufgeregt gingen wir zum Ufer des Zürichsees, wo wir als letzte Vorbereitung eine Art Haka – bei den Neuseeländern*innen abgeschaut – machten. Das sollte die Beinmuskulatur aufheizen und warm halten.
Und dann stiegen wir ins Wasser, bis zum Bauch, und stellten uns breitbeinig hin. Das Wasser stand mir wortwörtlich bis zum Hals. Und tatsächlich, nach den ersten – wirklich schmerzhaften! – 30 Sekunden entspannte sich mein Körper etwas, ich konnte ruhiger und bewusster atmen.
Kalt war mir immer noch, aber ich konnte mich auf das Abenteuer einlassen und das Gefühl geniessen. Als ich nach gut drei Minuten im Wasser mit steifen Beinen an Land wieder den Haka übte, musste ich lachen.
Einerseits wegen des unterhaltsamen Bildes, das wir für die Spaziergänger*innen, die neugierig stehen geblieben waren, abgeben mussten. Anderseits aber auch, weil ich mich wahnsinnig gut und stark fühlte. Ich hatte das Grinsen auf dem Gesicht, das ich bei den Limmatschwimmern*innen gesehen hatte.
Der nächste Workshop von Tanja Forcellini und Jan Pekarek findet am 16. Januar 2022 in Zürich statt. Mehr Infos findest du hier.
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