Früher oder später ereilt es einen: das Alter. Wer klug ist, hat sich vorbereitet, sagt der Buchautor Matthias Hollwich. Mit lauter kleinen Stellschrauben lasse sich das Leben gut an spätere Bedürfnisse anpassen. Im Interview erklärt Hollwich, wie es geht.
Mit 39 Jahren stellte der Architekt Matthias Hollwich (heute 47) fest, dass er die Hälfte seines Leben bereits gelebt hatte, statistisch gesehen. Von da an begann er sich mit dem Thema Alter auseinanderzusetzen. Knapp zehn Jahre später ist ein Buch daraus geworden.
Im Interview erklärt der gebürtige Münchner, der heute in New York lebt, warum man alt werden üben muss und was seine Grosstante mit dem Buch «Älter werden. Jung bleiben» zu tun hat.
Herr Hollwich, wer ist Tante Uschi?
Matthias Hollwich: Das ist meine Grosstante, also die Schwester meiner Oma. Sie war die typische deutsche Hausfrau und total abhängig von ihrem Ehemann. Dann starb der relativ früh, und sie hat ihr Leben in die Hand genommen. Als sie 80 wurde, hat sie ihr wunderschönes Haus auf dem Land verlassen, obwohl sie durchaus noch fit genug war, es zu bewirtschaften. Sie wusste, dass sie das in ein paar Jahren nicht mehr kann, und hat sich eine Wohnung in der Nähe eines Altersheims gesucht. In diesem neuen Umfeld war sie die Jüngste und hat alle anderen aktiviert. Uschi hat mich zu dem Buch inspiriert.
Inwiefern?
Wir sollten es alle so machen wie sie: dem Alterungsprozess gute fünf Jahre zuvorkommen.
Und wie geht das?
Indem man sich mal aktiv mit dem Älterwerden konfrontiert und nicht einfach sagt: «Ah, das kommt später, und hoffentlich passiert es mir gar nicht.» So kann man viel intelligentere Entscheidungen treffen, die das Altsein leichter machen.
Zum Beispiel?
Seine Freunde und Bekannte viel stärker in das eigene Leben einzubinden. Bestenfalls beginnt man schon frühzeitig, sich gegenseitig zu helfen. Und wenn man dann im Alter wirklich mal Hilfe braucht - weil man nicht mehr einkaufen, nicht mehr kochen oder nicht mehr Autofahren kann -, sind die Leute schon um einen herum, und man hat ein informelles Hilfesystem gebildet.
Sie raten in Ihrem Buch auch zu einem Leben ohne Auto.
Die meisten Menschen müssen den Führerschein irgendwann abgeben. Und dann stellen sich lauter Fragen: Wie gehe ich jetzt einkaufen? Wie treffe ich meine Freunde? Deswegen lohnt es sich, rechtzeitig darüber nachzudenken, wie ein Leben ohne Auto aussehen könnte. Wenn man eh umzieht, kann man zum Beispiel darauf achten, dass man am neuen Wohnort kein Auto mehr braucht. Oder dass man mit Freunden oder Nachbarn ein Auto teilt.
Sie nennen solche Massnahmen «Probefahrt ins Alter». Wann muss man denn anfangen, das Älterwerden zu üben?
Naja, man wird vom Tag der Geburt an älter, nicht wahr? Alles, was wir ab diesem Moment tun, hat Auswirkungen auf unser späteres Leben: unsere Ausbildung, wie viel wir für unsere Gesundheit tun - so ist es auch mit dem Älterwerden. Auf jeden Fall sollte man mit 40 aktiv werden, mit 50 einen Plan haben, mit 60 das Ganze routiniert umsetzen.
Sie sind ein Gegner des Ruhestands. Warum?
Ich sage immer: Wer sich zu sehr auf die Rente freut, sollte seine Arbeitsbedingungen hinterfragen. Aber klar, irgendwann kommt der Moment, in dem einen die Firma in Rente schickt. Wichtig ist aus meiner Sicht, sich schon vorher eine Tätigkeit zu überlegen, die für einen selbst und die Gesellschaft eine Bedeutung hat. Das trägt einen durchs Leben, gibt dem Dasein einen Zweck, und das ist ganz wichtig, um zufrieden zu sein.
Sie plädieren für ein Leben online. Muss das im Alter wirklich noch sein?
Gerade im Alter. Es gibt viele Services, die online oder via App angeboten werden, von denen ältere Menschen sehr profitieren können. Denken Sie zum Beispiel an Kochboxen. Da werden einem einmal pro Woche Rezepte und Zutaten für Gerichte zugeschickt, und dann kann man damit selbst kochen. Das ist eigentlich nicht speziell für Ältere gedacht. Aber: Im Alter wird vielleicht das Einkaufen schwierig. Das Kochen ist aber immer noch ganz wichtig. Ich bin überzeugt, dass es künftig noch viel mehr solcher Services geben wird. Einfach, weil die Menschen viel arbeiten und es gern bequem haben wollen.
Aber solche Services haben auch ihren Preis.
Das stimmt. Die Alternative ist im Zweifelsfall aber, in ein Altersheim zu gehen. Hier in den USA kostet ein Heim 150 Dollar am Tag. In der Schweiz übernimmt die Pflegeversicherung einen Teil der Kosten, aber teuer ist es immer noch. Wenn ich also ohnehin lieber zu Hause leben möchte, lohnt es sich auch in finanzieller Hinsicht vielleicht, einzelne Services zu buchen - etwa einen Fahrdienst, Kochboxen und eine Haushaltshilfe - und sich das Leben so zu erleichtern. Dafür braucht es aber natürlich auch eine gute Nachbarschaft, die ein bisschen mit ein Auge drauf hat.
Literatur: Matthias Hollwich mit Bruce Mau Design: «Älter werden. Jung bleiben. Smart planen, zufrieden leben, Spass haben», Edel, 240 Seiten, ca. 18 Fr., ISBN-13: 9783841905253.
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