Häusliche Gewalt VI Frau Fehr, wie werden die Opfer unterstützt?

Von Jennifer Furer

3.4.2020

Wie gehen Behörden mit den zunehmenden Vorfällen häuslicher Gewalt in der Coronakrise um? Die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr sagt, wie der Vorzeige-Kanton handelt und was andere von ihm lernen können.

In einer Artikel-Serie hat «Bluewin» die Situation rund um das Thema häusliche Gewalt beleuchtet. Dabei wurde ersichtlich: Die Behörde stehen vor einer grossen Herausforderung. Denn die Nachfrage nach Hilfsangeboten werde steigen, sind sich Fachpersonen einig - was auch gut sei. 

«Zu Hause bleiben ist bei häuslicher Gewalt gefährlich und keine Option», sagte etwa Marlies Haller, Geschäftsführerin Stiftung gegen Gewalt an Frauen und Vorstandsmitglied beim Dachverband Frauenhäuser Schweiz und Liechtenstein. Frauenhäuser würden derzeit ihre Kapazitäten ausbauen.

Doch ein solcher Ausbau braucht Unterstützung von den Behörden. Und auch das Sicherstellen bisheriger Angebote bedarf dem Beistand von Kantonen und Bund.

Hand reichen kann unter anderem Regierungsrätin Jacqueline Fehr (SP), Direktion der Justiz und des Innern im Kanton Zürich. Hier sagt sie, vor welchen Schwierigkeiten der Kanton steht und wie Frauenhäuser nachhaltig unterstützt werden sollen. 

Was macht der Kanton Zürich, um der zunehmenden häuslichen Gewalt in der Corona-Krise zu begegnen?

Zum einen helfen alle involvierten Institutionen mit, dass der ordentliche Betrieb aufrechterhalten werden kann. Das heisst: Die Opferberatungsstellen sind erreichbar, die Kantonale Opferhilfestelle arbeitet, die Frauenhäuser bleiben offen. Damit im Kanton Zürich auch in der aktuellen Ausnahmesituation alle schutzsuchenden Frauen Unterstützung finden, werden die Kapazitäten in den Frauenhäusern derzeit ausgebaut.

Häusliche Gewalt kommt vor allem in Partnerschaften vor.
Häusliche Gewalt kommt vor allem in Partnerschaften vor.
Bundesamt für Statistik

Der Kanton Zürich gilt als Vorzeigekanton. Warum?

Im Kanton Zürich hat die Opferberatung einen hohen Stellenwert. Deshalb wurden die Ressourcen der Opferberatungsstellen Anfang Jahr aufgestockt – von 6 auf 7,5 Millionen Franken. Auch die Finanzierung der Frauenhäuser wurde verbessert: Das kantonale Sozialamt hat die Sockelbeiträge an die Frauenhäuser massiv erhöht und übernimmt so das Risiko einer schwankenden Auslastung.

Fragen andere Kantone bei Ihnen um Ratschläge nach?

Die Kantonale Opferhilfestelle wirkt in verschiedenen Gremien mit. Natürlich geben wir unsere Erfahrung gerne weiter. Der Austausch findet aber gegenseitig statt. Auch uns interessiert es sehr, wie andernorts gearbeitet wird. Oft haben andere schon gute Lösungen gefunden für Probleme, die sich bei uns stellen. Man muss das Rad nicht immer neu erfinden.

Wie stellt der Kanton allgemein sicher, dass Opfer häuslicher Gewalt Hilfe bekommen und das System nicht überlastet wird?

Alle Institutionen stehen in regem Austausch. Neben den Opferberatungsstellen, der kantonalen Opferhilfestelle und den Frauenhäusern sind auch die Kantonspolizei, die Staatsanwaltschaft und das kantonale Sozialamt wichtige Akteure. Zudem werden wie erwähnt die Kapazitäten bei den Frauenhäusern ausgebaut.

Inwiefern?

Die Corona-Pandemie führt bei den Frauenhäusern zu Zusatzkosten. Diese Zusatzkosten werden von den kantonalen Stellen sorgfältig geprüft – und soweit nachvollziehbar übernommen. Das Sozialamt hat die Leistungsvereinbarungen ausgeweitet und so die Voraussetzungen geschaffen, um die Kapazitäten der Frauenhäuser zu erhöhen.



Frauenhäuser haben bereits heute zu wenig Kapazitäten. Mit der Coronakrise verschärft sich dieses Problem. Was macht der Kanton konkret?

Genauere Angaben können wir aus Sicherheitsgründen nicht machen. Es handelt hier um Unterkünfte für Frauen und Kinder, die von Gewalt bedroht sind.

Frauenhäuser fordern, dass sie als systemrelevant eingestuft werden, damit sie zu Coronavirus-Tests in den Testzentren zugelassen werden. Was sagen Sie dazu?

Frauenhäuser gehören genauso zur Grundversorgung wie die Strafverfolgung oder die Gerichte. Deswegen muss ihr Betrieb zwingend aufrechterhalten werden können. Um dies garantieren zu können, ist es in erster Linie wichtig, dass die Frauenhäuser über geeignetes Schutzmaterial verfügen, also zum Beispiel über Schutzmasken und Desinfektionsmittel. Wenn sie dazu noch einen erleichterten Zugang zu Tests erhielten, wäre dies von Vorteil.

Ein Vorstandsmitglied des Dachverbands Frauenhäuser fordert, dass es eine schnelle und unbürokratische Bewilligung von Gesuchen nach dem Opferhilfegesetz brauche – einerseits für die Frauen, die ausserhalb des Frauenhauses platziert werden und andererseits für Verlängerungen des Aufenthaltes der Frauen im Frauenhaus, die wegen der Coronakrise nicht austreten können. Inwiefern klappt dies in Zürich?

Das klappt sehr gut. Aktuell stehen wir vor der Herausforderung, dass es schwieriger ist als unter normalen Umständen, geeignete Anschlusslösungen zu finden. Wir bemühen uns jedoch, dass Gesuche schnell, aber natürlich gemäss den gesetzlichen Vorgaben entschieden werden können. Die Frauenhäuser wissen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Deshalb werden die Gesuche in aller Regel gutgeheissen.

Wie kann sichergestellt werden, dass den Frauenhäusern nachhaltig und nicht nur jetzt geholfen wird?

Der Kanton ist beständig darum bemüht, die Situation zu verbessern. Wir prüfen immer wieder Möglichkeiten.


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