Wie effektiv sind Einschlaf-Hilfsmittel? «Melatonin im Internet zu besorgen, ist po­ten­zi­ell schädlich»

Vanessa Büchel

22.9.2024

Einschlafprobleme können Betroffene in den Wahnsinn treiben. 
Einschlafprobleme können Betroffene in den Wahnsinn treiben. 
IMAGO/Depositphotos

Hilfsmittel wie Melatonin-Gummibärchen, Duftsprays fürs Kissen oder Lavendelöl sollen beim Einschlafen helfen. Der Selbsttest zeigt, wie förderlich solche Produkte sind. Eine Expertin schätzt deren Effekt ein. 

Vanessa Büchel

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Etwa jede vierte erwachsene Person hat Schlafstörungen.
  • Für Menschen, die Mühe haben, abends einzuschlafen, gibt es Hilfsmittel wie Melatonin-Gummibärchen oder Kissensprays.
  • Eine Expertin schätzt mit Melatonin angereicherte Produkte als «potenziell gefährlich» ein.
  • Unsere Autorin macht einen Selbstversuch.

Wer kennt es nicht: Eigentlich müde, wälzt du dich lange zwischen den Bettlacken hin und her, bis du endlich in den Schlaf findest. Etwa jede vierte erwachsene Person ist von Schlafstörungen betroffen, wie das Universitätsspital Zürich USZ schreibt. Von einer Einschlafstörung ist laut dem USZ die Rede, wenn jemand länger als eine halbe Stunde benötigt, um einzuschlafen.

Davon kann ich dir ein Lied von singen. Wie viele Nächte bin ich schon abends wach gelegen, habe mir den Kopf zerbrochen und mich gefragt, warum ich denn nun nicht endlich ins Land der Träume finde? Dann dauert es umso länger. Es ist ein Teufelskreis. 

Weil ich immer wieder Schwierigkeiten mit dem Einschlafen habe, suche ich online nach Hilfsmitteln und Tipps. Und tatsächlich werde fündig: Es gibt mit Melatonin angereicherte Gummibärchen, Duftsprays fürs Kopfkissen oder Lavendelöl, um nur ein paar wenige zu nennen. 

Weil ich Gummibärchen liebe, gönne ich mir nun jeden Abend eines aus der «Sleep»-Dose von Bears with Benefits. Der «Pillow Mist» von Rituals – enthält Sandelholz und Lavendel – verspricht eine «erholsame Nachtruhe». Schadet bestimmt nicht. 

Doch helfen solche Hilfsmittel? Auch nach zwei Wochen Anwendung nehme ich nicht wirklich Besserung wahr. Ich wälze mich nach wie vor von einer zur anderen Seite. Ein erholsamer Schlaf liegt noch immer in weiter Ferne. Dem Kopfkissenspray bleibe ich treu, die Gummibärchen landen dagegen zugeschraubt irgendwo hinten im Schrank.

Finger weg von Melatonin-Produkten

Barbara Schäuble, leitende Ärztin für neurologische Rehabilitation in den Zürcher Rehazentren, sieht in solchen Hilfsmitteln keinen Sinn. Vor allem von mit Melatonin angereicherten Produkten rät sie ab. «Grundsätzlich gibt es bei gesunden Menschen keinen Melatonin-Mangel. Für sie gibt es aus medizinischer Sicht keine Notwendigkeit, sich Melatonin zuzuführen», so Schäuble.

Ausreichend langer Schlaf und gute Erholung seien natürlich gesund und würden dem Körper helfen. Melatonin ohne ärztliche Verschreibung im Internet zu besorgen, sei jedoch «po­ten­zi­ell schädlich». Schäuble sagt: «Es verstellt die innere Uhr, wenn es zur falschen Zeit genommen wird.»

Prof. Dr. med. Barbara Schäuble ist leitende Ärztin für neurologische Rehabilitation in der Klinik Wald ZH der Zürcher Rehazentren. 
Prof. Dr. med. Barbara Schäuble ist leitende Ärztin für neurologische Rehabilitation in der Klinik Wald ZH der Zürcher Rehazentren. 
zhreha.ch

Schäuble erklärt weiter, dass man bei Behandlungen in den Zürcher Rehazentren auf nicht-pharmakologische Massnahmen setzen würde, wie etwa progressive Muskelrelaxation, aerobe Fitness, ausreichend aber nicht zu lange Bettzeiten, Reduktion stimulierender Einflüsse wie Nikotin, Koffein, Fernsehen oder mobile Endgeräte. 

6 Tipps von der Expertin für entspanntes Einschlafen

Wer abends Mühe hat, einzuschlafen, der sollte laut Schäuble auf die folgenden Tipps setzen.

1. Die richtigen Bedingungen: «Es ist wichtig, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, die zum Schlafen einlädt», führt Schäuble aus. Dazu zähle eine angenehme Raumtemperatur, die optimale Schlafzimmertemperatur liege etwa bei 16 bis 18 Grad. «Das Schlafzimmer sollte kühl und gut gelüftet sein.» Ausserdem solle möglichst in einem dunklen Raum geschlafen und nur gedämpftes Licht angemacht werden.

2. Ritual: Unser Körper muss sich auf «Schlaf» einstellen können, wie Schäuble anfügt. Das gehe nicht einfach so in zehn Minuten. Die Ärztin rät: «Wer Mühe mit Einschlafen hat, sollte eine Stunde vor dem Zubettgehen ein Schlafritual aufbauen, um abzuschalten. Zum Beispiel ein entspannendes Spiel spielen oder einen Schlaftee trinken.» Wichtig sei auch, die Anforderungen des Tages nicht mit in den Abend zu nehmen und Dinge wie spätes Arbeiten oder Haushaltsaufgaben vor dem Schlafengehen zu vermeiden. «Stattdessen eignen sich schlaffördernde Aktivitäten wie Lesen, erholsames Yoga oder ein heisses Bad. Damit signalisierst du deinem Körper: Jetzt ist es Zeit, innere Ruhe zu finden.»

3. Regelmässigkeit: Immer zur gleichen Zeit ins Bett zu gehen oder aufzustehen – auch am Wochenende –, könne ebenfalls helfen. «Unser Körper liebt Routine. Sie ist wichtig für verschiedene biologische Rhythmen im Körper», befindet Schäuble. 

4. Nicht wach im Bett liegen: Wer nachts aufwacht und nach 20 Minuten nicht mehr einschläft, sollte laut der Ärztin besser aufstehen, statt im Bett wach liegen zu bleiben. Schäuble: «Dann könnte man zum Beispiel lesen, bis die Müdigkeit wiederkommt. Das Bett ist der Ort, an dem geschlafen wird, nicht wo man wach liegt. Das Hirn muss so konditioniert bleiben.»

5. Wenig oder keinen Mittagsschlaf: Wer in der Nacht nur wenig Schlaf findet und am Tag erschöpft sowie übermüdet ist, dem bietet sich ein Mittagsschlaf an. «Aber auch wenn es nur ein paar Minuten sind, kann ein Nickerchen dazu führen, dass sich der sogenannte Schlafdruck wieder abbaut», warnt Schäuble. Die Ärztin erwähnt als Folge: «Du bist abends länger wach und benötigst mehr Zeit, um einzuschlafen. Daher ist es ratsam, auf einen Mittagsschlaf zu verzichten.» Ist dies nicht möglich, rät die Expertin, das Nickerchen am Tag vor 15 Uhr zu legen und auf etwa 20 Minuten zu begrenzen.

6. Körperliche Anstrengungen nicht kurz vor dem Schlafengehen: Regelmässiger Sport wirke sich positiv auf den Schlaf aus, da er den Körper erschöpft und so den Schlafdruck erhöht. «Nur kurz vor dem Schlafengehen sollte auf starke körperliche oder geistige Anstrengung verzichtet werden, da das den Körper aktiviert und zur Ausschüttung von Stresshormonen führt», befindet Schäuble. Daher werde empfohlen, anstrengende Tätigkeiten ab etwa zwei Stunden vor dem Schlafengehen schrittweise zu reduzieren. 


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