Schönheitsoperationen Enrique Steiger: «Es war als wäre ein Damm geöffnet worden»

Von Sulamith Ehrensperger

26.8.2020

Die Zahl der Menschen, die sich für eine Schönheitsoperation entscheidet, soll während der Coronakrise angestiegen sein. 
Die Zahl der Menschen, die sich für eine Schönheitsoperation entscheidet, soll während der Coronakrise angestiegen sein. 
Bild: Getty Images

Facelifting oder Nasenoperation: Offenbar entscheiden sich in der Corona-Zeit mehr Menschen für einen kosmetischen Eingriff. Die Krise verändere unser Verhältnis zur Schönheit, sagt der bekannte plastische Chirurg Enrique Steiger.

Homeoffice und Maskenpflicht: Die Corona-Zeit sollen viele für kosmetische Eingriffe nutzen, wie die «BBC» berichtet. Enrique Steigersind Sie als Schönheitschirurg zurzeit besonders gefragt?

Als der Lockdown passierte, dachte ich, dass ich mich jetzt wohl frühpensionieren müsste. Dann wurde ich überrascht: Kaum konnte die Klinik wieder öffnen, war es als wäre ein Damm geöffnet worden. Wir wurden überflutet mit Anfragen.

Merken Sie diesen Trend auch noch mehr als vier Monate nach dem Lockdown?

Es geht im gleichen Tempo weiter, der Boom hält an. Was vorübergehend abgenommen hat, sind grössere Operationen. Das ist aber mehrheitlich auch saisonal bedingt, weil die meisten OPs in den kühleren Jahreszeiten stattfinden. Vielleicht aber auch, weil manche Patienten Respekt haben vor einer Covid-Infektion. Wobei wir bisher keinen einzigen Fall hatten – wir testen regelmässig auch unser Personal.

Welche Verschönerungen sind zurzeit besonders gefragt?

Wir merken eine stärkere Nachfrage nach Gesichtsoperationen wie Augenlider, Lippe oder Nase. Ebenso sind nichtoperative Falten- und Hautbehandlungen gefragt, um wieder frischer auszusehen.

Enrique Steiger ist Facharzt für Plastische- und Wiederherstellungschirurgie sowie für Traumatologie. Er ist Klinikleiter und Inhaber der Clinic Utoquai in Zürich. Steiger engagiert sich regelmässig in Kriegsgebieten und ist Gründer der Stiftung Swisscross.
Enrique Steiger ist Facharzt für Plastische- und Wiederherstellungschirurgie sowie für Traumatologie. Er ist Klinikleiter und Inhaber der Clinic Utoquai in Zürich. Steiger engagiert sich regelmässig in Kriegsgebieten und ist Gründer der Stiftung Swisscross.
Bild: zVg

Was sind das für Leute, die im Moment zu Ihnen kommen – auch solche, die sich sonst nicht operieren lassen würden?

Nur wegen der Covid-Zeit glaube ich nicht. Ich denke eher, dass es Leute gibt, die sich sagen: Das ist nun der richtige Zeitpunkt, weil sie von zu Hause aus arbeiten, das Maskentragen zum Alltag gehört und sich die meisten ein bisschen isoliert haben – so können sie sich in Ruhe auskurieren. Bei den meisten OPs, die wir machen, sehen Sie nach maximal zehn Tagen wieder ganz normal aus.

Wie haben Sie die Zeit des Lockdowns erlebt?

Ich musste 90 Prozent meines 32-köpfigen Teams nach Hause oder in die Ferien schicken. Das war nicht einfach. Ich habe trotzdem noch 10 bis 20 Prozent mit einem Rumpfteam gearbeitet, weil wir in dieser Zeit Brustkrebspatientinnen operierten und diese betreuten. Sie haben sich gefreut, dass wir mehr Zeit für sie hatten. Ich engagiere mich auch für Hilfsprojekte in Kriegsgebieten – und hatte einen Aufruf nach Afghanistan. Aber das war natürlich nicht mehr möglich.

Ich beobachte, dass es mehr Leute gibt, die in der Corona-Zeit plötzlich Sport und gesunde Ernährung entdeckt haben und mehr Sorge um sich selbst tragen. Verändern Krisen unser Verhältnis zu uns selbst und damit auch zur Schönheit?

Ganz eindeutig. Ich merke, dass wir alle eine Zeit hinter uns haben, die uns beängstigt und eingeschränkt hat und viele wollen sich jetzt wieder wohlfühlen. Sie wollen zurück zur Normalität und wieder Freude an sich haben, wenn sie morgens in den Spiegel schauen. Das habe ich auch an mir selbst gemerkt, als ich mir wieder Botox selber gespritzt habe. Ich sehe wieder frischer aus als noch vor sechs Monaten. Allerdings hatte ich damals auch ganz andere Sorgen.



Verändert die Corona-Zeit unser Verhältnis zur Schönheit langfristig?

Ich glaube, das ist nicht etwas kurzfristig Covid-Bedingtes. Das Gebiet der Schönheitschirurgie ist stark am Wachsen, das kann ich Ihnen versichern. Wobei Schönheit mehr ist, als nur plastische Chirurgie. Seit zwei Jahren fokussiert sich mein Team mehr auf Gesundheit und Wohlbefinden. Wir haben unter anderem eine Ernährungsberaterin, Spezialisten für Haut und Haar und arbeiten mit der Immunologie des Universitätsspitals Zürich zusammen. Es reicht nicht aus, nur die Hülle zu verändern, wir müssen auch vermehrt darauf schauen, dass der Mensch unter der Hülle gesund bleibt. Es gibt keine Schönheit ohne Gesundheit!

Ich kann also nicht mal rasch zum Fettabsaugen kommen, etwa weil ich in der Corona-Zeit ein paar Kilos zugelegt habe?

Wenn Sie Fettabsaugen wollen, weil Sie in der Covid-Zeit an Gewicht zugelegt haben, schicke ich Sie erst zur Ernährungsberaterin. Nicht selten sagen die Patienten dann bei der Sprechstunde: «Herr Steiger, es geht mir blendend, ich brauche doch keine OP.» Ich glaube fest daran, dass die Zukunft der Medizin eine ist, die auf Sie als Person zugeschnitten ist. Wenn Sie gesund sind, sind Sie schön. Hingegen können Sie nicht schön sein, wenn Sie nicht gesund sind.

Haben Sie die Zeit auch für Ihre eigene Schönheit genutzt?

Ich weiss nicht, was von meiner Schönheit noch übriggeblieben ist (lacht). Ich habe die Zeit schon ein bisschen genutzt, um meine persönliche Fitness wieder auf Vordermann zu bringen. Ich war jeden Tag joggen und schwimmen, und fand Zeit für Waldspaziergänge mit meiner Frau. Wenn ich Patienten getroffen habe, waren die ganz überrascht und meinten: «Guten Tag, Herr Steiger. Was machen sie denn mitten am Nachmittag im Wald?»

Wenn ich was an mir machen lassen möchte: Woran erkenne ich den für mich richtigen Chirurgen?

Ich glaube, Mund-zu-Mund-Empfehlungen sind noch immer die beste Referenz. Entscheidend ist, dass es jemand seriöses ist, ein schweizerischer Facharzttitel der FMH garantiert zumindest ein Minimum an Erfahrung. Ich rate ab, sich bei Instagram und Social Media zu informieren, wo Ärzte sich anpreisen und Rabatte wie «Zwei Brüste für eine» anbieten. Es geht um Sie als Menschen – und nicht irgendein Parfüm oder Kleidungsstück. Bei OPs kann es zu Komplikationen kommen, schlimmstenfalls können Sie daran auch sterben. Ich würde mir den Arzt ganz genau anschauen, und denjenigen wählen, bei dem Sie das beste Bauchgefühl haben. 15 Prozent meiner Patienten operiere ich nicht, weil sie eine falsche Vorstellung haben oder es die falsche OP für diese Person ist. Ich glaube, mein Erfolg basiert auch auf denjenigen Patienten, die ich abgelehnt habe (lacht).



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