TV-Experte «Die Höhle der Löwen»: Braucht die Schweiz all das Zeugs?

TV-Experte Gion Mathias Cavelty

22.5.2019

Die Löwen bewegen sich in freier Laufbahn – fast jedenfalls. Sie sitzen im Studio und hören sich die bahnbrechenden Ideen von Schweizer Start-Ups an. TV-Experte Gion Mathias Cavelty hat seinen Senf parat.

Was ist die wichtigste Erfindung, die man in der Schweiz noch machen müsste? Wenn Sie mich fragen: Ganz klar der Bündnerdeutschinator. Das ist eine kleine Maschine für Leute mit einem grässlichen Schweizer Dialekt, die gerne den schönsten Dialekt der Welt sprechen würden, nämlich Bündnerdeutsch. Ich stelle ihn mir vor wie eine Mundharmonika, die man sich an die Lippen halten kann, wenn man seinen nicht so schönen Dialekt spricht – vorne heraus käme aber alles in herrlichstem Bündnerdeutsch. Eine super Sache, nicht wahr? Ich glaube, ich bewerbe mich bei «Die Höhle der Löwen Schweiz». Dieses internationale TV-Format gibt es seit Dienstagabend auch in der Schweizer Version (wie der Name schon relativ klar sagt), produziert vom Sender TV24 (der schon für «Ninja Warrior Switzerland» verantwortlich zeichnete).

In der ersten Folge von «Die Höhle der Löwen Schweiz» ging es freilich um ganz andere Dinge, für die deren Erfinder von den potentiellen Investoren (eben den «Löwen») Geld und Know-how wollten. Bei den hiesigen Löwen handelt es sich um Verleger Jürg Marquard, Roland Brack (Online-Handel), Anja Graf (Serviced Apartments), Bettina Hein (Software) und Tobias Reichmuth (nachhaltige Energie).

Veteranen und Rekruten

Sechs Lämmer wollten in der Premiere den ganz dicken Fisch an Land ziehen. Da hatte es Sachen dabei wie «Intelligenz-Holzspiele für Hunde und Katzen aus geschützten Werkstätten», «selbstwärmende Schuhsohlen ohne Chemie/Elektronik» oder eine «Mobile-Toiletten-Revolution».

Die einzelnen Pitches waren zum grossen Teil interessant und durchaus auch amüsant. Das hätte ich «den Schweizern» gar nicht so zugetraut. Ich hatte eher mit wortkarg-knorzig-verbissen-charmefrei-zahlenfixierten Präsentationen wie auch Reaktionen gerechnet. Aber die 95 Minuten Sendezeit vergingen wie im Flug. Gut gefallen hat mir zum Beispiel der Pitch mit den Wärmesohlen:



«Mini Frau und ich hän immer chalti Füess gha», stellte ETH-Elektroingenieur Roland Brüniger sein Produkt vor; aus diesem Grund habe er «die selbstwärmende Chili-Feet-Sohle» erfunden (das Ding ist bereits auf dem Markt, wenn auch mit bis dato 20'000 verkauften Stück nicht besonders erfolgreich; 50'000 Stück liegen noch im Lager). Wenn die Einlagesohle zusammengedrückt wird, produziert sie Wärme – die genaue Rezeptur wollte Brüniger nicht offenlegen. «Ich fühle mich wie im Tal des Todes», klagte er vor den Löwen, «ich lebe zwar noch, aber ich komme mit dem Produkt einfach nicht raus; es greift einfach nicht; ich brauche Unterstützung», womit er meinte: Unterstützung in der Vermarktung und im Vertrieb. Plus 250'000 Franken. Dafür war er bereit, 10 Prozent seiner Firma abzutreten.

«22 Prozent der Schweizer Bevölkerung kennen den Namen Chili Feet», gab Brüniger stolz an – und hätte diese Information besser für sich behalten, denn Löwe Tobias Reichmuth schaltete sich sofort ein: «Ganz ehrlich, das finde ich jetzt gar nicht so toll. 22 Prozent der Leute kennen das – und trotzdem kaufen es nicht wirklich viele. Es besteht offenbar nicht so eine riesengrosse Nachfrage. Oder die Schweizer haben einfach keine kalten Füsse.»

Leider kein Geld für die warmen Füsse

Tja. Und dann kam noch ein gröberes Problem auf den Tisch: Ein Schneeschuhlauf-Test mit Rekruten hatte ergeben, dass diese am Schluss gefroren hatten, «wil sie z heiss gha hän» und schwitzen mussten.

An dieser Stelle musste ich ein bisschen lachen. Und dass man die Sohlen zu Hause dann auch noch aus einer Vorlage selbst ausschneiden muss, macht die Sache auch nicht sexier.

Game over, dachte ich. Und so war es leider (für den sehr sympathischen Herr Brüniger) dann auch. Keiner der Löwen wollte durch seinen Reifen springen. Aber er bekam immerhin das sogenannte Gründerticket von Media-Shop, dank dem sein Produkt im Werbefernsehen gefeatured wird.

Brüniger kommt übrigens ursprünglich aus Graubünden, spricht aber nach vielen Jahren im Unterland einen sehr verwässerten Dialekt – vielleicht kann ich ihm einen Bündnerdeutschinator andrehen ...



Der Satz der Sendung: «Ich finde es eigentlich super, wenn man aus Scheisse Geld machen kann» (Löwe Roland Brack zum Mobile-Toiletten-Revolutions-Mann; dessen Revolution muss übrigens noch auf sich warten lassen).

650'000 Franken hatten die Löwen am Schluss aus ihrem privaten Vermögen investiert: 300'000 Franken für 10 Prozent Firmenanteile an «My Camper» (eine Sharing-Plattform für Wohnmobile und Camper), 200'000 Franken für 24 Prozent Anteil an «Ecoleo» («Möbel nach Mass vom Online-Schreiner in 5 Tagen») sowie 150'000 Franken für Anteile an «Hundespiele» und 10 Prozent Royalties auf jedes Spiel (Jürg Marquard wollte gleich selber mitspielen).

Prädikat: Unterhaltsam!

(Bevor ich's vergesse: Ein Freund von mir hatte auch mal eine gute Idee, nämlich eine Cervelat in Schweizerkreuzform für den 1. August, also zwei gekreuzte Cervelats im Prinzip. Er hat seine Idee dann sogar einem hohen Verantwortlichen der Migros vorstellen dürfen, aber es nichts daraus geworden. Schade ...)

«Die Höhle der Löwen» lief am Dienstag, 21. Mai, um 20.15 Uhr auf TV24. Mit Swisscom Replay TV können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

Und hier noch die Bilder des Tages
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