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Bötschi fragt Jürg Marquard: «Ich dachte, ich sterbe»
Von Bruno Bötschi
13.5.2019
Jürg Marquard war Teil der 68er-Bewegung, später wurde er zu einem erfolgreichen Verleger. Ein Gespräch über seine Millionärsformel, seinen wertvollsten Besitz, die Schüler-Klimastreiks und den Tod.
Lebemann, Jetsetter, Yachtbesitzer – Jürg Marquard zeigt gerne, was er hat. Eine Charaktereigenschaft, die nicht bei allen Schweizerinnen und Schweizern gut ankommt. Seine Villa «Bella Vista» steht hoch über dem Zürichsee und macht ihrem Namen alle Ehre – auf den zweiten Blick.
Wer Verleger Marquard in Herrliberg besucht, sieht zuerst nur ein mächtiges Eingangstor, die weiss getünchte Villa ist hinter Hecken und Bäumen versteckt. In der Einfahrt parkt eines von Marquards Lieblingsspielzeugen: der Rolls-Royce. Im dahinterliegenden Glas-Anbau noch mehr schnittige Sportwagen. Vier!
Marquard könnte sich längst zurücklehnen und dem Nichtstun frönen. Will er nicht, tut er nicht.
Stattdessen wird der 74-Jährige ab 21. Mai in der Gründershow «Die Höhle der Löwen» auf TV 24 zusammen mit vier anderen Investoren über die Zukunft von Schweizer Firmengründern entscheiden.
Herr Marquard, ich stelle Ihnen in den nächsten 30 Minuten möglichst viele Fragen. Und Sie antworten möglichst kurz und schnell. Wenn Ihnen eine Frage nicht passt, sagen Sie einfach «weiter».
Okay.
Hund oder Katze?
Hund ... nein, Katze. Pflegeleichter.
Rolls-Royce oder Maybach?
Rolls-Royce – habe zwei Stück.
Wie hoch ist Ihre monatliche Handyrechnung?
Nicht mehr hoch. Mit den alten Tarifen war sie jeweils sehr hoch.
Was kann man für 30 Rappen kaufen?
Eine 30-Rappen-Briefmarke.
Als Lokalkorrespondent des «Limmattaler Tagblatts» schrieben Sie einst für ein Zeilenhonorar von 30 Rappen.
Stimmt.
Später schrieben Sie für die «Annabelle» ...
... stimmt auch.
Welche Themen bearbeiteten Sie für das Frauenmagazin?
Ich war 17 und für die Teenager-Seite verantwortlich. Ich schrieb aber auch über andere Themen.
Wie kamen Sie zu dem Job?
Ich lief eines Tages in die Redaktion und sagte: «Hallo, da bin ich. Ich möchte für euch schreiben.» Unter anderem schrieb ich einen Artikel darüber, wie man auf der Zürcher Bahnhofstrasse Frauen aufreisst ...
Demnach waren Sie ein frühreifer junger Mann.
Ach, als ich diesen Artikel schrieb, war ich wahrscheinlich schon 18. Damals schlenderten abends noch viele Frauen über die Bahnhofstrasse. Heute ist die Strasse zu dieser Zeit menschenleer.
Bitte verraten Sie der heutigen Tinder-Generation Ihre Aufreissertipps!
Stopp, ich muss mich korrigieren: Ich schrieb nicht einen Artikel darüber, wie man Frauen aufreisst, sondern ich schrieb darüber, was passiert, wenn man Frauen aufreisst. Ich beschrieb meine eigenen Erlebnisse – aber fragen Sie mich bitte nicht, welche das waren. Ich habe sie vergessen. Längst.
Nach der Matura begaben Sie sich mit einem SBB-2. Klasse-Ticket auf Rundreise und schrieben die Reportage «Es muss nicht immer St. Moritz sein» – was hatten Sie als junger Mensch gegen den Engadiner Skiort?
Überhaupt nichts – die Geschichte war eine Auftragsarbeit. Ich reiste übrigens trotzdem nach St. Moritz. Ich erinnere mich noch genau, wie ich vor dem Hotel Badrutt's Palace stand und dachte: «Da würde ich auch gerne einmal in die Ferien gehen. Aber als Journalist habe ich dafür wohl den falschen Beruf gewählt.»
Marquard dachte falsch – seit 1997 hat er den Turm des «Badrutt’s Palace» gemietet. Er weilt meist während den Wintermonate dort. Den März und den April verbringt er oft in der Karibik, ab Mai gleitet er auf seiner Yacht durchs Mittelmeer, im Herbst geht es zurück in die Karibik, dann wieder in den Engadiner Schnee. Gearbeitet wird überall: Marquards Arbeitsinstrument ist sein iPad.
Wann schreiben Sie Ihre Autobiographie?
Ich werde oft angefragt, konnte mich aber noch nicht dazu entschliessen.
Warum nicht?
Mir fehlt die Zeit.
Ihr revolutionärster Gedanke als junger Journalist?
Das Musikmagazin «Pop» zu gründen.
Was denken Sie, hätte der junge Jürg sich an den heutigen Schüler-Klimademos beteiligt?
Ja – weil der junge Jürg alles mitgemacht hat, was im Zeitgeist war.
2016 sagten Sie in einem Interview über die Gründerzeit Ihres «Pop»-Musikmagazins: «Wir fühlten die revolutionäre Sprengkraft dieser Bewegung und sahen darin mehr als einen Musikhype, deshalb wollten wir sie in der ganzen Bandbreite darstellen.» – Ist die damalige Sprengkraft der 68er-Generation mit der heutigen Klimabewegung vergleichbar?
Die Klimabewegung ist eine sehr ernstzunehmende Bewegung. Es gibt jedoch einen grossen Unterschied zu den 1960er Jahren: Die Klimabewegung konzentriert sich auf ein Thema. Wir 68er hatten viele Themen, weil damals unter uns Jungen eine grundsätzliche Unzufriedenheit über die Lebensumstände vorherrschte.
Was würde der junge Jürg über das Leben des heutigen Jürgs denken?
Der junge Jürg wusste gar nicht, dass es so ein Leben gibt. Als junger Mensch hatte ich absolut keine Berührungspunkte zu dem Leben, das ich heute führe.
Finden Sie, die Schülerinnen und Schüler würden gescheiter am Freitag in die Schule gehen, als mit ihren Klimastreiks den Verkehr in den Städten aufhalten?
Würden die Schülerinnen und Schüler jeden Freitag streiken, dann vielleicht, aber das tun sie ja nicht. Oder?
Wie erklärten Sie einst Ihren Kindern die Ungerechtigkeiten auf dieser Welt?
Ich versuchte sie darauf vorzubereiten, aber erklären konnte ich sie ihnen nicht. Ich kann sie mir selbst ja auch nicht erklären.
Wenn Sie nochmals Vater würden ...
... was ich absolut nicht vorhabe (lacht) ...
... was würden Sie bei der Erziehung Ihres Kindes anders machen?
Ich hatte nicht das Privileg, die ganze Kindheit meiner fünf Kinder miterleben zu können. Darum wäre das mein grösster Wunsch. Ich habe zwei Scheidungen hinter mir, deshalb sind meine Kinder teilweise ohne mich und in den USA aufgewachsen. Ich habe jedoch bis heute einen engen Kontakt zu ihnen, sie besuchen mich regelmässig.
Was tun Sie konkret, um den Klimawandel aufzuhalten?
Ehrlich gesagt: nichts.
Marquard – das ist jetzt klar – ist einer, der auch sagt, wenn er etwas nicht tut.
Ich stelle Ihnen diese Frage deshalb, weil auf der Internetseite Ihres Unternehmens der Satz steht: «Das Engagement der Marquard Media Group im Bereich sozialer Unternehmensverantwortung spiegelt sich in den folgenden Schwerpunkten wider: Beziehungen zu Wohltätigkeitsorganisationen, Unterstützung von Kindern und Einsatz für den Umweltschutz.»
Sie haben mich persönlich gefragt, und ich gab Ihnen eine ehrliche Antwort. Als Besitzer einer Yacht und vier Sportwagen, der zudem Privatjet fliegt, kann ich schwerlich behaupten, ich würde viel für den Klimaschutz tun. Das wäre lächerlich. Bei der Marquard Media Group liegt der Fall anders. Marquard Media engagiert sich in vielen Bereichen. So waren wir unter anderem das erste Medienhaus in Ungarn, das für alle unsere Zeitschriften ein vollständiges Pelzverbot verkündete. Und es gibt noch viele weitere Engagements.
Demnach hängen in den Kleiderschränken von Ihnen und Ihrer Frau nach wie vor Pelze?
Ja – also bei meinen Mänteln nur im Innenfutter.
Weshalb stiegen Sie nie in die Politik ein?
Erstens weil ich mich nicht auf eine Partei festlegen konnte. Und zweitens, weil ich ein Leben als Politiker nicht erstrebenswert fand.
Mit 20 gründeten Sie die Zeitschrift «Pop» mit einem Startkapital von 2‘000 Franken, die Ihnen Freunde geliehen hatten. Wirklich wahr, dass Ihnen Ihr Vater, er war Zahnarzt, nur für ein Studium finanzielle Unterstützung versprochen hatte?
Geld hätte mir mein Vater keines gegeben, aber als Student hätte ich gratis daheim wohnen können, und er hätte wahrscheinlich die Studiengebühren übernommen. Ab dem Tag, an dem ich meinem Vater mitteilte, dass ich nicht an die Uni gehen würde, musste ich daheim monatlich 300 Franken abgeben.
«Pop» musste also schnell schwarze Zahlen schreiben, sonst wären Sie Konkurs gegangen.
Genau.
Sie hatten Glück: «Pop» funktionierte von Anfang an. Schon bald verkauften Sie Millionen von Heften mit der Kelly Family auf dem Titel, obwohl Sie deren Musik nie hörten.
Ich war nie ein Fan der Kelly Family. In der Redaktion nannten wir die Band heimlich Dumpfbacken. Anfänglich war «Pop» mein Herzensprojekt, aber das Heft geriet dann zunehmend ins kommerzielle Fahrwasser. Irgendwann sass ich nicht mehr in der Chefredaktion – und hielt deshalb auch niemanden davon ab, die Kelly Family auf den Titel zu tun.
Welche Musik hörten Sie als 20-Jähriger?
Alles was neu war. Kinks, The Who, Beatles – ich war immer mehr im Beatles- als im Rolling-Stones-Lager.
Ihre Lieblingsband heute?
Ich bin etwas nostalgisch eingestellt – am meisten höre ich Queen. Zudem mag ich Chopin sehr.
54 Jahre nachdem Ihnen zur Gründung eines Magazins Geld geliehen wurde, wollen Sie jetzt Start-up-Unternehmen finanziell unter die Arme greifen. Sie sitzen in der Jury der TV-Show «Die Höhle der Löwen», die ab 21. Mai auf dem Schweizer Sender TV24 ausgestrahlt wird. Wie viel revolutionäre Sprengkraft spürten Sie während der Dreharbeiten?
Revolutionäre Sprengkraft spürte ich keine, aber dafür Unternehmergeist, und mir kamen einige gute Ideen zu Ohren. Die Menschen, die in der TV-Show «Die Höhle der Löwen» ihre Start-ups vorstellen, sind keine Revolutionäre. Und es sind auch nicht nur junge Leute; es hat auch ältere dabei, die ein Unternehmen gründen wollen und dafür Kapital suchen.
In der Höhle des Löwen – kennen Sie die Herkunft der Redewendung?
Ist nicht Daniel in die Höhle des Löwen geschickt worden?
Das stimmt. «Sich in die Höhle des Löwen wagen», bedeutet: Sich etwas trauen, einem Stärkeren mutig gegenübertreten, unter Drohung von «Gefahr» etwas wagen. Wer sich also «in die Höhle des Löwen wagt», der tritt jemandem gegenüber, der stärker ist. Fühlen Sie sich stärker als die Start-up-Unternehmer?
Ich wäre wahrscheinlich nicht als Investor für die Sendung ausgewählt worden, wenn ich nicht mehr Erfahrung als die Start-up-Unternehmer in die Waagschale werfen könnte.
Warum wollen Sie mit 74 noch in Start-ups investieren?
Es ist total spannend und interessant. Ich mochte es schon immer, neue Dinge anzupacken. Ich bekam durch die TV-Sendung einen Einblick in Unternehmen, die in ganz anderen Sektoren tätig sind, als ich es bisher war.
Alte Weggefährten sagen von Ihnen, Sie seien im Business «ein echter Rappenspalter». Wahr oder nicht?
Schön wäre es (lacht). Natürlich muss man kostenbewusst sein, aber ein Rappenspalter bin ich sicher nicht.
In der TV-Show «Die Höhle der Löwen» müssen Sie schnell entscheiden, ob ein Start-up-Unternehmen für eine Investition taugt. Schwierig für Sie?
Ja – meistens hatten wir nicht mal eine Stunde Zeit, einen Entscheid zu fällen.
Tätigen Sie in der Sendung auch einmal ein Investment aufs Geratewohl?
Ich gehe sicher kein Engagement ein, bei dem ich keine Aussicht auf Erfolg sehe.
In Deutschland war es so, dass die im Fernsehen verkündeten Deals oft platzten, sobald die Kameras aus waren. Wie gut sind die Erfolgsaussichten in der Schweiz?
Es kann durchaus passieren, dass ein Deal platzt, weil wir nach der Sendung die Möglichkeit bekommen, alle Angaben und Zahlen nochmals zu prüfen. Ich habe gehört, in Deutschland würden jeweils nach einer Sendung bis zu 50 Prozent der Engagements im Sand verlaufen. Das wird bei uns nicht der Fall sein. Ich nehme an, bei uns werden maximal zehn Prozent der Deals nicht zustande kommen.
2005 gaben Sie in der SF-Sendung «Traumjob» den Zeitschriften-Zampano, der zwölf Bewerberinnen und Bewerbern Hoffnungen auf einen 200'000- Franken-Job machte. Publikumsrat und Ombudsmann beurteilten Ihre Leistung als «abstossend» und schimpften, Sie zelebrierten eine Lebensweise, «die nicht unserer Schweizer Mentalität entspricht».
Ich verstand nicht, um was es bei der Kritik ging und wie die Beurteilungen zustande gekommen sind. Ist mein Lebensstil abstossend? Oder ich als Person? Eine Leistung kann man meiner Ansicht nach nicht als «abstossend» taxieren. Eine Leistung ist gut oder schlecht. In der Diskussionssendung «Club» entgegnete ich dem Ombudsmann deshalb, dass ich tatsächlich Besitzer eine grossen Villa in Herrliberg wäre, aber mein Nachbar eine noch viel grössere Villa besässe. Der Mann verstand nicht, auf was ich hinauswollte. Dann sagte ich, ich besässe einen Turm in Graubünden, aber mein Nachbar, der Besitzer der grösseren Villa, besitze sogar ein Schloss im Bündnerland. Der Ombudsmann verstand mich immer noch nicht. Zum Schluss bat ich ihn, mir zu erklären, warum bitte schön mein Nachbar Christoph Blocher unschweizerisch sein soll? Danach brach der Ombudsmann ein. Er meinte zwar noch, Blocher zeige seinen Reichtum nicht. Wirklich Ende Feuer war dann, als der «Club»-Moderator ihn darauf aufmerksam machte, das Schweizer Fernsehen habe kurz vorher einen Beitrag über die Besitztümer der Familie Blocher ausgestrahlt.
Man darf also gespannt sein, wie die Kritiken zur Gründershow «Die Höhle der Löwen» ausfallen werden. Wird das Brüllen von Löwe Marquard als abstossend taxiert werden oder als liebevolles und aufbauendes Miauen?
Welcher typische Schweizer Minderwertigkeitskomplex geht Ihnen auf die Nerven?
Dass wir meinen, wir seien das neidischste Volk der Welt. Ich bin viel in der Welt herumgekommen und weiss: Neid gibt es überall.
Wie gehen Sie mit Kritik um?
Kommt darauf an, von wem sie kommt und um welche Themen es dabei geht. Generell ist mir Lob lieber als Kritik, aber ich stelle mich der Kritik, wenn sie fundiert ist. Doch lasse ich mich nicht als «unschweizerisch» oder meine Leistungen als «abstossend» betiteln.
Sind Sie ein guter Verlierer?
Nein, will ich aber auch nicht sein. Ich will ein Gewinner sein, kein Verlierer. Ich bin lieber ein guter Gewinner als ein guter Verlierer.
Was ist Ihr wertvollster Besitz?
Die Liebe meiner Frau Raquel und meiner Kinder.
Geld ist eben doch nicht alles. Und das ist gut so.
Wovor haben Sie Angst?
Vor Krankheit und Siechtum.
Wann zuletzt geweint?
Das letzte Mal die Tränen gekommen sind mir, als mir meine Tochter Caroline einen neuen Song vorspielte. Ich bin nah am Wasser gebaut, mir kommen schnell die Tränen, wenn ich emotional ergriffen bin. Wirklich geweint habe ich das letzte Mal wahrscheinlich bei einem Todesfall.
Mal geweint wegen einer Frau?
Ja sicher. Selbstverständlich hatte ich in meinem Leben auch schon Liebeskummer und weinte einer vergangenen Liebe nach.
Sie legten 1976 als erster Verleger Zeitschriften Poster bei. Woher kam die Idee?
Das ist eine längere Geschichte. Kennen Sie Hans Heiri Kunz, genannt HHK? Er war eine Legende im Posterbusiness. Den Sommer 1967 verbrachte er in San Francisco. Bevor HHK abreiste, kam er ins «Pop»-Redaktionsbüro und sagte: «Hey, mir stinkt es an der Uni. Ich gehe nach San Francisco und schaue, was es dort Neues gibt. Vielleicht kann ich dort einen Trend aufschnappen, so wie du es mit deinem Magazin geschafft hast. Kannst du mir bitte ein Empfehlungsschreiben ‹to whom it may concern› aufsetzen.» Das tat ich, und HHK reiste in der Folge in die USA. Dort erlebte er den «Summer of Love» – den Höhepunkt des ersten Hippie-Jahres. Aber HHK dachte weiter. Als Wirtschaftsstudent erkannte er die geschäftliche Seite der Hippie-Welt und der Poster. Zurück in der Schweiz entstand die Idee, mit Postern die Zimmer zu verschönern. Er schmiss das Studium und gründete mit einem Studienkollegen eine Firma. Ich hatte eine Kooperation mit HHK. Irgendwann kam ich auf die Idee, im «Pop» einen Bogen Poster statt redaktioneller Texte zu drucken. Das schlug ab der ersten Ausgabe ein wie eine Bombe, die Auflage ist explodiert. Wahrscheinlich lag es auch daran, dass Jimi Hendrix der erste Künstler war, von dem ich ein Poster beigelegt habe.
1981 lancierten Sie die deutschsprachige Lizenzausgabe von «Cosmopolitan», später das Magazin «Joy». Sie haben in den letzten fünf Jahrzehnten manch einen Megatrend gerochen. Alles Glück – oder warum gerade Sie?
Ich glaube, ich besitze ein gewisses Sensorium für den Zeitgeist. Oft habe ich zum richtigen Zeitpunkt das richtige Magazin lanciert. Als ich die deutschsprachige Lizenzausgabe des Frauenmagazins «Cosmopolitan» übernahm, galt der Titel als gescheitertes Objekt. Doch ich hatte ein klares Bild vor Augen. Ich wusste, das Rollenverständnis der Geschlechter würde sich in den nächsten Jahren verschieben. Die Frauen wollen unabhängiger sein, sie wollen die Sexualität geniessen, beruflich Erfolg haben, obwohl sie in einer Partnerschaft leben. Ich sah die Frau vor mir, die ich mit der «Cosmopolitan» ansprechen wollte. Natürlich habe nicht ich diesen Typus Frau erfunden, aber «Cosmopolitan» war die erste Publikation, die das neue Rollenverständnis auch formuliert hat und die Frauen auf dem Weg dorthin begleitete. Zum ersten Mal den Erfolg spürte ich nach drei Monaten: In Deutschland kam mir in einem Hotellift eine Frau entgegen, die eine «Cosmopolitan» stolz unter dem Arm trug, so wie es die Männer damals mit der «NZZ» taten. Da wusste ich, ich bin auf dem richtigen Weg.
Ende 20 waren Sie bereits Millionär: Was ist Ihre «Millionärsformel»?
Ich weiss nicht, ob es eine Millionärsformel gibt. Ich habe jedoch auch eine esoterische Seite. Und in einem esoterischen Sinn habe ich immer geglaubt, es steht mir zu, Millionär zu werden. Daran zweifelte ich auch nie. Auf der anderen Seite habe ich immer hart gearbeitet und nie aufgegeben. Ich weiss, andere Menschen wollen auch Millionär werden und schaffen es trotzdem nicht. Über die nicht erklärbaren Ungerechtigkeiten auf der Welt haben wir ja bereits gesprochen.
Wann schliefen Sie zuletzt draussen?
Vor zwei Wochen in der Karibik.
Auf Ihrer Yacht «Azzurra 2»?
Nein, ich habe ein Haus in der Karibik, dort schlafe ich hin und wieder unter freiem Himmel.
Was empfinden Sie beim Anblick des Zürichsees?
Ich freue mich jeden Tag, wenn ich ihn sehe. Oft spüre ich dabei eine gewisse Wehmut.
Warum?
Weil ich zu viel zu tun habe und zu wenig auf meinem Boot auf dem Zürichsee sein kann.
Wer einen Einblick in die Villa «Bella Vista» von Jürg Marquard haben möchte und wissen will, welche Autos er fährt, kann das auf YouTube tun: Vincent Lehmann alias Rapper Young V zeigte 2016 in einem aufwendigen Musik-Video, was sein Stiefvater so alles besitzt:
In einem Satz: Wie werben Sie für die Schweiz?
Ich soll in einem Satz etwas sagen, für das Werbeagenturen Hunderttausende von Franken bekommen und es trotzdem nicht schaffen ... ähm ... (überlegt lange) ich muss zu lange überlegen, deshalb passe ich bei der Beantwortung dieser Frage. Das heisst aber nicht, dass man nicht in der Schweiz Ferien machen soll. Aber mir kommt jetzt grad einfach kein guter Satz in den Sinn.
Sind die Schweizerinnen und Schweizer jetzt eigentlich eher beliebt oder unbeliebt im Ausland?
Nicht unbeliebt, aber nicht mehr so beliebt wie früher. Reiste ich früher nach Deutschland und wurde als Schweizer erkannt, hiess es sofort «wow» oder «super».
Und heute?
Heute muss man sich Sprüche wie «Ja, ja, ihr mit eurem Bankgeheimnis und euren Nummernkonti» anhören. Das heisst aber nicht, dass wir Schweizer unbeliebt sind – bei den meisten schwingt nach wie vor noch etwas Bewunderung für uns mit, einfach nicht mehr so viel wie früher.
Wo fängt für Sie Armut an?
Im Geist.
Wo sollte Reichtum aufhören?
Reichtum hört eigentlich auch im Geist auf. Ich meine, wenn jemand unter seinem Reichtum leidet, na ja ...
Haben Sie einen armen Freund?
Ich habe viele Freunde, die weniger Geld haben als ich, bedürftig ist jedoch keiner.
Das grosszügigste Geschenk, das Sie jemals gemacht haben?
Ich habe viele Autos verschenkt – unter anderem einen Rolls-Royce, auch einen Iso Grifo.
Was ist ein Iso Grifo?
Was müsste ich tun, um von Ihnen heute Nachmittag eine Million Schweizer Franken zu erhalten?
Ich habe noch nie eine Million verschenkt. Ich wüsste nicht, was der Grund sein könnte, das zu tun.
Sie sind 74 Jahre alt und nach wie vor voller Tatendrang. Haben Sie manchmal das Gefühl, die Zeit läuft Ihnen davon?
Ständig.
Hatten Sie je Todesangst im Leben?
Ja. Einmal. Ich wollte gerade zu meiner Yacht zurückschwimmen, als ich plötzlich keine Luft mehr bekam und langsam absank. In diesem Moment dachte ich: Jetzt sterbe ich und das Letzte was ich sehe, ist meine Yacht. Aber ich hatte Glück, Mitglieder meiner Schiffscrew sahen, dass ich Probleme hatte und retteten mich.
Was war los mit Ihnen?
Der Arzt fand danach heraus, dass ich an einer chronischen Bronchitis litt. Wenn man in so einem Zustand Meerwasser schluckt, kann es passieren, dass man keine Luft mehr bekommt und ertrinkt.
Sind Sie Mitglied einer Sterbeorganisation?
Nein.
Ihre Meinung zu Sterbeorganisationen?
Ein Anliegen, das ich durchaus anerkenne. Ich verstehe, wenn jemand diesen Weg gehen will. Auch ich bin mir durchaus bewusst, das alles endlich ist, auch ich. Aber ich habe jetzt einfach noch keine Lust, mich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
Was soll von Ihnen bleiben, wenn Ihr Körper einmal nicht mehr auf der Erde weilen wird?
Natürlich hätte ich Freude, wenn sich meine Nachkommen hin und wieder an mich erinnern – mehr kann ich nicht erwarten.
Gibt es ein Leben danach?
Sie fragen mich, ob es ein Leben danach gibt? Wie soll ich das wissen? Und warum ausgerechnet ich?
Vorhin sagten Sie, dass Sie auch eine esoterische Seite haben.
Ja klar ... irgendetwas gibt es. Ich habe schon einige Dinge erlebt, die ich hier aber nicht erzählen möchte, aber seither bin ich sicher, es gibt noch andere Welten. Was aber genau nach dem Tod passiert und was es mit den geschilderten Todeserlebnissen, dem Tunnel und dem Licht auf sich hat, ob das sterbende Hirn diese Bilder projiziert, ich kann das nicht beurteilen. Ich hoffe jedoch, dass es ein Danach gibt.
Wird dereinst Ihre älteste Tochter Aline Ihre Nachfolge im Unternehmen antreten?
Nein.
Wir sind fertig.
Super, ich habe mir es schmerzhafter vorgestellt.
«Die Höhle der Löwen» läuft am Dienstag, 21. Mai, 20.15 Uhr auf TV24. Mit Swisscom Replay TV können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.
Di 21.05. 20:15 - 22:20 ∙ TV24 HD ∙ CH 2019 ∙ 125 Min
Sendung ist älter als 7 Tage und nicht mehr verfügbar.