Wenn Dreharbeiten tödlich enden Wer ist verantwortlich?

afp/dpa/toko

27.10.2021

Knapp eine Woche nach dem tödlichen Schuss am Filmset von US-Star Alec Baldwin stellt die Polizei klar: Die Waffe enthielt scharfe Munition. Die Staatsanwaltschaft schliesst eine spätere Anklage nicht aus, aber zuvor stehen lange Ermittlungen an.

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Die Waffe, die Schauspielstar Alec Baldwin am Set seines Westerns «Rust» benutzte, hatte nach Angaben der Polizei scharfe Munition enthalten. Dies gaben die Ermittler am Mittwoch bei einer Medienkonferenz in Santa Fe (US-Bundesstaat New Mexico) bekannt.

Das abgegebene Projektil konnte sichergestellt werden, sagte Sheriff Adan Mendoza. Es habe in der Schulter des verletzten Regisseurs Joel Souza (48) gesteckt. Dasselbe Geschoss habe zuvor die Kamerafrau Halyna Hutchins (42) getötet.

Adan Mendoza (l), Sheriff von Santa Fe County, und die Bezirksstaatsanwältin von Santa Fe, Mary Carmack-Altwies, geben eine Medienkonferenz vor dem Büro des Sheriffs. 
Adan Mendoza (l), Sheriff von Santa Fe County, und die Bezirksstaatsanwältin von Santa Fe, Mary Carmack-Altwies, geben eine Medienkonferenz vor dem Büro des Sheriffs. 
Andres Leighton/FR171260 AP/dpa

Es gebe Hinweise, dass sich noch mehr scharfe Munition am Set befand. Dazu seien aber weitere Untersuchungen in einem Waffenlabor nötig, sagte Mendoza. Die Ermittler hätten bei der Durchsuchung des Drehorts rund 600 Beweismittel-Stücke sichergestellt, darunter drei Waffen sowie etwa 500 Munitionsladungen und Platzpatronen. Eine der Waffen wurden als ungefährlicher Plastikrevolver beschrieben.

«Alle Optionen liegen derzeit auf dem Tisch»

 Carmack-Altwies schloss  ein Strafverfahren gegen den 63-Jährigen nicht aus: «Alle Optionen liegen derzeit auf dem Tisch», sagte sie bei einer Pressekonferenz.



Strafrechtsexperten halten es allerdings für wenig wahrscheinlich, dass Baldwin strafrechtlich für den Vorfall verantwortlich gemacht wird. Der Schauspieler hatte die Pistole von dem Regieassistenten Dave Halls übergeben bekommen — mit dem Hinweis, es handele sich um eine «kalte», also ungeladene und damit sichere Waffe.

Daher habe Baldwin offensichtlich «vernünftigerweise geglaubt, dass es keine geladene Waffe war», sagt Juraprofessor Gregory Keating von der University of Southern California. «Alec Baldwin scheint in diesem Fall keine grosse Verantwortung zuzukommen», sagt auch der als Strafverteidiger arbeitende Anwalt Richard Kaplan. «Je weiter man sich von der Person entfernt, die für die Waffe zuständig ist, desto weniger wahrscheinlich» sei eine strafrechtliche Haftbarkeit.

Die Polizei ermittelt auf dem Set des Western  «Rust» nach einem tödlichen Schuss mit einer Requisitenwaffe.
Die Polizei ermittelt auf dem Set des Western «Rust» nach einem tödlichen Schuss mit einer Requisitenwaffe.
Roberto E. Rosales/Albuquerque Journal via ZUMA/dpa (Archivbild)

«Produzent» kann alles mögliche bedeuten

Neben seinem Job als Hauptdarsteller fungierte Baldwin auch als Produzent für den Low-Budget-Film «Rust», an dessen Drehort auf einer Film-Ranch der tödliche Unfall passierte. Allerdings ist Baldwin nur einer auf einer Liste von zwölf Produzenten und Produktionsleitern des Streifens. In Hollywood kann die Bezeichnung Produzent alles Mögliche bedeuten — von demjenigen, der die Gesamtverantwortung über die Produktion trägt bis hin zu jemandem, der zu Beginn des Projekts Geld beigesteuert hat.

Bislang ist noch unklar, wer von den zwölf Personen auf der Liste letztlich die Entscheidungen über die konkrete Arbeit wie etwa das Anheuern der Filmcrew oder das Durchsetzen von Arbeitsschutzregeln fällte und wie weitreichend Baldwins Rolle war. Die Produktionsfirma beantwortete wiederholte Anfragen der Nachrichtenagentur AFP dazu nicht.

«Ich persönlich habe das Gefühl, dass Baldwin vermutlich ziemlich weit entfernt war» von derartigen Entscheidungen, sagt Strafrechtler Kaplan. «Wenn jemand ein Schauspieler der Top-Kategorie ist und als Produzent genannt wird, bedeutet das nicht, dass er die umfassendere Verantwortung eines Produktionsleiters hat. Es geht einfach nur um finanzielle Fragen.» Auch Juraprofessor Keating schliest sich dieser Einschätzung an: «Es sieht eher so aus, als wäre er ein passiver Investor als ein wirklicher Produzent», sagt er.

Abgesehen von strafrechtlichen Fragen ist es nach Einschätzung von Experten jedoch sehr wahrscheinlich, dass die Familie der getöteten Kamerafrau Hutchins und der bei dem Vorfall verletzte Regisseur Joel Souza Zivilklage auf Schadenersatz einreichen werden. Solche Klagen könnten sich sowohl gegen die Produktionsfirma, gegen Baldwin und die übrigen Produzenten als auch «gegen jeden richten, der mit der Waffe in Kontakt kam», sagt Rechtsexperte Bryan Sullivan: «Ich gehe davon aus, dass alle verklagt werden.»

Baldwin könnte demnach vor allem deshalb in den Fokus rücken, weil bei ihm viel zu holen ist und seine Bekanntheit die Aufmerksamkeit der Medien auf den Fall lenkt. «Ich glaube nicht, dass der Regieassisent viel Geld hat. Als Anwalt eines Klägers würde ich deshalb ganz klar Alec Baldwin anvisieren», meint Sullivan.

Letztlich gehe es Anwälten bei einer möglichen Klage von Hutchins' Familie nicht um persönliche Gründe, sagt Juraprofessor Keating: «Sie versuchen einfach, so viel wie möglich für die Familie herauszuholen.»