«Promis unter Palmen» und Co.Darf man Trash-TV in Corona-Zeiten gut finden?
Von Lukas Rüttimann
10.5.2020
Trash-TV-Formate erleben derzeit einen Boom. Sind solche Shows während einer Pandemie eine willkommene Ablenkung – oder schlicht pietätlos? Die Meinungen dazu gehen auseinander.
Auf legendäre Champions-League-Momente müssen Fernsehzuschauer wegen der Corona-Krise bekanntlich schon seit Längerem verzichten. Doch das heisst nicht, dass es an den Mittwochabenden zuletzt nicht hoch zu und her gegangen wäre.
Im Gegenteil: Was die «Berühmtheiten» in der Sat.1-Show «Promis unter Palmen» Woche für Woche abgezogen haben, stellt jeden Fussballkrimi ins Abseits. Suff, Techtelmechtel, Handgreiflichkeiten, Drohungen, Mobbing, Exhibitionismus, Nervenzusammenbrüche – «Promis unter Palmen» lieferte Trash-Fans Woche für Woche all das, was das «Dschungelcamp» zuletzt so oft vermissen liess.
Im einigermassen jungfräulichen Krawall-Format sorgten Kandidaten wie die scharfzüngige Kabarettistin Désirée Nick, Möchtegern-Lifestyle-Guru Bastian Yotta, der zwielichtige TV-Moderator Matthias Mangiapane oder die trinkfreudige Society-Lady Claudia Obert in einem Wettkampf um ein hübsches Preisgeld (Slogan der Sendung: «Für Geld mach ich alles») für Peinlichkeiten am Laufmeter – und damit für genau das, wofür das Publikum solche Sendungen einschaltet.
Skandalöser Grosserfolg
Folglich wurde «Promis unter Palmen» zu einem Grosserfolg, der selbst die kühnsten Erwartungen des Senders übertroffen hat. Rekordverdächtige Einschaltquoten, imposante Marktanteile, ein riesiges Echo in den sozialen Medien (über 14'000 Twitter-Meldungen) und zuletzt sogar eine Strafanzeige wegen «Förderung und Ausstrahlung von massivsten menschenverachtenden Verhaltensweisen» – die Reality-Show hat auch in der vom Coronavirus geprägten Realität für mächtig Wirbel gesorgt.
In der am vergangenen Mittwoch ausgestrahlten «Aussprache» berichtete Ober-Mobberin Carina Spack sogar unter Tränen, dass sie wegen der Show Morddrohungen erhalten habe.
Ob «Promis unter Palmen» auch ohne Corona-Krise so erfolgreich gewesen wäre, ist indes ein anderes Thema. Doch in Zeiten, in denen es auf allen Sendern kaum ein anderes Thema als die Pandemie gibt und Unterhaltungsshows wie «Let's Dance» vor leeren Rängen stattfinden, erfüllt Trash-TV offensichtlich seinen Zweck. Denn zum einen bietet es flüchtige Ablenkung in einer für viele bedrückenden Zeit voller Sorgen, zum anderen geben solche Shows dem Publikum ein kleines Stück Normalität zurück. Oder um es mit den Worten von Désirée Nick zu sagen: «Es ist Trash und Unterhaltung – und nichts anderes will es sein».
Kritikerin vergeht das Lachen
Der Tenor auf Twitter lautete denn auch, dass «Promis unter Palmen» dem Publikum Seelenbalsam in Corona-Zeiten biete. Sogar eine (nicht ganz ernst gemeinte) Petition wurde gestartet, dass die Krawall-Show während der Krise doch bitte täglich ausgestrahlt werden sollte.
Ohne Ironie: Diese Sendung ist wirklich GENAU das, was Deutschland gerade braucht. Ne bessere Ablenkung von der Corona-Quarantäne gibts gar nicht. #PromisunterPalmen
Es gibt aber auch andere Stimmen. «Spiegel»-Autorin Anja Rützel etwa mahnte ihre Leser in einem eindringlichen Appell, sich diese Show bloss nicht anzuschauen. Die bekannte Fernsehexpertin, die sich sonst humor- und durchaus liebevoll mit den Abgründen des Trash-TVs auseinandersetzt, schrieb, dass «Promis unter Palmen» Verantwortungslosigkeit «zum Programm macht» und «brandgefährliche, dumme Boshaftigkeit» propagiere.
Das kann man selbstverständlich so sehen. Dennoch erstaunt es, wie ernst die TV-Kritikerin diese Show zu nehmen scheint, nachdem sie ähnliche Entgleisungen früher oft mit einem Augenzwinkern kommentiert hatte. Dazu passt, dass die Autorin erst kürzlich in einem Blog-Beitrag beschrieben hatte, wie ihr in Zeiten von Corona die Lust auf launige Sprüche und allzu Seichtes vergangen sei.
Ungebrochene Trash-Offensive
Ob es einem selbst ähnlich geht und man Trash-TV in Corona-Zeiten als pietätslos erachtet, muss letztlich jeder selber entscheiden. Doch selbst Fachleute wie der Biopsychologe Professor Doktor Peter Walschburger beschäftigen sich mit dem Thema und räumen ein, dass «ein Unterhaltungsbedürfnis legitim» sei. Wenn man müde oder gestresst sei, würden die Zuschauer «mediale Formate von einfachstem Unterhaltungswert» bevorzugen, erklärte er im «Bluewin»-Interview.
Dass in diesen anstrengenden Tagen viele Menschen nach Zerstreuung – und sei sie noch so hirnlos – suchen, ist also verständlich. Und die Sender sind bereit und willig, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Denn nach dem Ende von «Promis unter Palmen» herrscht nicht etwa Flaute in Sachen Trash. Allein diese Woche sind «Der Mole» (Sat.1), «Match!» (RTL2) und die deutsche Version der Kuppelshow «Are You the One?» (RTL) gestartet; dazu treiben nach wie vor die «Bachelorette» (3plus), Heidi Klums «GNTM»-Models (Pro7) oder die Singles von «Too Hot to Handle» (Netflix) ihr Unwesen.
Was diese Shows gemeinsam haben? Sie wurden fast alle vor der Corona-Krise aufgezeichnet und konnten ohne Einschränkungen produziert werden. Doch auch für die Zukunft muss es Trash-Fans nicht angst und bange werden, denn während in England die neue Staffel von «Love Island» wegen der Pandemie bereits abgesagt wurde, hält RTL Stand jetzt nicht nur an dieser Show, sondern auch an der neuen Staffel von «Die Bachelorette» und der Neuauflage des letztjährigen Trash-Highlights «Das Sommerhaus der Stars» fest.
Doch wer weiss? Vielleicht ist Ablenkung um jeden Preis dann vielleicht schon wieder ein bisschen weniger überlebenswichtig als heute.
Zwischen 1995 und 2014 definierte Harald Schmidt bei wechselnden Sendern, wie Late Night funktioniert (und am Ende auch, wie sie nicht funktioniert). Doch was macht der Chef, was machen die Sidekicks und der Bandleader der «Harald Schmidt Show», fünf Jahre nachdem die Sendung endete? Sie erfahren es in der Bildergalerie!
Bild: Constantin
Er gehörte lange Jahre zur «Harald Schmidt Show» wie Don Camillo zu Peppone oder das Salz in die Suppe: Insgesamt 13 Jahre lang war Manuel Andrack Schmidts Redaktionsleiter und Sidekick mit der ihm eigenen Bierruhe. Auch bei seiner «Rückkehr» von SAT.1 zur ARD wurde Harald Schmidt von ihm begleitet. Dann trennten sich die Wege.
Bild: SAT.1
Andrack hat seither die Wanderleidenschaft für sich entdeckt, worüber er Bücher schreibt («Du musst wandern», «Das neue Wandern»). Zudem veröffentlichte der 1.FC-Köln-Anhänger «Lebenslänglich Fussball: Vom Wahnsinn, Fan zu sein». Für seinen Ex-Chef hatte er im Nachhinein indes nicht nur lobende Worte.
Bild: manuel-andrack.de
Nachtragende Worte wird man von Helmut Zerlett hingegen kaum hören. Der gebürtige Kölner amtierte während Harald Schmidts kompletter Late-Night-Karriere als dessen Bandleader.
Bild: Alexander Hassenstein/Getty Images for Farewell Oliver Kahn
Was Helmut Zerlett heute macht? Musik natürlich! In den letzten zehn Jahren habe er an die 50 Serien und Filme vertont, erklärte er gegenüber dem «stern». Ausserdem tummelt er sich auf Promi-Partys und manchmal auch in Rennautos. Und wenn dann noch Zeit ist, arbeitet er mit Ehefrau Natallia am Golf-Handicap (hier: für den guten Zweck «Wir helfen Kindern»).
Bild: Andreas Rentz/Getty Images
Sie sprach immer die ärrlischen Anmoderationen ein und war auch sonst eine der charmantesten Erscheinungen der «Harald Schmidt Show»: Nathalie Licard.
Bild: ARD / Klaus Görgen
Einst fing sie als Praktikantin bei der «Harald Schmidt Show» an, bar jeder Deutschkenntnisse. Noch immer ist der ausgeprägte französische Akzent Madame Licards Markenzeichen. Das war nicht anders, als sie für den Sender Das Vierte durch den Themenmonat «Vive la France» führte oder 2016 als Co-Moderatorin beim Sport1-«EM Doppelpass» agierte.
Bild: Gert Krautbauer / Das Vierte
Peter Rütten (rechts) war während der Pionierjahre bei SAT.1 Chefautor der «Harald Schmidt Show» und Darsteller beliebter Figuren wie «Kai Edel». Nachdem er wie Kaya Yanar, Oliver Pocher und Niels Ruf arbeitete, hat Rütten nun bei Tele 5 eine Heimat gefunden. Dort präsentiert er mit Oliver Kalkofe die beliebte Reihe «SchleFaZ - Die schlechtesten Filme aller Zeiten».
Bild: Tele 5 / Gert Krautbauer
Harald Schmidt und Oliver Pocher (links) auf Augenhöhe? Das wurde dann doch nichts. Die kurze «Schmidt & Pocher»-Ära im Ersten darf historisch als gescheitert gelten. Schmidt nannte Pocher später wenig schmeichelhaft ein «adipöses Ex-Talent» ...
Bild: ARD / Marco Grob
Ganz falsch lag der Late-Night-Meister da nicht. Was der Jüngere nach «Schmidt & Pocher» im TV anfasste, scheiterte mehrheitlich grandios. Heute ist Oliver Pocher vor allem in den Klatschspalten präsent. Etwa, wenn er sich wieder von einer prominenten Freundin (hier: Tennisstar Sabine Lisicki) getrennt hat. Oder wenn er – wie zuletzt – in einer Reality-Show wie «Global Gladiators» auftritt.
Bild: Andreas Rentz/Getty Images
«Zukunft ist gut für alle», lautete der gloriose Wahlslogan von CDU-Mann Dr. Udo Brömme. Gespielt wurde die wiederkehrende Kunstfigur vom Gagschreiber und späteren Redaktionsleiter Ralf Kabelka. Der ist inzwischen als Sidekick eines anderen ehemaligen Schmidt-Schützlings tätig ...
Bild: ARD / WDR / Herby Sachs
Nämlich von Jan Böhmermann! Zwischen 2009 und 2012 zählte der aufstrebende Provokationskünstler zum Ensemblemitglied der «Harald Schmidt Show». Als hochbegabt fiel er dem geneigten Zuschauer da schon auf ...
Bild: ZDF / Ben Knabe
Was aus dem «blassen, dünnen Jungen» geworden ist, weiss von New York bis Ankara die halbe Welt, seit der «Neo Magazin Royale»-Moderator mit seinem «Schmähgedicht» über den türkischen Präsidenten Erdogan eine mediale, politische und juristische Lawine lostrat. Von einer solchen Aussenwirkung konnte der einstige Chef selbst zu Hoch-Zeiten nur träumen.
Bild: ZDF / Ben Knabe
Auch sie gehörte in Schmidts Karriereherbst zum Nachwuchsteam, mit dem sich der Meister umgab: Katrin Bauerfeind, bekannt geworden als Ansagerin des Internet-Magazins «Ehrensenf», ist beim Kulturfernsehen gut etabliert und auch schon als Schauspielerin («Nachtschicht», «You Are Wanted») und Buchautorin («Hinten sind Rezepte drin») positiv aufgefallen.
Bild: SWR / Alexander Kluge
In den Anfangsjahren bei SAT.1 umgab sich Harald Schmidt über Jahre mit einem festen Team. Suzana Novinscak, die Schmidts Stichwortkarten hochhielt, arbeitet heute als Redakteurin bei einer Marketing-Agentur. Bernd Zeller, der in der Show als «Unser Ossi» auftrat, hat eine Online-Satirezeitung (www.zellerzeitung.de).
Bild: SAT.1
Und was macht der Chef selbst? Vor allem der Schauspielleidenschaft frönen, etwa in der «Rosamunde Pilcher»-Reihe im ZDF. In «Ein Doktor & drei Frauen» spielte Schmidt (links, mit Alexander Klaus Stecher) einen hypochondrischen, misanthropischen Lord. Eine Rolle wie auf den Leib geschneidert ...
Bild: ZDF / Jon Ailes
Angst vor seichten Gefilden hat Harald Schmidt eh nie gehabt. Seit 2008 hat er eine immer mal wiederkehrende Rolle als Kreuzfahrtdirektor Oskar Schifferle auf dem ZDF-«Traumschiff».
Bild: ZDF / Dirk Bartling
Es war eine kleine Sensation: Ende 2015 kündigte der SWR an, dass Harald Schmidt eine Rolle im neuen «Schwarzwald»-Tatort übernehmen werde. Im neu formierten Team um Hans-Jochen Wagner (links) und Eva Löbau sollte Schmidt den Kripo-Chef spielen. Im Februar kam dann der Rückzieher: Schmidt unterrichtete den Sender, «dass er für die anstehenden Dreharbeiten des Tatort Schwarzwald nicht zur Verfügung stehen könne» und nannte «persönliche Gründe» für seine Absage.
Bild: SWR / Alexander Kluge
Und noch eine Überraschung: Harald Schmidt kehrte in seinen alten Job zurück – als Kolumnist. Von 1994 bis 2013 schrieb er bereits für den «Focus», inzwischen meldet er sich beim «Spiegel» mit bissigen Kommentaren in Text- und Videoform zu Wort.
Bild: Clemens Bilan/Getty Images
Eine Premiere: Ab Juni wird Harald Schmidt an der Staatsoper Stuttgart in der Oper «Ariadne auf Naxos» zu sehen sein. Singen wird der 61-Jährige bei seinem Debüt an der Staatsoper Stuttgart allerdings nicht, seine Figur ist lediglich als Sprechrolle angelegt.
Bild: Hannes Magerstaedt/Getty Images for Best Brands
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