Kolumne am Mittag Lara, oh Lara – bleib, wie du bist

Von Julia Käser

12.2.2021

Lara Gut-Behrami auf dem Weg zur Goldmedaille im Super G an der Weltmeisterschaft in Cortina d'Ampezzo. 
Lara Gut-Behrami auf dem Weg zur Goldmedaille im Super G an der Weltmeisterschaft in Cortina d'Ampezzo. 
Bild: Keystone

Seit gestern darf sich Lara Gut-Behrami Weltmeisterin nennen. Bei Gegenwind abseits der Piste fährt sie besonders gut. Gerade deshalb gönnt ihr die Kolumnistin den Titel. 

Weltmeisterin, endlich. Lara Gut-Behrami hat es geschafft. Doch statt emotional oder euphorisch wirkt sie im Interview nach der Siegesfahrt vor allem entspannt. Früher habe sie sich oft nur an Resultaten gemessen, heute habe sie zu einer inneren Zufriedenheit gefunden. 

Bis zur Goldmedaille und der Einsicht, dass «das abseits der Piste noch mehr wert ist», war es ein langer Weg. Ein steiniger. 

Als ich die Tessinerin zum ersten Mal Ski fahren sah, war ich 14 Jahre alt – und aus irgendeinem Grund kann ich mich noch genau daran erinnern. Gut, ich gebe zu: Ich bin wohl ein Fan.

Gut-Behrami will nicht gefallen

Die Erwartungen an die 16-jährige Lara waren hoch. Nicht nur im Schnee wurde viel von ihr abverlangt, auch sonst musste sich die unbeschwerte, begabte Teenagerin von nun an beweisen. Man war sich sicher: Sie hatte das Zeug, das neue «Ski-Schätzli» der Nation zu werden. Unvergessen, wie sie bei ihrer allerersten Weltcup-Abfahrt ins Ziel stürzte und noch Dritte wurde. 

Doch dann kam alles anders. Lara Gut-Behrami nimmt kein Blatt vor den Mund. Freude zu zeigen, scheint ihr schwerer zu fallen als weniger willkommene Emotionen. Sie will nicht um jeden Preis gefallen. Das wiederum gefällt mir an ihr. 

Einerseits beeindruckt es mich, wie kompromisslos Gut-Behrami beim Super-G über die Piste saust. Andererseits finde ich ihre Art abseits der Piste – sagen wir mal – erfrischend. 

All in – auf und abseits der Piste

Leider sorgt genau diese Art aber auch dafür, dass ihre überragenden Pistenerfolge manchmal unter ihren Aussagen unterzugehen drohen. Jüngstes Beispiel: Ihre Kritik an der «widerlichen» Abfahrtspiste in Crans-Montana. Damit erzürnte sie die Organisatoren – schliesslich hatten 180 Leute die halbe Nacht über probiert, das Beste aus dem Hang rauszuholen.

Eine eingeforderte Entschuldigung wollte Gut-Behrami nicht liefern – es wäre auch nicht ehrlich gewesen. Stattdessen doppelte sie nach und das ausgerechnet vor laufender Fernsehkamera. «Leck mich am A...»?, so ihre Worte in Richtung der Organisatoren. 



Typisch Lara: all in – sei es auf oder neben der Piste. Als extrem könnte man die talentierte Skifahrerin mitsamt ihrer Karriere beschreiben. Gut-Behrami wird ganz genau bewusst sein, was sie mit ihren ehrlichen Worten anrichtet. Blöd ist sie nicht, im Gegenteil: Die Matura schloss sie als Jahresbeste im Tessin ab. 

«Nicht sehr sympathisch, aber wahr»

Man gewinnt fast den Eindruck, dass Gut-Behrami den Gegenwind braucht, um wirklich schnell Ski fahren zu können. In Crans-Montana fuhr sie unter starken Schmerzen und lauter Kritik zweimal aufs Podest. 

Daniel Albrecht, Ex-Skirennfahrer und zwischenzeitlich Mitglied im Betreuerstab der Weltmeisterin, kommentiert die Crans-Montana-Geschichte im SRF so: «Es ist nicht immer sehr sympathisch, was sie sagt. Aber es ist ja trotzdem wahr.» 

Und vielleicht ist es genau das, was es eher braucht als ein «Ski-Schätzli»: Eine Athletin, die sich nicht zu schade ist, anzuecken, sich manchmal allzu sehr von ihren Emotionen leiten lässt – und vor allem das tut, was ihr gefällt. 

Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.


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