Kolumne am MittagDer Witz steht ihm ins Gesicht geschrieben
Von Fabian Tschamper
25.5.2021
Erfolgreiche Komiker*innen müssen heutzutage sozialkritisch und wortgewandt sein, damit sie ihr Publikum abholen können. Rowan Atkinson schafft dies seit über 40 Jahren – ohne ein Wort zu sagen.
Von Fabian Tschamper
25.05.2021, 11:23
25.05.2021, 11:36
Fabian Tschamper
Ach, was waren das für Zeiten! Mr. Bean kurvt in seinem Mini Cooper durch Grossbritannien und verursacht mit grossartigem Slapstick-Humor Bauchkrämpfe. Tollpatschig, ein bisschen dämlich und vollkommen wortlos.
Rowan Atkinson kreierte 1989 einen Charakter, der durch Generationen hinweg als komisch gilt. Die visuelle Comedy ist ein Medium, das heute vermehrt verloren gegangen ist. Komiker*innen sollen clever sein, kritisch denken, ihr Publikum erziehen mithilfe von Humor – so wie zum Beispiel der Amerikaner Dave Chappelle.
Ich liebe Chappelle, seine Programme werden dennoch nicht allen zusagen.
Am zugänglichsten bleibt Atkinson, denn seine Kunst ist zeitlos. Schau dir nur mal diesen Clip hier an. Keine Requisiten, nur ein Stuhl, ein Mann, ein minutiös vorgeführter Sketch: Das unsichtbare Schlagzeug.
Kannst Du Dir vorstellen, wie lange er dieses Stück geübt hat? Bis seine Bewegungen mit dem Tonband so übereinstimmten, dass es glaubhaft aussieht? Monate höchstwahrscheinlich.
Der Akt ist nicht nur gelenkig, sondern lebt von Atkinsons Mimik. Meiner Meinung nach eine Kunst, die heute – wie schon erwähnt – zu kurz kommt und in früheren Tagen von Legenden wie Buster Keaton, Steve Martin oder auch Jim Carrey oft und erfolgreich genutzt wurde. Doch von keinem so wie vom 66-jährigen Briten.
Jetzt stell Dir vor, wie viele Künstler in dieser Branche sich die Haare gerauft haben, als sie Atkinson zum ersten Mal in Aktion – in Aktionson, sorry, der war schlecht – sahen. Erst recht übel dürfte ihnen geworden sein, als Atkinson dann doch noch seinen Mund aufmachte.
Eines meiner persönlichen Lieblingsstücke lebt wiederum von seiner – diesmal ernsten – Miene und dem absolut lächerlichen Inhalt des Sketches: Er spielt nämlich einen Schulleiter, der eine Anwesenheitskontrolle seiner Schüler durchführt. Der Twist? Die Lernenden haben alle sehr zweideutige Namen. Dieses Video solltest du also besser nicht bei der Arbeit schauen.
Mit der Mimik eines genervten Schulleiters fragt er da beispielsweise, wo den nun bitte der Schüler mit dem Nachnamen Klitoris sei. Als jener nicht antwortet, kommt natürlich die Frage: «Wo bist du, Klitoris?» Erklären muss ich den Witz wohl niemandem.
Offensichtlich waren dies zwei Beispiele, die schon etwas älter sind. Rowan Atkinson hat sein Handwerk allerdings keinesfalls verlernt. Wer sich erinnern mag: An der Eröffnung der Olympischen Spiele 2012 stahl er dem hervorragenden Orchester, das «Chariots of Fire» spielte, mühelos die Show. Wiederum ohne auch nur ein Wort zu sagen.
Zum Schluss noch ein wenig Trivia: Atkinson hat einen Master-Abschluss von der Universität Oxford, er wollte eigentlich einst Elektroingenieur werden. Wohl als Gegenpol zu jener trockenen Materie hat er aber die Komik gewählt, denn da scheint sein Genie mindestens genauso hell.
Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – sie dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen oder Würstchen finden.