Kolumne am Mittag Das Phantom Kuno Lauener

Von Tobias Bühlmann

17.3.2021

Kuno Lauener beim Züri-West-Konzert am Gurtenfestival am 14. Juli 2017 – an dem Tag, als er von seiner Krankheit erfuhr.
Kuno Lauener beim Züri-West-Konzert am Gurtenfestival am 14. Juli 2017 – an dem Tag, als er von seiner Krankheit erfuhr.
Bild: Keystone/Anthony Anex

Kuno Lauener ist in und mit der Berner Jugendszene gross geworden. Heute feiert er seinen 60. – kurz nachdem er eher widerwillig öffentlich gemacht hat, dass eine Krankheit seine Musikkarriere infrage stellt.

Von Tobias Bühlmann

Als Berner hat man im Grunde zwei Möglichkeiten: Man ergibt sich der Gewissheit, dass Bern die schönste und gemütlichste aller Städte ist, deren Bewohner die geilsten Sieche sind und niemand bessere Musik macht. Oder man sieht es anders und ergreift irgendwann die Flucht, so wie ich es tat.

Aber es gibt immer noch Dinge, die mich mit meiner alten Heimat versöhnlich stimmen: das Bad im Fluss, meine Freunde dort – und Züri West. Die Musik der Band und die Stimme von Kuno Lauener waren der Soundtrack meiner Jugend. Für die Berner Besetzerszene war ich zu jung, aber als ich 15 war, schlug «I schänke Dir mis Härz» ein. Und danach kamen, viele, viele Konzerte.

Mal stieg ich in Biel durch ein Fenster, weil ich kein Billett hatte, mal fälschte ich kurzerhand welche, um Freunde mit ans Konzert in der Dampfzentrale zu nehmen. Ich ergatterte heissbegehrte Plätze für einen Auftritt an Weihnachten im Dachstock der Reithalle, wo die Band leidlich getarnt unter dem Namen «Schinznach Ost» auftrat und schmuggelte mich einmal an die Züri-West-Silvesterparty.

Ungeliebte Interviews

Kuno Lauener fand ich faszinierend – und war damit nicht allein. So fest alle den Frontmann anhimmelten und ihn zu greifen versuchten, so sehr blieb er ein Phantom. Interviews mit dem Musiker sind eine Seltenheit.

Wenn man alte Aufzeichnungen von Gesprächen mit ihm anschaut, kann man es Lauener kaum verdenken: 1988 erhalten Züri West an einer Gala im Schweizer Fernsehen den Pop-Tell verliehen. Zuerst spielen sie ihre Version der Nilsen-Brothers-Schnulze «Aber Dich gibt's nur einmal für mich», dann muss Lauener ran, um den Preis in Empfang zu nehmen.

Sichtlich unwohl ist es dem jungen Berner mit Vokuhila, und entsprechend kurz fällt das Interview aus. In weniger als einer Minute und mit nur einer Handvoll Worten handelt er den Pflichtteil ab. Sagt, dass er zwar ohne Fernsehen, nicht aber ohne Musik sein könne, drückt Laudator Ernst Buchmann einen Kuss auf die Backe – und rennt wieder davon.

Lauener 1993 in seiner Wohnung in der Berner Lorraine: Er könnte gut auch ohne Fernsehen, sagte er.
Lauener 1993 in seiner Wohnung in der Berner Lorraine: Er könnte gut auch ohne Fernsehen, sagte er.
Bild: Keystone/Alessandro della Valle

Der Auftritt macht mir Kuno Lauener nur noch sympathischer: Er rockt und reisst den Mund auf, um im betulichen Bern die Ruhe zu stören. Tritt mit Züri West in der Reithalle und im ZAFF auf, singt in «Hansdampf» von der Besetzung der Berner Dampfzentrale. Doch wenn er sich nicht am Mikrofonständer festhalten kann, wird er verlegen. Er sagt von sich selbst, dass er eher der schüchterne Typ sei.

Lauener hat was loszuwerden

Heute feiert er seinen 60. Geburtstag. Und vor wenigen Tagen hat er einem Journalisten der «NZZ am Sonntag» ein grosses Interview gegeben. Nicht die grosse Lebensbeichte, wie sie Musiker-Kollege Endo Anaconda einige Monate zuvor abgelegt hat.

Doch Lauener hat etwas loszuwerden: Er hat vor gut drei Jahren erfahren, dass er an Multipler Sklerose (MS) erkrankt ist. Eine Krankheit, die die Nerven angreift, ihm einen «sturmen Grind» macht und vieles vergessen lässt. Wie es mit Züri West weitergeht, steht darum in den Sternen. Ob die Band noch einmal Konzerte wird geben können, hängt in der Schwebe.

Doch der begnadete Songschreiber hat wieder zehn, zwölf halbe Songs, die darauf warten, aufgenommen zu werden, sagt er im Interview. Und schliesslich sang Lauener selber mal die Zeile «Züri West isch en' auti Maschine, wo louft u louft u louft». Ich wünsche ihm zum Geburtstag alles Gute und dass es weitergeht mit der Band. Damit ich mal wieder einen guten Grund habe, in den Zug zu steigen von Züri gen Westen.


Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – sie dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.