Kolumne am Mittag Das lange Warten auf Sade

Von Bruno Bötschi

18.1.2021

Mit einer Mischung aus Jazz, Soul, Reggae, Pop und Latin ist Sängerin Sade seit 37 Jahren weltweit erfolgreich. Aber Auftritte der Künstlerin sind rar. Das könnte sich in diesem Jahr ändern – zumindest kurzzeitig.

Heute Morgen, ich wollte gerade einen Kafi rauslassen, liess ich plötzlich einen Schrei fahren – nicht vor Schmerzen, sondern vor Freude. In den letzten Jahren hatte ich mich regelmässig dabei ertappt, wie ich auf der Website von Sängerin Helen Folasade Adu – besser bekannt als Sade – surfte. Und zwar in der Hoffnung, sie werde irgendwann ein neues Album produzieren.

Meine jahrzehntelange Liebe zur Meisterin der kühlen Gelassenheit ist, so wie es auch ihr Hit «No Ordinary Love» suggeriert, keine gewöhnliche Pop-Leidenschaft. Umso grösser war vor vier Stunden meine Freude: Mein jahrelanges Warten könnte bald ein Ende haben.

Wieder einmal.

Angeblich soll ein neues Album fast im Kasten sein. Nach sage und schreibe elf Jahren Pause will Sade heuer ein neues Album herausgeben, also möglicherweise, denn: «Wenn wir glücklich damit sind, lassen wir es alle anderen hören», erzählt Stuart Matthewman, Gitarrist und Saxofonist von Sade, dem Online-Magazin «Rated R&B».

Sade Adu ist eine nigerianisch-britische Smooth-Jazz-, Soul- und R&B-Sängerin sowie mehrfache Grammy-Preisträgerin. Bis heute verkaufte sie über 50 Millionen Tonträger.
Sade Adu ist eine nigerianisch-britische Smooth-Jazz-, Soul- und R&B-Sängerin sowie mehrfache Grammy-Preisträgerin. Bis heute verkaufte sie über 50 Millionen Tonträger.
Bild: Keystone

Sie müssen wissen, liebe Leser*innen, ich besitze von Sade (die übrigens vorgestern ihren 62. Geburtstag feiern konnte) jede Platte. Als wäre es gestern gewesen, erinnere ich mich daran, wie ich 1984 ihre allererste Platte «Smooth Operator» (damals noch auf Vinyl) erstand:

Es war ein Samstag, kurz nach vier Uhr am Nachmittag, der Plattenladen in Frauenfeld, wo ich aufgewachsen bin, bereits geschlossen, eigentlich. Stimmt, die Schweiz hörte damals hinter Winterthur auf. Zumindest wurde das behauptet.

Weniger war mehr, immer schon bei Sade

Die Verkäuferin wollte mich denn auch gleich wieder vor die Tür bugsieren. Ich bettelte: «Ich muss unbedingt diese Platte haben von dieser Sängerin, die vor zwei Wochen am Montreux Jazz Festival aufgetreten ist ... bitte! Unbedingt!»

Verkäuferin (streng): «Hat diese Sängerin auch einen Namen?»

Ich: «Schade oder Sache ... vielleicht auch Sack.»

Verkäuferin (jetzt lächelnd): «Sade.»

Ich (strahlend über das ganze Gesicht): «Jaaa!»

Seither begleitet mich die Sängerin, die einst Modedesign in London studiert hat und danach als Model arbeitete: «Promise» (1985). «Stronger Than Pride» (1988). Ihre schöpferischen Pausen wurden länger. «Love Deluxe» (1992). Die Qualität blieb eindrücklich. Weniger war mehr, immer schon bei Sade.

2000 erschien «Lovers Rock»; ich kaufte die CD am Veröffentlichungstag in New York. Und danach: noch länger warten.

Zehn Jahre liess sich Sade Zeit, bis sie 2010 «Soldier of Love» herausbrachte. Zehn Jahre ohne neue Platte sind eine schier unendlich lange Zeit für einen Popstar. Aber Sade tauchte einfach wieder auf und macht da weiter, wo sie eine Dekade vorher aufgehört hat. Denn fernab aller Moden verkaufen sich «ihre Deluxe-Klagelieder beständig fabelhaft», schrieb ein Musikkritiker im «Spiegel» einmal.

Ich bin sicher, das wird Sade auch mit ihrem neuen Album so halten. Denn sie singt nur, wenn sie es will. Und das ist gut so.

Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.


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