SRF-Bundeshausredaktorin Nathalie Christen: «Meine grösste Angst? Ein Blackout»
SRF-Bundeshausredaktorin Nathalie Christen führt durch den Wahlsonntag. Im Gespräch mit blue News wagt sie eine Prognose und verrät, warum sie ihr Improvisationstalent dem Tanzen verdankt.
18.10.2023
SRF-Bundeshausredaktorin Nathalie Christen führt durch den Wahlsonntag. Im Gespräch mit blue News wagt sie eine Prognose und verrät, warum sie ihr Improvisationstalent dem Tanzen verdankt.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Am Sonntag führt SRF-Bundeshausredaktorin Nathalie Christen durch die zwölfstündige Live-Berichterstattung.
- Unterstützt wird sie dabei im Wahlstudio Zürich Leutschenbach von Urs Leuthard und Curdin Vincenz. Politologe Lukas Golder vom Forschungsinstitut GFS Bern ordnet aktuelle Entwicklungen und Ergebnisse ein.
- Nathalie Christen erzählt blueNews, warum ihr Tanzen hilft, beim Wahlsonntag zu improvisieren.
Frau Christen, die Live-Wahlberichterstattung am Sonntag dauert zwölf Stunden. Ist diese Mammut-Sendung mit einem Marathon vergleichbar?
Da ich noch nie einen Marathon gemacht habe, weiss ich nicht, ob die Sendung mit einem solchen vergleichbar ist. Aber ich stelle mir jetzt einen Marathon noch strenger vor. Beides braucht Vorbereitung.
Sie werden sich in der Sendung wie die Läufer*innen mit Gels ernähren. Sie haben im Vorfeld gesagt, dass sie sich durch alle Gels testen. Haben Sie einen Favoriten gefunden?
Ja, Cola. Ich finde zwar alle Gels wahnsinnig süss, aber mit Cola geht es am ehesten.
Drei Wochen lang haben Sie sich intensiv auf den Wahlsonntag vorbereitet. Klingt nach viel Zeit.
Es ist viel zu wenig. Dennoch haben wir uns sehr intensiv vorbereitet. Ab und zu kam das Gefühl auf, meine Redaktion und ich befinden uns in einem Märchen, bei dem man versucht, einem Kraken die Arme abzuschlagen. Jedes Mal, wenn man einen weggeschlagen hat, kommen noch ein paar neue nach. Ich habe mir aber sagen lassen, dass das bei solch grossen Projekten normal sei.
«Ja, auch die Schweiz polarisiert sich zusehends.»
Ich habe schon vor Interviews geträumt, es nicht bis zum Interview zu schaffen, weil mich die öffentlichen Verkehrsmittel im Stich lassen. Welche ist Ihre grösste Angst vor der Live-Berichterstattung am Sonntag?
Vielleicht ein Blackout, dass ich überhaupt nichts mehr weiss? Ich könnte natürlich auch verschlafen. Das ist mir an der Live-Übertragung der Bundesratswahlen passiert. Aber da haben wir uns abgesichert, dass wenn man sich bis um 5 Uhr morgens nicht auf WhatsApp eincheckt, wir uns anrufen. Das war tatsächlich nötig. Ich bin dann vom Produzenten geweckt worden.
Mit welcher Taktik locken Sie einen bürgerlichen Politiker*innen aus der Reserve?
Das funktioniert bei Bürgerlichen genau gleich wie bei Linken. Ich versuche mich möglichst gut vorzubereiten, vielleicht auch mal etwas aus einem ganz anderen Blickwinkel anzuschauen. Und wenn man so ein kleines Überraschungsmoment auf seiner Seite hat, dann wird vielleicht auch das Gespräch interessanter.
Was braucht es, um gut improvisieren zu können?
Man muss sehr gut vorbereitet sein. Und das werde ich sein – und das ganze Team auch. Improvisieren tue ich sowieso mega gerne. Ich komme mir ein bisschen vor wie beim Tanzen. Ich war früher eine begeisterte Tänzerin, also Standard- und Latintanz. Da muss man ja zuerst die Schritte lernen. Auf der Tanzbühne muss man schauen, was passiert. Und so ähnlich kommt es mir vor.
Als Bundeshausredaktorin sind Sie immer am Nachrichtenpuls. Haben Sie auch mal genug und schalten bewusst ab?
Ja, wenn ich mit meinen Kindern und meinem Mann zusammen bin, da wird zwar manchmal auch politisiert, aber nicht die ganze Zeit. Ich mache auch sehr gerne Yoga und da geht es eben genau darum, nicht an das zu denken, was einen sonst häufig beschäftigt.
In anderen Ländern wird gerne eine Polarisierung der Politik beklagt. Ist das auch in der Schweiz feststellbar?
Ja, auch die Schweiz polarisiert sich zusehends. Nicht nur was die Tonalität der Debatte angeht – wohl wegen Social Media – sondern auch, was die politische Positionierung der Bevölkerung betrifft. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern ist die Schweiz trotzdem insgesamt stabil, weil hier immer mehrere Parteien zusammen Lösungen finden müssen, die zum Teil auch an der Urne noch Bestand haben müssen.
Es gibt Leute die behaupten, alle Journalisten seien links. Was sagen Sie dazu?
Es gab gerade eine Untersuchung, die zeigt, dass SRF ausgewogen berichtet.
Wie lautet Ihre Wahlprognose für Sonntag?
Es wird nach Umfragen ermittelt, da sieht es danach aus, dass die SVP die grosse Siegerin ist und die Grünen die grossen Verlierer sein werden. Es wird sich noch etwas relativieren.
Wieso?
Die Hebel der politischen Macht sind ja nicht nur beim Nationalrat, das kann man mit solchen Umfragen ermitteln, sondern auch beim wichtigen Ständerat. Dort könnte sich das eine oder andere noch relativieren. Zum Beispiel wird dort die FDP vermutlich stark sein. Während sie laut Prognosen im Nationalrat verlieren könnte.
Sie haben schon für fast alle SRF-Infoflaggschiffe gearbeitet. Es gibt keine Steigerung mehr. Jetzt müssten Sie TV-Direktorin werden.
Nein, das interessiert mich wirklich nicht. Ich bin lieber an der Front.
In die Politik zu gehen, das reizt Sie auch nicht? Ihre SRF-Kollegen Matthias Aebischer und Ueli Schmezer politisieren schon länger.
Nein, das kann ich mir auch nicht vorstellen. Ich finde genau das interessant, hinter die Kulissen zu schauen, auch von den verschiedenen Parteien. Und unterdessen kenne ich den Politikbetrieb so gut, dass mir ein solcher Wechsel schwerfallen würde. Ich könnte mir gar nicht vorstellen, bei welcher Partei das überhaupt sein soll.
Bundeshausredaktorin zu sein, ist also Ihr Traumjob?
Ja, für mich schon.