2. Staffel «Dark»Mark Waschke: «Für die Existenz von Gott spricht nicht viel»
Von Bruno Bötschi, Berlin
20.6.2019
Der Nervenkitzel geht endlich weiter – die TV-Serie «Dark» geht in Runde zwei. Wieder mit dabei: Mark Waschke, als mysteriöser Priester. Ein Interview über Gott, die Liebe und die Apokalypse.
Anderthalb Jahre nach dem Start der ersten deutschen Netflix-Serie wird die Geschichte von Jonas, Mikkel und Co. fortgesetzt. Am 21. Juni lanciert der US-amerikanische Streamingdienst die zweite Staffel von «Dark».
Der erste Teil der Serie war ein weltweiter Erfolg. Eindrücke von der zweiten Staffel vermittelt ein kürzlich veröffentlichter Trailer. Er beginnt mit der letzten Szene aus der ersten Staffel.
«Alles hängt zusammen. Die Dinge liegen für dich noch im Verborgenen. Aber sie werden ans Licht kommen», sagt danach die Stimme von Noah (Mark Waschke), dessen Rolle als Priester in der Geschichte ziemlich mysteriös ist.
Der Trailer zu zweiten Staffel von «Dark».
Quelle: Youtube
Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft – in «Dark» scheint alles irgendwie miteinander verflochten zu sein. Ob die zweite Staffel auf die vielen (noch offenen) Fragen Antworten finden wird?
Herr Waschke, in einem Porträt in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» sagten Sie vor vier Jahren, es nicht zu mögen, wenn Filmfiguren sich in Gut und Böse einteilen liessen. Gilt diese Aussage nach wie vor?
Unbedingt – und gerade wenn wir über «Dark» sprechen, dann zeigt sich das ganz exemplarisch. Meine Empfehlung ist, viel mehr zu schauen, wie sich eine Figur verhält. Was ist Ihre grundsätzliche Haltung zur Welt? Und diese Haltung sollte dann nicht moralisch beurteilt werden, sondern faktisch.
Pfarrer Noah, den Sie in der der Netflix-Serie «Dark» darstellen, ist düster, mysteriös – und ein Mörder. Fasziniert Sie gerade dieses Rätselhafte an der Rolle?
Schriftsteller Thomas Brasch sagte einmal: «Ich danke den Verhältnissen für Ihre Widersprüchlichkeit.» Auch in Noah schlummert viel Widersprüchlichkeit und Ambivalenz – genau das ist es, was diese Rolle spannend macht. Gleichzeitig ist auch viel Sensibilität und eine Abgründigkeit zu spüren. Abgründig heisst aber nicht, dass man schlimme Dinge tut. Jeder Mensch hat Abgründe in sich. Georg Büchner beschrieb das einmal wunderbar: «Jeder Mensch ist ein Abgrund, es schwindelt einen, wenn man hinabsieht.»
Was sind Ihre Abgründe?
Mit dem Älterwerden begreife ich immer besser, dass da nix ist, wovor ich wegrennen muss. Meistens ist ja der Abgrund genau das, was man an sich selber nicht mag. Ich texte zum Beispiel gern Leute zu – manche legen das als Stärke aus, andere als Schwäche. Es gibt noch andere Abgründe, aber die erzähle ich Ihnen nicht … (lacht)
Noah kann in «Dark» durch Raum und Zeit reisen. Würden Sie das auch gern in der Realität?
Die Science-Fiction-Literatur ist ja deshalb derart beliebt, weil viele Menschen vom Experiment «Zeitreise» fasziniert sind.
Sie auch?
Nein. Aber es gibt noch andere Fragen, die beim Thema «Zeitreisen» sofort aufpoppen.
Welche?
Es sind die grossen Fragen wie: Was ist der freie Wille? Gibt es ihn überhaupt? Treffe ich meine Entscheidungen selber oder trifft das Weltsystem diese für mich? Gibt es mich überhaupt oder ist alles nur eine Einbildung?
Beschäftigen Sie sich mit solchen Fragen?
Meine Erkenntnis ist, so banal sie auch klingen mag: Ich lebe hier und heute. Das Elixier meines Lebens ist das Jetzt.
Nach der ersten Staffel von «Dark» sagten Sie in einem Interview: «Wenn die Filmemacher die Fäden so weit auseinanderziehen – wie werden Sie es schaffen, diese in der zweiten Staffel zusammenzuziehen?» Haben die «Dark»-Macher Baran bo Odar und Jantje Friese den Zusammenzug geschafft?
Zum Glück haben sie es nicht geschafft. Ich will nicht zu viel verraten, aber es scheint so, dass die Fäden in der zweiten Staffel noch weiter auseinandergezogen werden. Das Netz wird noch grobmaschiger, aber das grosse Ganze der Geschichte geht dabei nicht verloren. «Dark» hat trotz aller offenen Fragen eine unheimliche Schlüssigkeit. Das ist eine der grosse Stärken der zweiten Staffel – ich bin jedenfalls jetzt schon gespannt, wie sich die Geschichte in der dritten Staffel weiterentwickeln wird.
Sie sind christlich aufgewachsen. Der Glaube war Ihnen scheinbar bis 14, 15 ganz wichtig. Was passierte damals?
Vieles im Leben macht man als Kind einfach den Erwachsenen nach, ohne sich grundlegend zu fragen: Warum tue ich das? Jeder, der selber Kinder hat, dem fällt das Imitieren des Nachwuchses irgendwann auf. Bevor man zum Beispiel seinem Kind erklärt hat, wie man Ordnung hält, macht es einem bereits die eigene Unordnung nach.
Was faszinierte Sie an der Religion?
Das Spannende an Religionen fand und finde ich bis heute die Rituale. Ich bin selber protestantisch geprägt, fand jedoch die Katholische Kirche immer spannender. Da gibt es Weihrauch und Partys, die als Gottesdienste getarnt sind, während denen Wein getrunken wird. In der Evangelischen Kirche ist alles ein bisschen angestrengter …
… und was sagen Sie zu den vielen sexuellen Übergriffen in der Katholischen Kirche, die in den letzten Jahren bekannt geworden sind?
Das ist schrecklich. Ich habe das vorhin extra etwas salopp ausgedrückt. Aber zurück zur Ihrer Frage bezüglich Glauben: Das mit der Kirche und der Religion habe ich als Kind ebenfalls den Erwachsenen nachgemacht und mich dort auch sehr aufgehoben gefühlt. Etwas aufgeklärter wurde mir dann aber mit 14, 15 langsam klar, dass das so alles keinen Sinn macht – und so bin ich zum Agnostizismus gekommen.
(Lacht) Nicht viel – jedenfalls nicht für die Existenz, die uns die Kirche glauben machen will. Wo soll sich zum Beispiel die Seele manifestieren? Wo soll die eingeschlossen sein? Und wo bitte steht der Schrank mit den Seelen für die neugeborenen Kinder? Und was passiert mit unserer Seele nach dem Tod? Wo werden die alle entsorgt? Ernsthaft hinterfragt gibt es keinen Grund dafür, dass es einen Gott gibt – ausser, dass einem der Glaube an ihn gut tut. Und das ist okay, solange man damit niemandem anderen weh tut.
Was tut Ihnen gut? Welche Liebe macht Sie glücklich?
Während meiner christlichen Sozialisation habe ich lange Zeit die Nächstenliebe als Befehl verstanden. Wie viele andere auch habe ich bei der Aufforderung «Liebe deinen Nächsten wie dich selbst» einfach den zweiten Teil überhört. Dabei ist die Eigenliebe Grundvoraussetzung dafür, um auch jemand anders lieben zu können. Erst wenn man mit sich selbst halbwegs okay ist, kann man auch für andere selbstlos da sein.
In «Dark» droht die Apokalypse: Was würden Sie tun, wenn in acht Tagen die Welt unterginge?
Ich würde mit meinen Liebsten zusammenkommen wollen und versuchen, eine gute Zeit zusammen zu haben. Denn wie bereits gesagt: Das Leben findet hier statt, nicht morgen oder übermorgen.
«Dark – Staffel 2» ist ab 21. Juni auf Netflix abrufbar.
Karlheinz Weinberger – der Fotograf für das Ungewöhnliche
Karlheinz Weinberger – der Fotograf für das Ungewöhnliche
Hells Angels Camp, Mesocco, 1974.
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Halbstarke in der Wohnung von Fotograf Weinberger, 1962.
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Halbstarke an der Herbstmesse in Basel, 1962.
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Zürich, ca. 1962.
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Zürich, ca. 1972
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Karlheinz Weinberger am Tag seiner Pensionierung, 1986.
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
«Der Kreis» war nicht nur ein Magazin für Homosexuelle, sondern auch eine Organisation, die Clubabende und Feiern organisierte. Karlheinz Weinberger hiess im «Kreis» Jim und war einer der beiden Vereinsfotografen. Dieses Bild stammt von einem Maskenball im Neumarkt.
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Zürich, ca. 1968
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Zürich, ca. 1974
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Blues war ein beliebtes Modell. Madonna – so sagt das Gerücht – habe in einer Gruppenausstellung in New York in der 303gallery ein Blues-Portrait von Karlheinz Weinberger erworben (Zürich, 1968).
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Karlheinz Weinberger war in den frühen 1950er Jahren im Athletik-Sportverband Adler in Zürich der Hausfotograf, später auch Ehrenmitglied. Im Adler trainierten vor allem junge Arbeitsmigranten ihre Muskeln.
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Zwei kämpfende Ringer: Das Lieblingsbild von Nachlassrverwalter Patrik Schedler.
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Zwischen 1955 und 1964 reiste Weinberger jeden Sommer in den Süden, nach Sizilien, auf die Liparischen Inseln und nach Tanger. Dieses Bild entstand wahrscheinlich in Sizilien um 1958.
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Dieses Bild entstand ebenfalls auf Sizilien um 1958.
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Jünglinge, Sizilien zwischen 1958 und 1963.
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Arbeiter, frühe 1950er Jahre.
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Arbeiter, frühe 1950er Jahre.
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Als im Hallenstadion die Stühle flogen: Rolling-Stones-Konzert, Hallenstadion Zürich, 14. April 1967.
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Tätowierer Rocky, 1970er Jahre.
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Rocker in der Leventina, 1972.
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Lone Star Camp, Bad Ragaz, 1969.
Bild: Nachlass Karlheinz Weinberger, Zürich
Grosser Urlaub im Militär: Karlheinz Weinberger auf dem Genfersee bei Vevey, Ostern 1942.
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