Was soll denn das? Irina Shayk muss für blaues Auge Kritik einstecken

Von Marjorie Kublun

19.9.2023

Model Irina Shayk ist mit einem blauen Auge auf einem Catwalk in London erschienen. Ein geschminktes. Das sorgt nun für Unmut. 

Von Marjorie Kublun

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Designerin Mowalola Ogunlesi erhitzt mit dem Look ihrer Models die Gemüter.
  • Sie liess sie – unter anderem Irina Shayk – mit Fake-Verletzungen über den Laufsteg schreiten.
  • Ob sich eine gesellschaftskritische Botschaft dahinter verbirgt? Ungewiss.
  • Mowalola ist bekannt für ihre provokanten Designs.

Es sind nicht die dirty Jeans, die T-Shirts mit sexualisiertem Print oder die so tief sitzenden Jeans, dass man die Schambehaarung sehen kann, über die in der Modebranche diese Woche am meisten gesprochen wird.

Auch nicht die beschmutzen Kleidungsstücke oder die Verwendung der Flagge Saudi-Arabiens auf einem Micro-Jupe, die aktuell in den Medien am stärksten thematisiert werden.

Nein.

Stattdessen ist die Aufmerksamkeit auf das blaue Auge im Gesicht von Model Irina Shayk fokussiert.

Ramponierte Models

Diese Woche präsentierte Mowalola Ogunlesi, die aus Nigeria stammt und heute in London lebt, ihre Frühling/Sommerkollektion 2024 an der Fashion Week in London. Neben Irina Shayk waren es vor allem die Models selbst, der die Aufmerksamkeit galt.

Sie wiesen Verletzungen auf, die professionell von Make-up-Artistin Isamaya Ffrench geschminkt wurden. Verletzungen, die so gut geschminkt waren, dass sie echt aussahen: Nähte am Bauch, Schürfwunden im Gesicht, Nasenbluten und blaue Flecken.

Gewaltverherrlichung auf dem Catwalk? Designerin Mowalola ist bekannt für ihre ungewöhnlichen Visionen, aber auch dafür, sich nicht unbedingt zu ihren Designs zu äussern.

Als erstes vermutet man hinter dem Ganzen eine Gesellschaftskritik zum Thema häusliche Gewalt. Mowalola wäre schliesslich nicht die erste Designerin, die gesellschaftskritische Themen durch Mode ausdrücken würde.

Balenciaga-Designer Demna Gvasalia liess für seine Herbst/Winterkollektion 2022 Models mit Müllsäcken durch einen inszenierten Schneesturm über den Laufsteg schreiten – als Statement gegen Krieg.

Interessant wäre der Ansatz, häusliche Gewalt sichtbar machen zu wollen – sorgt Irina Shayk schliesslich mit ihrem Fake-blauen Auge gerade medial für Aufsehen, während wahre Opfer oftmals im Verborgenen bleiben, sich häufig nicht trauen, darüber zu sprechen. Gewalt gegen Frauen ist eine der häufigsten Menschenrechtsverletzungen und scheint auch 2023 nicht in den Griff bekommen zu sein, im Gegenteil.

Menschenrechtsaktivisten schlugen im Anblick der Fake-Verletzungen gleich Alarm, kritisierten die gezeigte Gewalt auf dem Catwalk: «Supermodels ein falsches blaues Auge zu verpassen, ist absolut verwerflich.»

Was für eine Beleidigung für Opfer häuslicher Gewalt, wenn Verletzungen wie diese für die Öffentlichkeit verherrlicht werden. Mowalola hätte es besser wissen sollen und Irina Shayk hätte nein sagen sollen, liest man auf «X».

«Ekstasische Gefährdung»

Gewalt gegen Frauen zum Thema zu machen, scheint jedoch nicht der Sinn hinter Mowalola Ogunlesi Designs zu sein. Die nigerianische Designerin hat bisher keine politische Botschaft durch ihre avantgardistischen, eigenwilligen und provokanten Designs je beansprucht. 

Backstage sagte sie laut «Vogue», dass die Kollektion stattdessen von ihrer allerersten Sichtung von David Cronenbergs Film «Crash» von 1996 inspiriert sei. «Ich war wirklich begeistert von der Fetischisierung des Schmerzes durch einen Crash.» Daraufhin habe sie «ein ganzes Universum auf der Strasse» geschaffen.

Zu der öffentlichen Kritik sagte die Designerin – die vor ihrer Fashion-Laufbahn plastische Chirurgin werden wollte und sich dann doch fürs Schnippeln von Leder statt menschlicher Haut entschied – nicht viel.

Auf «X» publizierte sie zu ein paar Fotos ihrer Designs nur folgenden Satz: «Wir laufen vor dem Schmerz davon, aber wir brauchen ihn zum Überleben.» Auch dieser Satz löst die Kontroverse aus.

Immer wieder fallen Mowalola-Designs auf

Mowalola Ogunlesi, die ihren Studienabschluss an der renommierten Central Saint Martins lieber gegen ein Fashion-Week-Debüt eintauschte, hat sich jedenfalls einen internationalen Namen gemacht.

Kanye West entdeckte ihre Fähigkeiten früh und engagierte sie als Designdirektorin seiner Zusammenarbeit mit Gap.

Ihre Designs fallen auf und das ist bei dem Overload an Fashion eine Leistung.

Irina Shayk bescherte uns am Filmfestival von Cannes im Mai schon einmal eine ihrer Kreationen. Zu sehen in der Bildergalerie oben.

Ein auffälliger Look. Einer, den man als eigenwillig, jedoch nicht als besonders geschmackvoll beschreiben würde: Ein Leder-Zweiteiler bestehend aus einem quer verlaufenden Bandeau-Oberteil aus bordeauxrotem Leder und einem dazu passenden, viel zu tief sitzenden, bodenlangen Jupe. Ein Design aus Mowalolas Herbst-/Winterkollektion 2023.

Auch Naomi Campbell sorgte schon in Mowalola für Aufruhr und sah an einem Event der London Fashion Week so aus, als habe sie eine Schussverletzung. Diese kam auf dem weissen Design verstärkt zur Geltung. Hier spekulierte man rasch über die Intention hinter dem Stück. Während amerikanische Designer ihre Stimme gegen Donald Trump und seine Anti-Migrationspolitik erhoben, gab es seitens Mowalola überhaupt keine Gewissheit, dass überhaupt eine Botschaft dieser Art, sie zu dem Design inspiriert hatte. 

Vielleicht gehört das Verschleiern von offensichtlichen gesellschaftlichen Themen ja zur Vision Mowalolas. Spannend sind ihre Designs jedoch mit und ohne grosse Botschaft und das Ziel hat sie erreicht: Dass man sich mit ihren Designs auseinandersetzt.

In Zeiten, in denen alles flüchtig ist, tut die Einladung gut, sich näher und tiefer mit Themen auseinanderzusetzen.


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