Rapper Sido machte Entzug «Ich hätte diesen Sommer vermutlich nicht überlebt»

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22.11.2022

Sido gehört seit mehr als zwei Jahrzehnten zu den erfolgreichsten Rappern Deutschlands. Im Frühling 2022 verstummte er plötzlich. Nach einem Totalabsturz wurde er in einer psychiatrischen Klinik behandelt.

B. Bötschi

«Ohne den Entzug und die körperlichen Checks in der Klinik hätte ich diesen Sommer vermutlich nicht überlebt.»

Im vergangenen Frühling landete Rapper Sido für mehrere Wochen in einer psychiatrischen Klinik. Oder wie er es im Magazin «Spiegel» formuliert: «Es ist alles aus dem Ruder gelaufen. Am Ende sass ich in der Klapse.»

Der Beginn der Krise fällt mit der Corona-Pandemie zusammen. Es sei, so Sido, das achte Jahr seiner Ehe gewesen. ­Sieben Jahre lang hätte er es ganz gut hinbekommen. Er sei treu gewesen, dann seien die «Geister» gekommen.

«Superintelligentes Drogenopfer»

Im Frühjahr 2020 Jahren standen Reporter der «Bild»-Zeitung vor seinem Grundstück, weil der Rapper zuvor in einem Interview Verschwörungsmythen verbreitet hatte. Die «Bild»-Mitarbeiter filmten Sidos Haus. Sido, der bürgerlich Paul Würdig heisst, erschien am Gartenzaun und beschimpfte die Reporter.

Es kam noch schlimmer. Kurze Zeit später warf ihn seine Frau raus – zu Recht, wie der Musiker heute sagt. Sido zog in eine Wohnung und verfiel kurz darauf in alte Muster.

Die Buchstaben seines Künstlernamens standen einst für «Superintelligentes Drogenopfer».

Als es Sido diesmal schlecht ging, nahm er wieder chemische Drogen. Pillen, Liquid Ecstasy, Speed. Die grösste Versuchung, sagt der 41-Jährige, sei für ihn das Kokain. Immer wenn er harte Drogen nehme, ende das bei ihm mit Sex.

«Er hat fast geweint»

Sein zwischenzeitlicher Zustand versetzte irgendwann auch Kollegen und Freunde in Sorge. Anfang dieses Jahres habe ihm Rapper Kool Savas eine Sprachnachricht geschickt. Die beiden Musiker sind seit Langem befreundet.

Siggi, ich mach mir richtig Sorgen um dich, habe Savas gesagt. Er habe geredet und geredet, und am Ende habe seine Stimme gezittert. «Er hat fast geweint», so Sido.

Erst in diesem Moment habe er kapiert, wie ernst die Lage wirklich sei. Den Termin für seinen Klinikaufenthalt habe dann seine Ex-Frau für ihn gemacht.

Das Verhalten von Sido vor dem Klinikaufenthalt wird im «Spiegel» als «räudig» beschrieben. Er soll Hausverbote in Hotels gesammelt und sich «rücksichtslos» gegenüber seinen Kindern und seiner Ex-Frau verhalten.

Er sei in dieser Zeit oft nicht vorzeigbar gewesen. Sido sagt, vor allem seine kleinen Söhne nähmen ihm übel, wie er sich benommen habe. Heute könne er sie verstehen.

«Ich bin, was das betrifft, vermutlich völlig kaputt»

Während des Aufenthalts in der Klinik musste Sido regelmä­ssig eine Urinprobe abgeben, um si­cher­zu­stellen, dass er nicht rückfällig geworden war. Am schlimmsten sei es gewesen, sagt der Musiker im «Spiegel», die Klarheit aus­zuhalten. Das Gefühl, dass es nichts mehr gab, mit dem man sich und seinen Schmerz vernebeln konnte.

Erst in der Klinik habe er ver­standen, wie sehr ihm sein abwesender Vater gefehlt habe über all die Zeit. Er habe sich das nie eingestehen wollen. Sidos Vater verliess die Familie, da war Paul Würdig nicht einmal drei Jahre alt.

Sido glaubt, dass er ein schlechtes Bild von Männlichkeit hat, weil es nie jemanden gab, der ihm ein gutes hätte vermitteln können: «Ich bin, was das betrifft, vermutlich völlig kaputt.» In seinem Song «Versager» rappt er darüber, dass sein Vater ihn immer für einen Niemand hielt.

Seine Therapeutin habe sich oft gewundert, dass er in der Klinik nie geweint habe, sagt Sido. Das gelang ihm erst, als er den Song schrieb, in dem er sich bei seinen vier Söhnen entschuldigt.

Wer ist dieser Paul Würdig?

Nach über 20 Jahren Showgeschäft liebe und hasse er Sido, sagt der Musiker im «Spiegel». Denn kaum einer da draussen kenne noch Paul Würdig.

Nicht einmal er selber.

Immerhin weiss er seit seinem Klinikaufenthalt, dass er wieder öfter mal Paul sein möchte. Nur wer ist dieser Paul?

«Tja», sagt Sido, «das muss ich noch herausfinden.»


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